Gedanken über die Zigarettenkatastrophe in Zeiten der Coronavirus-Pandemie
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Weitere Fakten über das Gefährdungspotential des Tabakrauchens, die Vernebelungsstrategie der Tabakindustrie und die Politik der Tabakkontrolle
Seit Beginn meiner Tätigkeit als Rehabilitationsmediziner Mitte der 1980er Jahre bin ich an fast jedem meiner Arbeitstage einer Reihe von Patienten begegnet, die als Opfer der weltweiten Zigarettenkatastrophe anzusehen sind. Es handelt sich um Menschen mit chronischen Krankheiten wie zum Beispiel einer koronaren Herzkrankheit, einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung oder einem Lungenkrebs, die viele Jahre Zigaretten geraucht haben. Bei diesen Krankheiten ist das Rauchen entweder die entscheidende oder eine wesentliche Teilursache für ihre Krankheit.
Wenn man diese Zigarettenkatastrophe mit der augenblicklich alles beherrschenden Coronavirus-Pandemie vergleicht, dann gibt es einige Gemeinsamkeiten, aber auch viele große Unterschiede. So handelt es sich in beiden Fällen um ein weltweites Geschehen, dem Millionen Menschen zum Opfer fallen, wobei vor allem ältere Menschen betroffen sind.
Aber während es sich bei der Coronavirus-Pandemie wahrscheinlich um eine Naturkatastrophe handelt, ist die weltweite Zigarettenkatastrophe menschengemacht. Verursacher ist die Tabakindustrie, die aus Profitgründen ein höchst gesundheitsschädliches Produkt, das zugleich abhängig macht, mit aller Werbungsmacht auf den Markt bringt.
Auch bei der Mortalität gibt es erhebliche Unterschiede. Während die weltweite Zahl der Todesopfer bei der Coronavirus-Pandemie seit Beginn des Jahres bisher (6.11.2020) in der Größenordnung von 1,2 Millionen liegt, wird die Zahl der jährlichen Todesopfer durch Tabakrauchen auf 7 Millionen geschätzt.1 In der Europäischen Union sterben derzeit jährlich etwa 700.000 Menschen vorzeitig an den Folgen des Rauchens. Allein in Deutschland fallen dem Tabak jährlich circa 120.000 Personen zum Opfer.2
Mit dieser Gegenüberstellung möchte ich zum Ausdruck bringen, dass trotz der im Augenblick alles beherrschenden Coronavirus-Pandemie die weiterhin bestehende weltweite Zigarettenkatastrophe, die hinsichtlich der gesundheitszerstörerischen und todbringenden Auswirkungen seit vielen Jahrzehnten einen erheblich höheren Stellenwert hat, nicht unter den Tisch gekehrt werden darf.
Deshalb habe ich in einem ersten Beitrag zu diesem Thema am 1.11.2020 in Telepolis eine Übersicht über das Gefährdungspotential des Tabakrauchens und des Gebrauchs von E-Inhalationsprodukten und Tabakerhitzern gegeben und die Taktik der Verschleierung dieser Tatsachen durch die Tabakindustrie angeprangert.3 Im vorliegenden Beitrag sollen in Ergänzung dazu einige weitere wichtige Fakten über die zerstörerischen Wirkungen des Tabakrauchens und die Vernebelungsstrategie der Tabakindustrie aufgezeigt werden. Außerdem soll über die Politik der Tabakkontrolle und deren Ergebnisse in Europa kritisch informiert werden.
Das Buch über die Zigarettenkatastrophe
Im ersten Teil dieses Artikels stütze ich mich vor allem auf das Buch "Golden Holocaust" von Robert N. Proctor.4 Der Autor ist ein renommierter US-amerikanische Medizin- und Wissenschaftshistoriker der Stanford-Universität. Sein Buch ist ein Opus magnum mit einem Umfang von 737 Seiten, wurde 2011 veröffentlicht, aber leider nicht ins Deutsche übersetzt und wurde von mir 2018/2019 in den Nachdenkseiten ausführlich besprochen.5 Hier soll nur auf einige dort beschriebene spannende Fakten und Zusammenhänge aufmerksam gemacht werden, soweit diese für ein tieferes Verständnis der Hintergründe der Zigarettenkatastrophe von Bedeutung sind.
