Fukushima: AKW-Abbau als Jobmaschine
Auch Fukushima 2 soll nun abgebaut werden, ein Prozess, der Jahrzehnte dauern wird und verloren gegangene Arbeitsplätze ersetzt. In Fukushima 1 gibt es weiter Probleme
Weiterhin ist nicht klar, was im havarierten AKW Fukushima 1 mit den fast 900.000 Tonnen an kontaminiertem Grund- und Kühlwasser geschehen soll, die in Tanks auf dem Gelände gesammelt sind. Betreiber TEPCO würde das Wasser am liebsten im Meer entsorgen. Kürzlich aber stellte sich heraus, dass es neben Tritium auch mit Jod 129 mit einer Halbwertszeit von über 15 Millionen Jahren sowie mit Ruthenium 106 und Technetium belastet ist. Überdies hat Tepco trotz des Filterns weiterhin Cäsium und Strontium im Wasser gefunden, was erst im September bekannt gegeben wurde.
80 Prozent sind so stark kontaminiert, dass sie erst noch einmal gefiltert werden müssten, um ins Meer abgelassen zu werden. 160.000 Tonnen überschreiten die Grenzwerte für ein Ablassen in die Umwelt um das 10 bis 100-Fache, 65.000 Tonnen gleich um das 20.000-Fache, musste Tepco kürzlich einräumen. Ob man zuvor falsche Angaben gemacht oder nur nicht richtig gemessen hat, ist nicht klar. Bis vor kurzem hatte Tepco argumentiert, das Wasser sei nur noch mit Tritium belastet, das für die Umwelt unbedenklich sei.
Wie vor allem das Material aus den drei Reaktoren, in denen sich eine Kernschmelze ereignet, entfernt werden soll, ist ebenso unklar wie die Endlagerung des übrigen Materials. Bis 2020 könnten insgesamt 1,4 Millionen Tonnen belastetes Wasser auf dem AKW-Gelände gelagert werden, dann wäre endgültig Schluss und es muss ein Ausweg gefunden werden. Und weil das AKW mit den Reaktorgebäuden, den Tanks und den 1500 Brennstäben in Kühlbecken weiterhin durch Tsunami gefährdet ist, soll nun eine weitere Schutzmauer errichtet werden.
Noch für lange Zeit ist so gesichert, dass für den Schutz und den Abbau des AKW eine große Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden sein wird. Das ließ Fukushima 1 ein wichtiger Arbeitgeber in den beiden nahegelegenen Städten Okuma und Futaba und in der Region bleiben, was das AKW auch schon vor der Katastrophe war. Und weil das so ist, dürfte nun die nahe gelegene Stadt Nahara, ebenfalls in der Präfektur Fukushima, es geschafft haben, dass auch Fukushima 2 abgebaut wird. Die nach der Evakuation wieder zurückgezogene Bevölkerung hat dies verlangt, Tepco hat bereits im Juni erklärt, das AKW stilllegen zu wollen, vermutlich vor allem, weil zur Wiederinbetriebnahme zahlreiche neue Sicherheitsmaßnahmen hätten vorgenommen werden müssen, die viel Geld verschlingen würden und dem staatlich gestützten Konzern zu teuer gekommen wären.
Das 1982 in Betrieb gegangene AKW Fukushima 2 mit vier Siedewasserreaktoren liegt ebenfalls an der Küste etwa 20 km von Fukushima 1 entfernt. Seit 2011 war es außer Betrieb, aber weiterhin angefüllt mit Nuklearmaterial. Am 11. März wurden die Reaktoren wegen des Erdbebens auomatisch heruntergefahren, aber durch den Tsunami fielen bei 3 Reaktoren kurzzeitig die Kühlsysteme aus, weswegen hier auch die Gefahr der Kernschmelze bestand und ein Störfall ausgerufen wurde. Doch innerhalb von zwei Tagen konnten die Pumpen repariert und die Temperatur auf unter 100 Grad Celsius gesenkt werden (cold shutdown).
Wie Asahi berichtet, gab es im September in einer Bürgerversammlung der Stadt Nahara eine Diskussion darüber, ob die Stilllegung und der Abbau des AKW nicht die Existenzgrundlage vieler Menschen gefährde. Nicht alle sind erfreut über die Stilllegung. Am AKW direkt hatten einst 860 Menschen gearbeitet, was für eine Stadt wie Nahara mit einer Bevölkerung von 8000 vor dem Tsunami viel ist. Dazu kamen Steuern des Konzerns und Gelder vom Staat. Noch letztes Jahr erhielt die Stadt von Tepco 1,9 Milliarden Yen oder 15 Millionen Euro, vom Staat kamen 1,1 Milliarde Yen, die mit dem AKW verbunden ist.
Diese Gelder würden entfallen, wenn das AKW abgebaut wird. Allerdings ist von den einstigen 8000 Bewohnern nur die Hälfte wieder permanent zurückgekommen. In die andere Stadt in der Nähe von Fukushima 2 sind nur wieder 10 Prozent der einstigen Bewohner zurückgekehrt. Der Bürgermeister erklärte, man werde neue Unterstützungsgelder vom Staat anfordern, die bereits Okuma und Futaba in der Nähe von Fukushima 1 sowie die Präfektur Fukushima seit 2015 erhalten, um den finanziellen Ausfall auszugleichen. Dafür wurden 250 Milliarden Yen (2 Milliarden Euro) für die nächsten 30 Jahre bewilligt.
Die Hoffnung ist, dass nun das Mammutprojekt des Abbaus von Fukushima 2 für Jahrzehnte die finanzielle Zukunft der beiden Städte sichern könnte. Vorbild ist Fukushima 1, wo täglich mehr als 5000 Arbeiter beschäftigt sind, die sich in Okuma und Futaba mit Lebensmitteln versorgen oder andere Dinge einkaufen. Dort entstanden zudem Hotels und Wohngebäude für die Arbeiter. Auch die Katastrophe sorgt also für einen wirtschaftlichen Boom. Tepco geht von 30-40 Jahren für den Abbau von Fukushima 1 aus. Darauf setzt auch der Bürgermeister von Nahara, der mit dem Versprechen die Sorgen der Bürger beruhigen will: "Der Abbau kann eine große Industrie werden."