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Gefahren für die Welternährung

Die Energie- und Klimawochenschau: Von vertrocknenden Ernten, japanischen Protesten und versauernden Ozeanen

Den einen scheint es nach einem langen, dunklen und kalten Winter als Segen, den anderen treibt es die Sorgenfalten auf die Stirn: In großen Teilen Europas hat es in den letzten Wochen kaum geregnet und die Bauern müssen sich inzwischen Sorgen um ihre Erträge machen.

Nicht nur Deutschland hat einen rekordverdächtige April hinter sich, auf den britischen Inseln war der vergangene Monat gar der wärmste je gemessene, seit es dort regelmäßige Wetteraufzeichnungen gibt. BBC berichtet [1] außerdem davon, dass in Südengland die Niederschlagsmenge nur zehn Prozent des Üblichen und stellenweise sogar noch weniger betrug.

Daten eines neuen Satellitenprogramms [2] der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, die die BBC präsentiert, zeigen außerdem, dass der Niederschlags Mangel in manchen Gegenden bereits seit März anhält und die Böden inzwischen in weiten Teilen Westeuropas extrem ausgetrocknet sind. In Westdeutschland könnten Gewitter einige Erleichterung bringen, aber einmalige Schauer sind in der Regel nicht genug, um ein über viele Wochen akkumuliertes Defizit auszugleichen und die Grundwasserspiegel nennenswert anzuheben.

Während sich am vergangenen Wochenende der durchschnittliche Städter angesichts des Sonnenscheins an Badeseen und in Straßencafés rekelte, der Solaranlagenbesitzer sich über Spitzenerträge [3] freut, beginnen die Bauern zu stöhnen: "Ich bin Bauer und muss mir in den letzten Wochen meine dahindarbenden Kulturen im Feld angucken", klagt am Dienstag ein Leserbriefschreiber in der taz.

Im Weiteren beschwert er sich über die jubilierende Berichterstattung der taz, mit der diese das Sonnenwetter begrüßt: "... die taz feiert neben den ganzen anderen ignoranten Wetterfröschen das Erreichen der 30-Grad-Marke an sechs Wetterstationen im Land ... Fahrt mal raus aufs Land und schaut euch euer besonders betroffenes Brandenburg an." Dort sind nämlich die Böden sehr sandig und halten deswegen die Feuchtigkeit schlecht. Bei längerer Trockenheit haben daher die dortigen Landwirte mehr noch als anderswo zu leiden.

Weniger Erträge wegen Erwärmung

Dazu passen die Ergebnisse einer letzte Woche in Science veröffentlichten Studie [4], wozu es auch ein Interview [5] mit David B. Lobell, dem Hauptautor, gibt). Drei US-Wissenschaftler fanden heraus, dass die Erträge von Weizen, Mais, Soja und Reis in den letzten drei Jahrzehnten im Durchschnitt aufgrund der Erwärmung um drei Prozent zurückgegangen sind und die Preise dadurch um 20 Prozent stiegen.

Die Auswirkungen der Klimaveränderungen variierten allerdings von Land zu Land erheblich, und Reis und Soja zeigten sich weniger anfällig als Weizen und Mais. Besondere Probleme gab es zum Beispiel für den Weizenanbau in Russland, der Türkei und Mexiko, heißt es in einem Bericht [6]r Nachrichtenagentur Reuters.

Da auch eine ganze Reihe anderer Faktoren die Erträge beeinflussen, haben die Autoren zunächst versucht, diese mit statistischen Methoden aus den Daten herauszurechnen. Dann haben sie Modelle zur Berechnung von Ernteerträgen einmal mit den realen regionalen Temperatur- und Niederschlagsdaten sowie einmal ohne diese durchgerechnet. Heraus kam für jede Region ein Ergebnis, aus denen sich insgesamt der oben zitierte Mittelwert zusammensetzt.

