Fridays for Future: Nicht mehr nur betroffen
Kommentar: Eine Ein-Punkt-Bewegung fängt an, Zusammenhänge herzustellen
Fridays for Future (FFF) war lange eine Art globaler Greta-Thunberg-Fanclub. Die Verehrung für die Lichtgestalt aus Schweden, das Bejubeln ihrer inhaltsarmen bis widersinnigen Publicity-Stunts und das aufgebrachte Niederschreien aller berechtigten Kritik am wuchernden Personenkult schien die Hauptaufgabe der Bewegung zu sein. Aber da FFF und Greta Thunberg sehr wohl ein wichtiges Grundanliegen hatten, konnte man immer gespannt sein, ob da noch was Besseres nachkommt. Und siehe da - es gibt zarte Anlässe zur Hoffnung.
Am 21.10. erklärte FFF Göttingen per Twitter, dass man sich als antifaschistisch verstehe. Zur Begründung heißt es in dem Twitter-Thread:
Faschist*innen auf der ganzen Welt zerstören nicht nur das Klima, leugnen den Klimawandel und diffamieren Klimaschutzbewegungen (siehe Bolsonaro in Brasilien, Trump in den USA oder die AFD und andere rechtsextreme Parteien in Deutschland), sondern greifen uns auch aktiv an.
FFF Göttingen
Als Beispiel für diese Angriffe wurden Vorfälle in Zwickau genannt, bei denen Neonazis die Teilnehmer einer FFF-Demo fotografierten, um sie dann im Netz mit der üblichen Hetzsoße zu übergießen. Auch im Selbstbild der Göttinger FFF-Gruppe gibt es zum Thema Faschismus ganz klare Formulierungen.
Wie üblich taten die rechten Schwachköpfe den Klima-Aktiven den Gefallen, weitere Begründungen für eine antifaschistische Positionierung selbst zu liefern. Offensichtlich lehnen jetzt also zumindest einige FFF-Gruppen das politische Neutralitätsgefasel ("FFF ist weder links noch rechts"), wie es zum Beispiel von Luisa Neubauer noch im Sommer zu hören war, klar ab. Aber nicht nur der Antifaschismus hat es einigen FFF-Anhängern mittlerweile angetan, sondern auch die Solidarität mit den bedrängten Kurden in Nordsyrien.
Die Begründung dafür liefert nicht nur die durchaus richtige Wahrnehmung, dass Krieg auch immer eine Umweltkatastrophe ist. Dazu kommen die Aufrufe einer FFF-Gruppe in Rojava selbst, die es angeblich seit dem Mai gibt, und die mit einem eindringlichen Appell um Solidarität gebeten hat. Bis am 17.10 hatten über 80 FFF-Gruppen in ganz Deutschland den Appell gegen die türkische Aggression in Nordsyrien unterschrieben.
Der Sprung vom Fanclub zur neuen politischen Kraft
Das ist nicht mehr die bloße Minderheitenposition einiger besonders linker FFF-Gruppen, sondern fast schon Konsens in der immer noch wachsenden Bewegung. Dass der kapitalistische Frieden und der kapitalistische Krieg zwei Seiten ein- und derselben Medaille sind - für diese Erkenntnis ist es vielleicht noch ein bisschen früh. Auf jeden Fall ließen die Reaktionen von Neonazis auf die internationale Solidarität der FFF-Anhänger nicht lange auf sich warten.
Hat also Fridays for Future die engen Fesseln der ökologischen Erweckungsrhetorik hinter sich gelassen? Das wird sich zeigen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Sprung vom Fanclub zur neuen politischen Kraft tatsächlich schon vollständig gelungen ist. Es gibt beunruhigende Anzeichen dafür, dass Teile der Klimaszene von der Heiligenverehrung zu völlig verstrahlten Mysterienspielen fortgeschritten sind.
Und selbstverständlich wird das Spektakel um Greta Thunberg zumindest noch eine Zeit lang weitergehen. Aber langsam scheint sich die Perspektive durchzusetzen, dass ökologische Destruktivität nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum entsteht, sondern dass sie in einem inneren Zusammenhang mit anderen Formen der Destruktivität steht und folglich nicht isoliert betrachtet und bekämpft werden kann. Das ist immerhin ein Anfang.