Gebt doch dem Söder, was er will!
Bayerns Ministerpräsident drängt den Bund, das Atomgesetz zu ändern. Länder sollen Atomkraftwerke in Eigenregie weiter betreiben können. Dafür gibt gute Gründe. Ein Kommentar.
Viele Versuche hat er bislang unternommen, jetzt hat er es endlich geschafft: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) darf sich rühmen, den Titel als größter Populist im deutschen Sprachraum errungen zu haben. Er will das Atomgesetz so ändern lassen, dass Bayern das Atomkraftwerk Isar 2 quasi in Eigenregie weiter betreiben darf.
Söder sagte der Bild am Sonntag: "Bayern fordert vom Bund eine eigene Länderzuständigkeit für den Weiterbetrieb der Kernkraft. Solange die Krise nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen ist, müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen."
Geben wir gedanklich Söders Wunsch ein paar Minuten nach, geben wir ihm seine Länderzuständigkeit: Wie könnte Bayern das gerade abgeschaltete Atomkraftwerk Isar 2 weiter betreiben?
Es gibt seit diesem Montag keine Brennstäbe mehr, die Energie liefern könnten. Ins Söderische übersetzt: "Der Tank ist leer!" Natürlich kann man neue Brennstäbe bestellen, aber die gibt es eben nicht wie Sprit an der Tankstelle: Die Energiequelle eines jeden einzelnen Atomkraftwerk muss gesondert angefertigt werden – und das dauert zwölf bis 18 Monate.
So lange müsste Isar 2 "eingemottet", sprich betriebsbereit, gehalten werden, wofür es eine Belegschaft geben muss, die das Kraftwerk wartet. Seit diesem Montag gibt es diese Belegschaft aber nicht mehr wie bisher. Vom Pförtner bis zum Ingenieur: Ja, man könnte solche Leute wieder einstellen, aber dazu bräuchte es einen Arbeitgeber, eine Firma, die die Leute auch bezahlt.
Preussen Elektra, der Besitzer von Isar 2, hat jedenfalls abgewinkt, der Konzern hat mit Spezialfirmen und Mitarbeitern Verträge abgeschlossen, um den letzten Reaktorblock in Bayern zu demontieren. "Nach Erhalt der erforderlichen Genehmigung" soll im nächsten Jahr der Rückbau beginnen.
Natürlich könnte Söders Regierung als Arbeitgeber einspringen. Dafür aber müsste der Freistaat Preussen Elektra das Kraftwerk abkaufen und die benötigte Belegschaft einstellen.
Für den Konzern wäre das ein Sechser im Lotto, denn dann müsste nicht er den milliardenteuren Rückbau organisieren und finanzieren, sondern später einmal der Freistaat Bayern. Ein paar Millionen Unterhalt für ein Kraftwerk, das erst einmal keinen Strom produzieren kann, ein paar Milliarden für den Rückbau später, die bayrischen Steuerzahler könnten begeistert sein!
Notwendig für einen Weiterbetrieb des AKW Isar 2 ist nämlich eine periodische Sicherheitsüberprüfung, ins Södersche übersetzt: "ein Kraftwerks-TÜV".
Der ist nämlich seit etlichen Jahren bei Isar 2 abgelaufen, das Kraftwerk fuhr nur noch mit einer Sondergenehmigung. Natürlich ließe sich solch ein TÜV organisieren, aber erstens braucht der anders als beim Auto viele Monate und zweitens viele Millionen: Um die Betriebssicherheit für weitere Jahre zu gewährleisten sind Investitionen in neue Flansche, Rohrleitungen, Pumpen etc. notwendig.
Auch da hat Preussen Elektra längst abgewinkt und keinen neuen TÜV beantragt. Aber das könnte Bayern natürlich nachholen, wenn Söders Regierung sich Isar 2 gekauft hat.
Fehlt nur noch das Atommülllager: Der Freistaat müsste zügig damit beginnen, auf seinem Territorium ein solches für den – realistisch kalkuliert – ab Mitte 2025 anfallenden neuen Strahlenschrott zu suchen.
Denn der bundesweiten Suche nach einem Endlager ist eine bestimmte Atommüll-Menge zu Grunde gelegt, die ursprünglich bis zum 1. Januar 2023 angefallen ist, sich aber bis zum 15. April verlängerte. Für zusätzlichen Müll aus Bayern ist im bundesdeutschen Endlager schlichtweg kein Platz.
Theoretisch ist auch das denkbar, nach den geologischen Untersuchungen ist der Untergrund nördlich der Donau in Bayern praktisch geeignet, wie die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) feststellte. Aber natürlich wäre es "deppert", in Deutschland zwei Atommüll-Endlager zu suchen.
Bayern sei bereit, sich seiner Verantwortung zu stellen, sagte Söder der Bild am Sonntag. Oh, bitte, bitte, gebt ihm die Gesetzesänderung! Denn spätestens, wenn Bayerns CSU-Vorkämpfer seinem Wahlvolk erklären muss, wie brillant sein Vorschlag ist, wird deutlich werden, dass "Söder Markus" auch nur ein alpiner Populist ist.
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