Zwei Faktoren mit unterschiedlichem Vorzeichen blieben allerdings noch unberücksichtigt. Zum einen gibt es einen Düngeeffekt durch den steigenden Kohlendioxidanteil der Luft. Dieser befördert das Pflanzenwachstum, sofern genügend Wasser vorhanden ist und auch sonst die Umweltbedingungen vorteilhaft sind. Dieser Effekt wirkt den Ertragseinbußen durch zu hohe Temperaturen entgegen, hebt sie nach Einschätzung der Autoren aber nicht ganz auf.

Andererseits blieben auch die Auswirkungen extremer Hitzewellen und von Starkniederschlägen und Überschwemmungen unberücksichtigt, die zu Ernteverlusten führen. Unterm Strich könnten die Auswirkungen der bisherigen Klimaveränderungen auf die Erträge also noch stärker gewesen sein, als von den Autoren abgeschätzt.

Lobell legt in dem oben verlinkten Interview Wert auf die Feststellung, dass alles in allem die Erträge in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind - nur ohne den Klimawandel wären sie halt durchschnittlich noch besser ausgefallen - und dass das Klima nur ein Faktor von vielen ist, der die Ernte beeinflusst.

Oder mit anderen Worten: Natürlich gibt es Möglichkeiten, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen. Aber: Je stärker dieser ausfällt, desto größer der Aufwand und desto schneller müssen entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Die bisherige Zahlungsmoral der reichen Staaten, die zugleich die Verursacher der Probleme sind, lässt aber nicht darauf schließen, dass sie bereitwillig und rechtzeitig bereit sind, für die Folgen ihres Handeln gerade zu stehen.

Wieder Proteste in Japan

Während hierzulande die CDU inzwischen begonnen hat zurückzurudern (Das Ende der Schmfrist [7]), kann sich die japanische Regierung noch lange nicht zurücklehnen. Am Samstag demonstrierten in Tokio erneut mehrere tausend Menschen für die Stilllegung der Atomkraftwerke, wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt [8]. Neuen Auftrieb bekamen sie dadurch, dass die Regierung, wie berichtet [9], die Stilllegung der drei noch laufen Reaktoren im Atomkraftwerk Hamaoka verlangt hat.

Am Montag kam der Betreiber Chubu der Aufforderung nach. Reaktor drei solle nicht wieder hochgefahren werden und die Reaktoren vier und fünf "so schnell wie möglich" vom Netz gehen. Die beiden anderen Reaktoren sind bereits aus Altersgründen stillgelegt. Anwohner und andere AKW-Gegner hatten die Stilllegung des AKWs seit langem verlangt, weil es in der unmittelbaren Nachbarschaft zu einem potenziellen Erdbebenherd steht (Das nächste Beben [10]).

Die Regierungen in Washington und Tokio wollen angeblich [11] offensichtlich einen Teil ihrer nuklearen Sorgen exportieren. Vertreter der beiden Staaten seien dabei, mit der Mongolei den Bau eines Endlagers für radioaktive Abfälle zu verhandeln.

Das Vorhaben solle im Geheimen wegen der Bedenken der Nachbarn Russland und China ausgehandelt werden. Doch damit ist nun offensichtlich Schluss, und etwaige Transporte würden sich ohnehin schwerlich verheimlichen lassen, müssten sie doch entweder über russisches oder chinesisches Territorium laufen. Eigentlich schwer vorstellbar, dass dem ohne eine saftige Gegenleistung zugestimmt werden würde. Allerdings haben Japan und die USA bestritten [12], solche Pläne verfolgen zu wollen.

Erfreuliche Nachrichten gibt es hingegen aus der Slowakei. Dort soll der für 2014 vorgesehene Baubeginn eines neuen Reaktors verschoben werden, wie Nuclear Power Daily berichtet [13]. Der neue Meiler werde erst 2025 oder später ans Netz gehen. Die Slowakei beziehe immer noch 55 Prozent ihres Stroms aus Atomkraftwerken, obwohl zwei ältere Reaktoren sowjetischer Bauart als Bedingung des EU-Beitritts stillgelegt werden mussten.