Proctor beschreibt in seinem Buch die Zigarette als "deadliest artifact in the history of human civilization" ("tödlichstes Artefakt in der Geschichte der menschlichen Zivilisation") und gibt an, dass den Zigaretten im 20. Jahrhundert weltweit etwa 100 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.
Weiterhin weist er darauf hin, dass das Rauchen in der Zigarettenwerbung als "inalienable right of all free people" ("unveräußerliches Recht aller freien Menschen") dargestellt wird. Er hält dem entgegen: Inwiefern kann es sich beim Rauchen um eine freie Willensentscheidung handeln, wenn Raucher zur Zigarette greifen, weil sie von den Tabakkonzernen gezielt nikotinabhängig gemacht worden sind?
Hier zeigt sich bereits das von Proctor identifizierte Leitmotiv der Tabakindustrie: Täuschung beziehungsweise Vernebelung und bewusste und zielgerichtete Manipulation von Fakten und Konsumenten. Dieses Motiv greift er in seinem Buch immer wieder auf und widerlegt dabei die Strategien der Tabakindustrie.
Insbesondere im Gefolge der in den 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre in den USA stattgefundenen Tabakprozesse sind derzeit viele Millionen ursprünglich geheimer Dokumente der Tabakindustrie im Internet zugänglich. Diese Dokumente zeigen sehr deutlich - soweit sie bis heute ausgewertet werden konnten -, dass die Tabakkonzerne nicht nur über die Schädlichkeit des Tabakkonsums und des Passivrauchens, sondern ebenso über die Suchtgefahr des Nikotins schon lange Zeit Bescheid wussten und die Nikotinabhängigkeit über Jahrzehnte systematisch manipuliert haben (siehe unten). Trotzdem sagten die Chefs der großen US-Tabakkonzerne 1994 unter Eid vor dem US-Kongress aus, dass Nikotin nicht süchtig mache.6
Warum ist die Zigarette so erfolgreich?
Proctor fragt sich, welches sind die Gründe für den Erfolg der Zigarette? Ein Grund sei die Erfindung der Heißlufttrocknung, die den Tabak milder gemacht und damit überhaupt erst die Inhalation des Tabakrauchs ermöglicht habe. Mit der Verbreitung von Streichhölzern können Zigaretten an jedem Ort und zu jeder Zeit angezündet werden. Die Massenproduktion (siehe unten) hat die Herstellung der Zigaretten enorm verbilligt und somit neue Käufergruppen erschlossen, sodass mit Zigaretten hohe Profite zu erzielen sind.
Die moderne Werbung in Printmedien, Radio und Fernsehen sowie die gezielte Produktplatzierung von Zigaretten in Filmen und das Sponsoring von Sport- und Kulturveranstaltungen haben ein positives Image des Rauchens erzeugt. In diesem Zusammenhang wendet sich Proctor gegen die Vorstellung, dass früher wesentlich mehr geraucht wurde, weil in alten Filmen die Protagonisten ständig Zigaretten rauchen. Der Autor belegt dagegen, dass die Filmstudios und ihre Stars lukrative Verträge mit den Tabakkonzernen abgeschlossen hatten und deswegen häufig zur Zigarette gegriffen wurde.
Ein weiterer wichtiger Grund für den Erfolg der Zigarette sei der Krieg gewesen. Proctor führt dazu aus, dass im Ersten und Zweiten Weltkrieg Zigaretten zur "Nahrungsmittelration" der Soldaten gehört haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie wichtiger Bestandteil des Marshall-Plans.
Manipulationen der Tabakindustrie
Weiterhin geht er ausführlich auf die Manipulationen der Tabakindustrie ein. Er betont, dass die chemische Zusammensetzung von Tabak gezielt geändert wurde, um sowohl die Wirkstärke als auch die Suchtgefahr der Zigarette zu erhöhen.
Das Verhältnis von Teer zu Nikotin im Tabak wurde zum Beispiel gezielt festgelegt: Die Höhe des Nikotingehalts müsse einerseits gewährleisten, dass Raucher nikotinsüchtig werden, und der Teeranteil müsse andererseits so eingestellt werden, dass der bittere Geschmack des Nikotins verdeckt wird. Insofern ist Tabak kein natürliches Erzeugnis, sondern ein im Labor entworfenes und industriell gefertigtes Produkt, ein Artefakt.
