G7-Gipfel und Proteste: Die Welt zu Gast in Söderland

Der Globale Süden ist nach G7-Lesart weniger "wichtig". Beim Straßenprotest gegen den Gipfel hatten auch politisch aktive Menschen aus Uganda eine Stimme. Foto: Stop G7 Elmau

Bayerns Ministerpräsident wird für entgangene Kanzlerfreuden entschädigt – auf der Straße wird ein Ausgleich für von Industrieländern verursachte Schäden im Globalen Süden verlangt.

Immerhin: Für Markus Söders geplatzte Kanzlerträume ist dieser G7-Gipfel auf Schloss Elmau im oberbayerischen Landkreis Garmsich-Partenkirchen ein angemessener Trost. Als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef die anreisenden Staats- und Regierungsschefs via Facebook und Twitter begrüßte, schien er sogar vergessen zu haben, dass er nicht Bundeskanzler ist – denn der tatsächliche Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) fehlte auf der Fotomontage, die Söders Social-Media-Team mit dem Schriftzug "Grüß Gott in Bayern" und CSU-Logo verbreitete.

Nur US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Boris Johnson und sein kanadischer Amtskollege Justin Trudeau sowie Italiens Regierungschef Mario Draghi und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida waren vor der Kulisse von Schloss Elmau abgebildet. "Die Welt zu Gast in Bayern: Welcome to Bavaria! Wir begrüßen die wichtigsten Staatschefs der Welt", heißt es in dem Tweet. Beim G7-Gipfel organisiere sich "die freie Welt" und definiere gemeinsame Interessen, erklärte Söder dazu staatsmännisch.

"Die Air Force One ist auch weiß-blau"

"US-Präsident Joe Biden ist gerade in Bayern gelandet. Es war ein sehr herzlicher Empfang. Die USA und Bayern sind tief verbunden", ließ der Landesvater am frühen Samstagabend verlauten. Gepostet wurden dazu mehrere Fotos, auf denen sowohl sein Handschlag mit Biden als auch der mit Macron auf dem Flughafen München und ein Aufmarsch von Trachtenvereinen zu sehen waren, die Söder mobilisiert hatte, um den ausländischen Gästen bayerisches Brauchtum näherzubringen. Auch die US-Präsidentenmaschine Air Force One sei weiß und blau, konnte er sich nicht verkneifen anzumerken.

Zum Fehlen von Scholz auf dem Bild sagte Söder am Sonntagabend in einem ZDF-Spezial, Scholz sei ja der Gastgeber. (Warum dann das CSU-Logo? – Das blieb Söders Geheimnis.) "Der Bundeskanzler ist ja nun nicht ein ausländischer Staatsgast, sondern der Bundeskanzler. Und noch gehört ja Bayern definitiv zu Deutschland. So soll es auch bleiben", betonte Söder.

Neben Scholz waren auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und EU-Ratspräsident Charles Michel, die als oberste Vertreter der Europäischen Union an dem Gipfel teilnehmen, nicht auf der Fotomontage zu sehen.

Ungeliebt, aber offenbar auch wichtig – abwesende Staatschefs

Dafür, dass Söder von den "wichtigsten Staatschefs der Welt" gesprochen hatte, dreht sich auf dem Gipfel ziemlich viel um ein abwesendes Staatsoberhaupt: den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der beim vorletzten Treffen dieser Art in Deutschland – dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm – noch dabei war. 2014 – im Jahr des Maidan-Umsturzes in der Ukraine – fand das Treffen erstmals seit Ende der 1990er-Jahre wieder ohne Russland statt.

Zum diesjährigen Gipfelstart vier Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine versuchte Trudeau die Atmosphäre aufzulockern, indem er witzelte, die Runde solle sich wie Putin 2009 beim "Reiten mit nacktem Oberkörper" ablichten lassen.

In Folge sollte es zu wesentlichen Teilen darum gehen, wie Russland unter Putin von der "freien Welt" in die Schranken gewiesen werden kann. Ob die G7 das tatsächlich alleine schaffen oder vielleicht doch im G20-Format Druck machen wollen – in diesem Zusammenschluss von 19 wichtigen Industrie- und Schwellenländern sowie der EU ist Russland bisher noch vertreten – ist momentan unklar. Laut EU-Ratspräsident Michel gibt es "keine einfache Antwort" auf die Frage, ob die Europäische Union wegen Putin den G20-Gipfel boykottieren und damit faktisch "killen" oder platzen lassen sollte.

