Dreht Algerien Spanien den Gashahn zu?

Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune. Foto: Paolo Giandotti / CC0 1.0

Abbruch der Handelsbeziehungen: Wegen des spanischen Schwenks in der Westsahara-Politik lässt Algerien durchblicken, dass bald auch Gaslieferungen betroffen sein werden

Der Schwenk der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) in der Westsahara-Frage hat wie erwartet drastische Auswirkungen, die Spaniens Regierungspartei auf dem falschen Fuß erwischt haben. So ist Außenminister José Manuel Albares nicht zum Amerika-Gipfel nach Los Angeles gereist, sondern jettete am Freitag eilig nach Brüssel, um dort um Hilfe zu bitten.

Es wird, wie schon in der Frage der Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine, wieder freihändig jongliert, nachdem Algerien den vor fast 20 Jahren geschlossenen Vertrag über "Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit" mit Spanien "mit sofortiger Wirkung" ausgesetzt hat.

Inwieweit auch die Gaslieferungen betroffen sein werden, ist bisher noch unklar. Doch der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune hat schon durchblicken lassen, dass weitere Schritte folgen werden, die auch die Gasversorgung betreffen sollen.

Wie weit die Auswirkungen genau gehen, ist noch unklar. Klar ist bisher: Handelsgeschäfte in Form von Banküberweisungen für Importe aus Spanien und für Exporte nach Spanien sind seit dem gestrigen Donnerstag verboten. Angesichts der möglichen Auswirkungen auf die gesamte EU – schließlich sollte Algerien dabei helfen, russisches Gas zu ersetzen – zeigte sich noch am selben Tag die EU-Kommission "extrem besorgt".

Deren außenpolitische Sprecherin Nabila Massrali forderte Algerien auf, die Entscheidung "rückgängig zu machen". Die Vorgänge könnten Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben. "Algerien ist ein sehr wichtiger Partner der EU im Mittelmeerraum und spielt eine Schlüsselrolle für die regionale Stabilität", betonte sie.

Man werde Auswirkungen dieser Entscheidung genauso analysieren wie die Möglichkeiten für einen Dialog über die diplomatischen Kanäle mit dem "sehr wichtigen Partner für uns."

Schmusekurs mit Marokko

Die EU kommt mit ihren Beteuerungen über die Bedeutung Algeriens zu spät. Gezeigt hat sie das seit langem nicht. Brüssel hat nichts getan, um Spanien vom Schmusekurs mit Marokko abzuhalten, das in der Migrationsfrage Spanien und die EU seit vielen Jahren erpresst. Der spanische Schwenk um 180 Grad in der Westsahara-Frage wurde nicht verhindert. Er wird vielmehr auch von der Bundesregierung sekundiert.

Auch die EU hat den Widersacher Algeriens in Nordafrika bei seinem aggressiven Vorgehen gegen die Sahrauis in der von Marokko besetzten Westsahara bestärkt, deren Schutzmacht Algerien ist.

Als die EU und Marokko wegen des Kolonialismus in der Westsahara vom Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg im vergangenen Herbst abgewatscht wurde – die Westsahara sei "kein Teil Marokkos" – hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nichts Besseres zu tun, als gemeinsam mit Marokko anzukündigen, dass man das Urteil aushebeln und den bilateralen Vertrag weiter umsetzen werde.

Für informierte Beobachter kommt die Ankündigung von Tebboune deshalb nicht überraschend. Es ist eher ein Wunder, dass sich Spanien überrascht zeigt. Das Vorgehen Algeriens ist ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Brüssel und Berlin, wie auch die Tatsache, dass Algerien im Herbst ein gemeinsames Militärmanöver mit Russland an der Grenze zu Marokko durchführen wird.

Auch die große Tageszeitung El País, die den Sozialdemokraten sehr nahe steht, spricht schon von der "Südfront" und bezeichnet das Vorgehen von Sánchez als "tollpatschig".

Seit Monaten verschlechtern sich die Beziehungen vor allem zwischen Madrid und Algier zusehend. Algerien zog schon im März aus Protest gegen Kurswechsel der sozialdemokratischen Regierung in der Westsahara-Frage den Botschafter aus Madrid ab. Danach drohte Algerien sogar damit, Spanien den Gashahn abzudrehen. Denn Madrid hatte angekündigt, Marokko mit Gas zu versorgen.

Energieknappheit in Spanien und Portugal verschärft

Doch schon im vergangenen Jahr hatte Algerien die Lieferungen nach Marokko eingestellt, nachdem ein Vertrag ausgelaufen war. Schon deshalb floss über die Maghreb-Europa-Pipeline auch kein Gas mehr nach Spanien und Portugal, wodurch sich die Energieknappheit in beiden Ländern deutlich zugespitzt hat.

Im Hintergrund des Konflikts steht, dass die ehemalige Kolonialmacht Spanien ausgerechnet unter dem Sozialdemokraten Pedro Sánchez in der Westsahara-Frage auf den Kurs eingeschwenkt ist, den US-Präsident Donald Trump kurz vor seinem unrühmlichen Abgang eingeschlagen hatte. Der hatte, gegen alle Resolutionen der Vereinten Nationen (UN) zur Entkolonisierung der "letzten Kolonie Afrikas" plötzlich die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt.

Soweit ist Spanien zwar noch nicht, aber die Regierung sieht in der von Marokko vorgeschlagenen Autonomielösung den Weg, um den Konflikt zu lösen.

Wenige Stunden vor der algerischen Erklärung hatte Sánchez die marokkanischen Autonomiepläne, erneut als "solideste, realistischste und glaubwürdigste Grundlage" für eine Konfliktlösung bezeichnet. Das brachte das Fass in Algier zum Überlaufen. Unterstützt wird die PSOE aber von keiner Partei. Sogar der Koalitionspartner "Unidas Podemos" hatte mit der Opposition und mit anderen Unterstützern der Regierung im Parlament zur Rückkehr der früheren Westsahara-Politik gestimmt.

Der Podemos-Sprecher Pablo Echenique bezeichnet nun erneut Marokko als "Aggressionsmacht", die sich immer weiter von der internationalen Legalität entferne.

Westsahara-Politik "nicht zu rechtfertigen"

Algerien begründet den Abbruch der Handelsgeschäfte mit der spanischen Westsahara-Politik, die "nicht zu rechtfertigen" sei. Das Vorgehen sei "illegal und illegitim". Die derzeitige spanische Regierung unterstütze die Besatzungsmacht und sorge mit "fadenscheinigen Argumenten für koloniale vollendete Tatsachen".

Auch die Bemühungen der Vereinten Nationen würden konterkariert. Eigentlich hätte längst ein Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara durchgeführt werden sollen. Es war Grundlage für den Waffenstillstandsvertrag mit der Befreiungsfront Polisario 1991, das die UN-Mission "Minurso" überwachen sollte.

Das Referendum wurde aber von Marokko stets systematisch hintertrieben. Nach dauernden Provokationen und militärischen Aktionen durch Marokko beendete die Polisario schließlich im November 2021 die Waffenruhe. Seither tobt in der Sahara ein weitgehend unbeachteter Krieg. Dieser bekommt immer mehr Chancen, sich zu einem regionalen Krieg auszuweiten, da Marokko Algerien seit langem als "wahre Konfliktpartei" bezeichnet.