Proctor hat in vielen Tabakprozessen als Sachverständiger gegen die Tabakindustrie ausgesagt. In Gerichtsverhandlungen gegen die Tabakkonzerne ging es vor allem um die Frage, was wer seit wann über die Krebsrisiken des Rauchens wusste?
Denn während außer dem Tabakkonsum noch viele andere Ursachen zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen auslösen können, ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs oder bestimmten anderen Krebserkrankungen relativ leicht nachweisbar. Nur bei dieser Frage bestand die Chance, dass die Schuld der Tabakindustrie juristisch zweifelsfrei festgestellt werden konnte.
Um einer Verurteilung zu entgehen, verfolgten die Tabakkonzerne eine Verteidigungsstrategie, die klar zwischen öffentlichem und wissenschaftlichem Wissen unterschied: Sie verkündeten, die Öffentlichkeit sei angeblich stets über die Risiken informiert gewesen und jeder Raucher habe damit das Risiko einer Krebserkrankung selbst in Kauf genommen; der wissenschaftliche Beweis für das Krebsrisiko hingegen sei erst in den letzten Jahren erbracht worden.
Das Gegenteil ist aber richtig. Erst seit den 1970er-Jahren sei sich die Öffentlichkeit der Krebsrisiken allmählich bewusst geworden, habe diese jedoch noch immer erheblich unterschätzt. Industrienahe Studien wiederum hätten bereits im Jahr 1953 Tabakrauch eindeutig als Auslöser für Lungenkrebs identifiziert. Unabhängigen Forschern ist dies übrigens schon in den 1930er-Jahren gelungen.
Daraufhin haben die Chefs der US-Tabakkonzerne im Dezember 1953 die Strategie des "fighting science with science, creating doubt, fostering ignorance" ("bekämpfe Wissenschaft mit Wissenschaft, rufe Zweifel hervor und fördere Unwissenheit") beschlossen. In den darauffolgenden Auseinandersetzungen unterstellten industrienahe Studien den Wissenschaftlern von unabhängigen Forschungseinrichtungen in der Regel, dass sie "unwissenschaftlich" arbeiten würden und ihre Ergebnisse damit ungültig seien.
"Designbetrug"
Das Design der Zigarette wurde ebenfalls manipuliert. Zwei Aspekte sind hier von besonderer Bedeutung gewesen: Die Illusion einer "sicheren" oder "gesunden" Zigarette sollte die verunsicherten Konsumenten beruhigen. Weiterhin wurde die chemische Zusammensetzung der Zigaretten verändert, um die Suchtgefahr zu erhöhen.
In diesem Zusammenhang kommt dem Zigarettenfilter eine Schlüsselfunktion zu. Er filtere den Rauch und mache ihn somit "sauberer", lauteten die Werbeversprechen. Dieses Argument hat maßgeblich dazu beigetragen, dass um 1960 Filterzigaretten schnell die Hälfte des Markts eroberten und ihre Dominanz in den folgenden Jahren weiter zunahm.
Proctor schreibt, dass sich die Industrie jedoch bewusst gewesen sei, dass ein Filter nicht primär die ihm zugeschriebene Funktion erfüllen kann. Vielmehr sind drei andere Faktoren ausschlaggebend für die Entscheidung der Tabakkonzerne gewesen, die Zigaretten mit Filtern auszustatten - ein finanzieller, ein praktischer und ein illusorischer.
Der Filter senkte die Herstellungskosten, da weniger Tabakmischung für eine Zigarette benötigt wird. Raucher von Filterzigaretten bissen außerdem nicht mehr auf störende Tabakteilchen. Und die Filter beruhigten die verunsicherten Raucher, da sie zumindest die Illusion der "sicheren" Zigarette verbreiteten. Proctor hat Zigarettenfilter deswegen als "design fraud" ("Designbetrug") beurteilt und hat ebenso noch weitere Produktneuerungen wie Menthol- und Light-Zigaretten, die dasselbe Ziel verfolgten, als bewusste Täuschung entlarvt.