G20-Mitglied ist auch die aufstrebende Wirtschaftsmacht China, die auf dem G7-Gipfel ebenfalls in Abwesenheit eine große Rolle spielt: Mit einem globalen Infrastrukturprogramm, das Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro umfasst, wollen die G7-Staaten vorgeblich Klimaschutz, Energiesektor und Gesundheitsbereich voranbringen – aber eben auch China Konkurrenz machen, wie die ARD-tagesschau feststellt. Es sei ein Gegenprogramm zu Chinas "Neuer Seidenstraße".

Protest gegen Aufrüstung und fossilen Kapitalismus

Das Protestbündnis "Stop G7 Elmau" kritisiert unterdessen, dass die armen Länder des Globalen Südens bei dem Treffen außen vor sind – also diejenigen, die am meisten unter der maßgeblich von den Industrienationen verursachten Klimakrise leiden und auch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Nahrungsmittelversorgung am meisten zu spüren bekommen. Kurz gesagt geht es um Abrüstung statt Aufrüstung sowie um konsequenten Klimaschutz – statt nur um den Verzicht auf Öl, Gas und Kohle aus Russland und ein "Weiter so" mit fossilen Energieträgern aus anderen Teilen der Welt.

Zur Demonstration am Sonntag in Garmisch-Partenkirchen hatte das Bündnis unter anderem politisch aktive Menschen aus Uganda eingeladen, die sich dagegen verwahren, dass Afrikas Rohstoffe weiter rücksichtslos ausgebeutet werden, um den Energiehunger des Westens zu stillen. Stattdessen verlangen sie Ausgleichszahlungen für bereits entstandene Schäden. "Afrika darf nicht zum Plan B für die energiehungrigen G7 werden", rief eine Rednerin vor rund 2000 Teilnehmenden und etlichen Einsatzkräften der Polizei – insgesamt rund 18.000 sind für den Einsatz rund um den Gipfel abgestellt.

Anders als am Samstag bei der Demonstration teils großer Umwelt- und Hilfsorganisationen in München hatte sich das Aktionsbündnis in Garmisch-Partenkirchen nicht wesentlich verschätzt, was die Teilnehmerzahl seiner Demo anging. In der Landeshauptstadt waren bis zu 20.000 erwartet worden und maximal 7000 erschienen.

Franz Haslbeck von "Stop G7 Elmau" vermutet, dass die Stärke von Organisationen wie "Brot für die Welt" sowie der Umweltverbände NABU und BUND, die für München unter dem Motto "Gerecht geht anders" mobilisiert hatten, eher darin liegt, Spenden zu generieren als Menschen zu aktivieren und auf die Straße zu bringen. Sie müssten um die Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit durch die Finanzämter fürchten und würden daher allzu brisante politische Aussagen meiden, so Haslbeck.

Bei "Stop G7 Elmau" seien dagegen mehr linke Gruppen und Organisationen vertreten, die ohnehin nicht als gemeinnützig anerkannt und eine gewisse Stigmatisierung – teilweise auch durch Erwähnung im Verfassungsschutzbericht – gewohnt seien. Deren Mitglieder gingen aber eben auch regelmäßiger auf Demos.

Streitfrage: Wem ist der friedliche Verlauf des Protests zu verdanken?

Da Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels und Ferienwohnungen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen seit Monaten ausgebucht sind und das angemeldete Protestcamp nur Platz für 750 Personen bietet, hatten die Demo-Anmelder hier von vornherein nur mit einer niedrigen vierstelligen Teilnehmerzahl gerechnet – die Anreise von München gestaltete sich am Sonntag wegen überfüllter Züge mit Maskenpflicht bei sehr sommerlichen Temperaturen schwierig. Hinzu kam der Schienenersatzverkehr.

Obwohl am Samstag in München und am Sonntag in Garmisch-Partenkirchen zum Teil dieselben Menschen demonstrierten, war in der oberbayerischen Ortschaft das Spektrum inhaltlich einen Tick radikaler. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es aber nicht. "Dies zeigt trotz aller Schreckensszenarien des Innenministeriums im Vorfeld: Wenn sich die Polizei zurückhält, passiert auch nichts", erklärte dazu Hagen Pfaff vom Presseteam der Organisatoren.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte bereits 2015 nach ebenfalls friedlich verlaufenen Protesten rund um Elmau betont, es liege an der demonstrativ gezeigten Stärke der Polizei, dass es nicht zu Ausschreitungen vonseiten der Demonstranten gekommen sei.