Am Standort Mochovce, an dem bereits zwei Reaktoren stehen, sind derzeit zwei weitere im Bau, wie die Daten [14] der Internationalen Atomenergieagentur zeigen. Mit je 391 Megawatt sind sie relativ klein, was sie allerdings nicht ungefährlich macht. Österreichische AKW-Gegner kritisieren [15] unter anderem, dass keine Sicherheitshülle gegen Flugzeugabstürze vorgesehen ist. Bauherr ist übrigens die Slovenske Elektrarne, die wiederum vom italienischen Konzern Enel kontrolliert wird, der daheim keine AKWs bauen darf. Laut Nuclear Power Daily sollen die beiden neuen Druckwasserreaktoren 2012 und 2013 ans Netz gehen.

Halbe Entwarnung für Freisetzung von Methan durch Klimaerwärmung

Hier auf Telepolis wurde wiederholt auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die in der Arktis für das globale Klimasystem in Form von etwaigen Rückkoppelungsmechanismen schlummern (siehe z. B.: Zeitbombe in der Arktis [16], Eine klimatische Zeitbombe im hohen Norden [17] oder Beschleunigtes Auftauen [18]). Dazu gehören neben den gewaltigen Mengen Kohlenstoff, die im sibirischen Permafrost gebunden sind, und dem Meereis, dessen Rückzug an einem noch nicht bekannten Punkt zum sich selbstverstärkenden Prozess wird, wenn zuviel des arktischen Ozeans im Sommer frei liegt und sich erwärmen kann, vor allem die sogenannten Gashydrate.

Unter letzterem versteht man Methan, das durch zu Eis erstarrtes Wasser eingeschlossen wird. Das geschieht, wenn das Wasser kalt genug ist und ausreichend hoher Wasserdruck herrscht. Also gewöhnlich in Wassertiefen von etlichen hundert Metern und vorzugsweise in nördlichen Gefilden.

Der Boden der sehr ausgedehnten flachen Küstengewässer vor Nordsibirien ist voll mit diesem brennbaren Eis. Dort ist das Wasser zwar kaum mehr als hundert Meter tief und der Druck nicht allzu hoch, dafür sind die Temperaturen aber um so niedriger. Zu einem erheblichen Teil lag der Boden während der letzten Eiszeit wegen des um rund 120 Meter niedrigeren Meeresspiegel frei und ist zu dieser Zeit bis in mehrere hundert Meter Tiefe gefroren.

In anderen nördlichen Gewässern sind die Bedingungen etwas anders, denn dort gibt es keinen Permafrost, sondern nur Gashydrate, die sich vor Ort gebildet haben. Die genauen Bedingungen, unter denen sie entstehen und erhalten, sind bisher schwer zu messen, da sich das Methan-Eis oder auch die Bodenproben, schnell auflösen bzw. ihren Gasgehalt verlieren, wenn sie an die Oberfläche geholt werden.

Wichtig ist das alles im Zusammenhang mit der Frage, ob es im Zuge der globalen Erwärmung vielleicht große Ausbrüche des Treibhausgases Methan aus diesen Gashydraten geben könnte, was die globale Erwärmung weiter verstärken würde. Eher nicht, meinen Xin Zhang und Kollegen vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing im US-Bundesstaat Kalifornien.

Das renommierte Magazin Nature berichtet [19] über ihre jüngste Forschungsergebnisse. Erstmalig haben sie ein automatisches Unterwasserfahrzeug im Einsatz gehabt, das vor Ort den Druck, die Temperatur und den Methangehalt von Wasser und Sediment messen konnte.

Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, wonach größere Ausbrüche unwahrscheinlich sind. Die Hydrate würden nicht nur durch Druck und niedrige Temperatur, sondern auch durch die Methansättigung ihrer Umgebung stabilisiert. Das spricht dafür, dass die Gashydrate stabiler sind, als wenn sie nur von den ersten beiden Parametern abhängen würden.

Die US-Wissenschaftler haben ihre Untersuchungen an drei Stellen vor den Küsten Oregons und Britisch-Kolumbiens gemacht. Mit den Verhältnissen in der Arktis haben sich hingegen Forscher des Kieler GEOMAR-Instituts beschäftigt und ihre Erkenntnisse im US-Fachblatt Geophysical Research Letters veröffentlicht [20]. Die möglichen Veränderungen von Temperaturen und Strömungen wurden in Computermodell eingespeist, um das Verhalten des Methans zu simulieren.