Massenproduktion von Zigaretten
Proctor führt aus, dass ein wesentlicher Grund für die massenhafte Verbreitung des Zigarettenrauchens nach dem Zweiten Weltkrieg die verbilligte Massenproduktion von Zigaretten gewesen ist und hat er dargestellt, wie sich diese während der letzten 120 Jahre entwickelt hat.
Während in den Anfangsjahren der Zigarettenherstellung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts per Handarbeit etwa 1 Zigarette pro Minute gedreht werden konnte und es um 1900 schon Zigarettenmaschinen gab, die 600 Zigaretten pro Minute herstellten, sind heute moderne Zigarettenmaschinen wie die Hauni PROTOS-M8 in der Lage, 20.000 Filterzigaretten pro Minute (!) zu produzieren. Das Stammwerk dieser Maschinen, die Hauni Maschinenbau GmbH, hat übrigens ihren Sitz in Hamburg-Bergedorf.
Zigarettenmaschinen dieser Bauart sind bei den Tabakkonzernen auf der ganzen Welt im Einsatz. Diese Maschinen schaffen die Voraussetzung dafür, dass die etwa 6 Billionen (das ist eine 6 mit 12 Nullen) Zigaretten, die weltweit jedes Jahr mit den bekannten Krankheitsfolgen geraucht werden, sehr billig und extrem profiträchtig herzustellen sind.
Dazu sei ein Kommentar des für zynische Statements bekannten Milliardärs Warren Buffett angeführt, den er bei der finanziellen Übernahme des Zigarettenkonzerns R.J. Reynolds abgegeben hat: "I tell you why I like the cigarette business. It costs a penny to make. Sell it for a dollar. It's addictive" ("Ich will Dir sagen, warum ich das Geschäft mit Zigaretten so liebe. Die Herstellung der Zigarette kostet einen Penny und der Verkauf bringt einen Dollar. Und sie macht süchtig").
Rauchen und Umwelt
Es gibt gute Argumente dafür, dass nicht nur der Tabakkonsum schwere Erkrankungen und damit einhergehende soziale und ökonomische Probleme für die Gesellschaft verursacht, auch der Tabakanbau ist mit Risiken verbunden, die Gesundheit und soziale Strukturen, aber in besonderem Maße auch die Umwelt schädigen.7
Dazu gehören vernichtete Wälder, verseuchte Böden, vergiftete Gewässer und erkrankte Arbeiter auf den Tabakplantagen, ja sogar Kinderarbeit, Hunger und Armut. Proctor weist hier auch darauf hin, dass Zigaretten (in Form von weggeworfenen noch brennenden Kippen) eine wesentliche Ursache für den Ausbruch von Feuern, Waldbrände eingeschlossen, sind und auch zum Ausbruch von industriellen Katastrophen beitragen. So wurde der bisher größte Industrieunfall der USA, die 1947 erfolgte Explosion von 2600 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Texas City mit 600 Toten durch Rauchen verursacht.
Mit den Umweltschäden durch Tabakrauchen beschäftigt sich ebenfalls eine aktuelle Studie aus Deutschland.8
Radioaktives Polonium- 210 im Tabakrauch
Proctor schreibt, nur den wenigsten Zeitgenossen würden wissen, dass in den Zigaretten neben den bekannten Giftstoffen9 ebenfalls ein tödliches radioaktives Isotop, das schon genannte Polonium-210, enthalten ist, sodass Raucher einer ständigen krebserregenden Bestrahlung durch einen Alpha-Strahler ausgesetzt sind.
Dieses Radioisotop gehört zu den stärksten Emissionsquellen von Alpha-Strahlung. Das ist die bei weitem tödlichste Form von Strahlung, die man einatmen kann. Der Autor erläutert diese Tatsache und spricht von der "Three Mile Marlboro" in Anspielung auf den Reaktorunfall im US-amerikanischen Kernkraftwerk "Three Mile Island" im Jahre 1979, bei dem zum ersten Mal der Austritt größerer Mengen an Radioaktivität in die Umgebung dokumentiert ist.
