Dreht Algerien Spanien den Gashahn zu?
- Dreht Algerien Spanien den Gashahn zu?
- Energieknappheit in Spanien und Portugal verschärft
- Auf einer Seite lesen
Abbruch der Handelsbeziehungen: Wegen des spanischen Schwenks in der Westsahara-Politik lässt Algerien durchblicken, dass bald auch Gaslieferungen betroffen sein werden
Der Schwenk der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) in der Westsahara-Frage hat wie erwartet drastische Auswirkungen, die Spaniens Regierungspartei auf dem falschen Fuß erwischt haben. So ist Außenminister José Manuel Albares nicht zum Amerika-Gipfel nach Los Angeles gereist, sondern jettete am Freitag eilig nach Brüssel, um dort um Hilfe zu bitten.
Es wird, wie schon in der Frage der Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine, wieder freihändig jongliert, nachdem Algerien den vor fast 20 Jahren geschlossenen Vertrag über "Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit" mit Spanien "mit sofortiger Wirkung" ausgesetzt hat.
Inwieweit auch die Gaslieferungen betroffen sein werden, ist bisher noch unklar. Doch der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune hat schon durchblicken lassen, dass weitere Schritte folgen werden, die auch die Gasversorgung betreffen sollen.
Wie weit die Auswirkungen genau gehen, ist noch unklar. Klar ist bisher: Handelsgeschäfte in Form von Banküberweisungen für Importe aus Spanien und für Exporte nach Spanien sind seit dem gestrigen Donnerstag verboten. Angesichts der möglichen Auswirkungen auf die gesamte EU – schließlich sollte Algerien dabei helfen, russisches Gas zu ersetzen – zeigte sich noch am selben Tag die EU-Kommission "extrem besorgt".
Deren außenpolitische Sprecherin Nabila Massrali forderte Algerien auf, die Entscheidung "rückgängig zu machen". Die Vorgänge könnten Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben. "Algerien ist ein sehr wichtiger Partner der EU im Mittelmeerraum und spielt eine Schlüsselrolle für die regionale Stabilität", betonte sie.
Man werde Auswirkungen dieser Entscheidung genauso analysieren wie die Möglichkeiten für einen Dialog über die diplomatischen Kanäle mit dem "sehr wichtigen Partner für uns."
Schmusekurs mit Marokko
Die EU kommt mit ihren Beteuerungen über die Bedeutung Algeriens zu spät. Gezeigt hat sie das seit langem nicht. Brüssel hat nichts getan, um Spanien vom Schmusekurs mit Marokko abzuhalten, das in der Migrationsfrage Spanien und die EU seit vielen Jahren erpresst. Der spanische Schwenk um 180 Grad in der Westsahara-Frage wurde nicht verhindert. Er wird vielmehr auch von der Bundesregierung sekundiert.
Auch die EU hat den Widersacher Algeriens in Nordafrika bei seinem aggressiven Vorgehen gegen die Sahrauis in der von Marokko besetzten Westsahara bestärkt, deren Schutzmacht Algerien ist.
Als die EU und Marokko wegen des Kolonialismus in der Westsahara vom Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg im vergangenen Herbst abgewatscht wurde – die Westsahara sei "kein Teil Marokkos" – hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nichts Besseres zu tun, als gemeinsam mit Marokko anzukündigen, dass man das Urteil aushebeln und den bilateralen Vertrag weiter umsetzen werde.
Für informierte Beobachter kommt die Ankündigung von Tebboune deshalb nicht überraschend. Es ist eher ein Wunder, dass sich Spanien überrascht zeigt. Das Vorgehen Algeriens ist ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Brüssel und Berlin, wie auch die Tatsache, dass Algerien im Herbst ein gemeinsames Militärmanöver mit Russland an der Grenze zu Marokko durchführen wird.
Auch die große Tageszeitung El País, die den Sozialdemokraten sehr nahe steht, spricht schon von der "Südfront" und bezeichnet das Vorgehen von Sánchez als "tollpatschig".
Seit Monaten verschlechtern sich die Beziehungen vor allem zwischen Madrid und Algier zusehend. Algerien zog schon im März aus Protest gegen Kurswechsel der sozialdemokratischen Regierung in der Westsahara-Frage den Botschafter aus Madrid ab. Danach drohte Algerien sogar damit, Spanien den Gashahn abzudrehen. Denn Madrid hatte angekündigt, Marokko mit Gas zu versorgen.