Das Ergebnis besteht aus einer Entwarnung und einem neuen Alarmruf: "Unsere Berechnungen ... zeigen deutlich, dass dem Klima in den nächsten hundert Jahren keine zusätzliche Gefahr durch erhöhte Methanaustritte droht", fasst [21] Studien-Hauptautor Arne Biastoch zusammen.

Die Gashydrate lösen sich mit einer zeitlichen Verzögerung auf, so dass eher in zwei- bis dreihundert Jahren mit Folgen zu rechnen ist - ein Zeitraum, über den sich heute wenig Definitives sagen lässt. Diese Langzeitwirkungen sollten wir bei der Diskussion über Klimaänderungen berücksichtigen. Aber wir sollten die Situation nicht dramatisieren.

"Wir gehen davon aus, dass nach hundert Jahren etwa zwölf Prozent des im Meeresboden eingelagerten Methans freigesetzt wird", so Co-Autor Lars Rüpke. Davon würde vermutlich etwa die Hälfte durch Mikroorganismen gebunden. Die andere Hälfte steigt zum Teil in die Atmosphäre auf, und zum Teil wird sie im Wasser gelöst.

Genau dort liegt aber eine weitere Gefahr. Das Methan würde nämlich "das andere CO2-Problem", die Versauerung der Ozeane verstärken. Die bedroht insbesondere die nördlichen Gewässer, weil diese wegen ihrer geringen Temperatur besonders viel CO2 aus der Luft aufnehmen. Dadurch wird das Wasser saurer, sodass sich ab einem bestimmten Grad die Kalkskelette von Korallen und ähnlichem auflösen.

Die Vorstellung, dass das Methan einfach im Wasser gelöst wird, statt in der Atmosphäre als Treibhausgas zu wirken, ist also nicht wirklich beruhigend. Wenn in den Ozeanen alle Organismen mit Kalkskeletten aussterben, brechen ganze Nahrungsketten und damit auch die Fischbestände zusammen. Für die Welternährung wären das durchaus dramatische Aussichten.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3389678

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bbc.co.uk/news/science-environment-13338174
[2] http://www.esa.int/SPECIALS/smos/SEMOGN3KV5G_0.html
[3] http://www.transparency.eex.com/de/daten_uebertragungsnetzbetreiber/stromerzeugung/erwartete-produktion-solar
[4] http://www.sciencemag.org/content/early/2011/05/04/science.1204531
[5] http://podcasts.aaas.org/science_podcast/SciencePodcast_110506.mp3
[6] http://www.euractiv.com/en/cap/climate-change-spurred-food-prices-study-news-504655
[7] https://www.heise.de/tp/news/Das-Ende-der-Schamfrist-2021058.html
[8] http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE74600R20110507
[9] https://www.heise.de/tp/news/Japan-Drei-weitere-AKWs-werden-stillgelegt-1999022.html
[10] https://www.heise.de/tp/news/Das-naechste-Beben-2009196.html
[11] http://mdn.mainichi.jp/mdnnews/news/20110509p2a00m0na017000c.html
[12] http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703730804576313680900023752.html?mod=googlenews_wsj
[13] http://www.nuclearpowerdaily.com/reports/Slovakia_puts_off_new_Jaslovske_nuclear_unit_till_2025_999.html
[14] http://www.iaea.org/programmes/a2/
[15] http://www.gruene.at/umwelt/mochovce/
[16] https://www.heise.de/tp/news/Zeitbombe-in-der-Arktis-2030787.html
[17] https://www.heise.de/tp/features/Eine-klimatische-Zeitbombe-im-hohen-Norden-3406755.html
[18] https://www.heise.de/tp/features/Beschleunigtes-Auftauen-3419121.html
[19] http://www.nature.com/news/2011/110502/full/news.2011.263.html
[20] http://www.agu.org/pubs/crossref/2011/2011GL047222.shtml
[21] http://www.ifm-geomar.de/index.php?id=537&tx_ttnews[tt_news]=728&tx_ttnews[backPid]=8&cHash=87d6220c78