Besonders irritierend ist, dass sich in den ehemals geheimen und jetzt im Internet zugänglichen Dokumenten der Tabakindustrie seit den 1950er-Jahren Berichte über radioaktive Gefahren im Tabakrauch finden. Als 1964 von unabhängigen Forschern zum ersten Mal detaillierte Messungen von Polonium im Tabakrauch veröffentlicht wurden, begannen die Forscher der Tabakindustrie geheime Untersuchungen, um herauszufinden, wie viel Polonium- 210 im Tabak vorhanden ist und ob uranhaltige Düngemittel eventuell dafür verantwortlich seien.
Wissenschaftler haben lange darüber gestritten, ob die Radioaktivität im Zigarettenrauch von radioaktivem Niederschlag kommt, der auf die klebrigen Blätter der Pflanzen fällt, oder ob sie von den Pflanzen aus der Radioaktivität des Bodens aufgenommen wird. Letzteres scheint wohl zu stimmen: Die Pflanzen nehmen mit ihren Wurzeln Zerfallsstoffe von Uran auf. Das ist zunächst radioaktives Blei, das sich dann zu Polonium-210 zersetzt, dem wichtigsten strahlenden Isotop im Zigarettenrauch.
In den ehemals geheimen Dokumenten der Zigarettenindustrie sind darüber hinaus hunderte Untersuchungsberichte über Polonium zu finden, die nie veröffentlicht wurden. So beschäftigen sich Dokumente mit der Frage, ob Spezialfilter Polonium eliminieren können. Das seien für die Industrieforscher frustrierende Untersuchungen gewesen, wie Proctor in einem Interview berichtet, das 2010 kurz vor Erscheinen seines Buches in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde.10
Rauchen und Krebserkrankungen
Besonders aufschlussreich ist eine Tabelle in Proctor's Buch, die im Langzeitverlauf von 1900 bis 2010 den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Todesfällen durch Lungenkrebs und dem Zigarettenkonsum in den USA aufzeigt. Hier ist die Zahl der tödlichen Lungenkrebsfälle in diesem Zeitenverlauf in Abhängigkeit von der Zahl der gerauchten Zigaretten pro erwachsene Person und Jahr dargestellt.
Während im Jahr 1900 durchschnittlich 54 Zigaretten pro Person und Jahr geraucht wurden und die Zahl der diagnostizierten Todesfälle durch Lungenkrebs extrem niedrig war, stieg die Zahl der gerauchten Zigaretten von Jahr zu Jahr weiter an, erreichte in den 1960er- bis 1980er-Jahren mit etwa 4.000 Zigaretten pro Person und Jahr ein Maximum, ging dann langsam zurück und lag 2010 bei 1.500 Zigaretten. Die Zahl der Todesfälle durch Lungenkrebs stieg parallel dazu seit 1900 ebenfalls kontinuierlich an, erreichte 1995 - etwa 20 bis 30 Jahre nach dem Maximum des Zigarettenkonsums - mit 161.815 Todesfällen ebenfalls ein Maximum und ging dann bis 2010 auf 157.300 Fälle zurück.
Aus dieser Tabelle ist abzuleiten, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zigarettenkonsum und dem Auftreten von tödlichem Lungenkrebs besteht. Das gilt nicht nur für den Anstieg, sondern auch für den Rückgang der Lungenkrebsfälle und des Zigarettenkonsums.
In diesem Zeitenverlauf kommt weiter zum Ausdruck, dass die Entwicklung eines tödlichen Lungenkrebses bei Rauchern ein Prozess ist, der in der Regel 20 bis 30 Jahre in Anspruch nimmt und deshalb mit einer entsprechenden Zeitverzögerung auftritt.
Betroffen macht auch, dass Proctor die 27 Jazz-Größen aufführt, die in der Zeit von 1951 bis 2009 am Lungenkrebs verstorben sind, darunter auch Duke Ellington. Beliebte Jazz-Festivals wurden von den Tabakkonzernen gerne gesponsert und als Vehikel für den Absatz von Zigaretten benutzt. In der Folge gehörten Zigaretten und Jazzmusik zusammen. Die Musiker spielten über viele Jahrzehnte in verräucherten Clubs und zogen sich dabei schwere gesundheitliche Schäden zu, die ihr Leben verkürzt haben.