Gassparen: Spanien muss für Deutschlands energiepolitische Fehler schwitzen?

Seite 2: Spanien könnte auf Sparmaßnahmen verzichten

Warum sich Spanien zunächst unsolidarisch verhalten wollte? Das Land könnte angesichts der Gasversorgungslage tatsächlich im Winter auf Sparmaßnahmen verzichten, obwohl die Gasverstromung wegen der starken Dürre und der hohen Stromexporte nach Frankreich in den ersten sieben Monaten des Jahres sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 73 Terawattstunden (TWh) sogar fast verdoppelt hat.

Wir hatten immer wieder berichtet, dass das Atomstromland Frankreich am europäischen Tropf hängt, weil es in der atomaren Sackgasse steckt und auch in Spanien viel Gas für den Nachbar verstromt werden muss.

Was die Gasversorgung in Spanien angeht, befindet sich das Land aus verschiedenen Gründen weiter in einer komfortablen Situation. Das Land verfügt über sechs Regasifizierungsanlagen. Etwa 25 Prozent der gesamten Kapazität in der Europäischen Union befinden sich hier.

Deshalb kann sich Spanien sogar einen Konflikt mit dem früheren Groß-Lieferanten Algerien leisten. Fracking-Gas aus den USA hat derweil Algerien als früheren Haupt-Lieferanten abgelöst. Kamen vor einem Jahr noch 40 Prozent aus Nordafrika, sind es nun nur noch etwa 25 Prozent. Dafür kommen nun gut 30 Prozent über den Atlantik aus den USA.

Spanien hat aber auch seine Importe aus dem Russland massiv gesteigert, dass man doch angeblich boykottieren will. Waren früher zehn Prozent üblich, waren es im Juni sogar schon fast 25 Prozent. So viel hat man noch nie aus Russland importiert.

Man hat sich also abhängiger von Russland gemacht, weil man Algerien beständig vor das Schienbein tritt und Marokko in seinem Krieg in der Westsahara unterstützt. Wie hier immer wieder ausgeführt wurde, riskiert Spanien sogar wegen dem Westsahara-Konflikt, dass Algerien den Gashahn nach Spanien komplett abdreht. Dass inzwischen Marokko sogar mit Gas aus Spanien beliefert wird, gefällt Algerien ganz und gar nicht.

Hier haben wir erneut ein klares Zeichen einer immer absurder werdenden europäischen Energiepolitik. Dass aber die Gasversorgunganlage in Spanien in diesem Winter besonders gut ist, liegt auch an der Tatsache, dass Spanien vor drei Jahren die MidCat-Pipeline gestoppt hat.

Auch dabei musste gerade der Bundeskanzler Olaf Scholz genervt, aber diplomatisch den Spaniern auf die Füße treten. Denn über das einstige "prioritäre EU-Projekt" sollte schon Gas von der Iberischen Halbinsel nach Nordeuropa fließen.

Da dafür aber in Katalonien investiert werden müsste, mit dem der Zentralstaat im Dauerclinch liegt, wurde das Projekt aus Madrid gecancelt, obwohl die Röhre von der größten Regasifizierungsanlage im Hafen von Barcelona schon bis an den Rand der Pyrenäen verlegt wurde und insgesamt schon etwa eine halbe Milliarde Euro verbaut wurden. Die Pipeline würde jetzt "einen massiven Beitrag zur Entlastung und Entspannung der Versorgungslage" leisten, hatte Scholz erklärt.

Da es bisher aber nur zwei kleine Pipelines über das Baskenland und über die Pyrenäen gibt, kann nun Gas kaum nach Norden geleitet werden. Das verschafft Spanien eine gute Versorgungsanlage und deshalb wollte es sich Madrid leisten, sich egoistisch nicht an Sparmaßnahmen zu beteiligen.

Deshalb ist die steile These, die der Spiegel aufgestellt hat, dass "Spanien nun für Deutschlands energiepolitische Fehler schwitzen" müsse, schlicht und ergreifend hanebüchen. Interessant an dem Artikel ist vor allem, dass er keinerlei Begründung für diese These liefert und sich mit der Versorgungslage auch nicht auseinandersetzt.

Vielmehr ist zu erwarten, dass viele in Deutschland im Winter frieren dürften, weil die MidCat-Pipeline nicht fertiggebaut wurde oder weil Russland und vielleicht auch noch Algerien den Gashahn abdreht. Dass es in Europa aber auch mit der Stromversorgung sehr eng wird, weil auch die Verstromung von Kohle und Gas an ihre Grenzen stoßen wird, hängt dann aber vor allem an Frankreich.

Heute lieferten die Atomkraftwerke, die Hälfte des Atomparks ist wegen Rissbildung ausgefallen, gerade 25 Gigawatt. In der Spitze brauchte das Land aber 102. So wäre es eher richtig zu behaupten, dass man in Deutschland extreme Energiepreise bezahlen und viele im Winter wegen energiepolitischen Fehlern in Spanien und Frankreich frieren müssen.