Gefangen in Europa
Sommer-Interview mit dem PARTEI-Politiker Martin Sonneborn zu seinem gescheiterten Rücktritt
Eigentlich hatte der EU-Abgeordneten Martin Sonneborn (PARTEI) nach seinem Amtsmonat, dessen Ende er im Urlaub verbrachte, zurücktreten wollen. Das Prinzip monatlicher Rücktritte hätte der strukturellen Anfälligkeit von EU-Parlamentariern für Korruption wirksam begegnen und die Unabhängigkeit von Abgeordneten durch Vorbild fördern können. Nachdem jedoch Parteienkritiker Prof. Hans-Herbert von Arnim auf das Risiko der Nichtannahme eines Rücktritts wegen Mutwilligkeit hinwies, ist Sonneborn vorerst gezwungen, seine Zeit im EU-Parlament abzusitzen - zumindest der Form halber.
Herr MdEP Sonneborn, wir waren eigentlich zum Rücktrittsinterview verabredet gewesen. Sie sind offenbar der erste Politiker, der an seinem Rücktritt gescheitert ist. Haben Sie Versagensängste?
Martin Sonneborn: Ja, in Bezug auf Rücktritte schon. Momentan bekämpfe ich sie allabendlich erfolgreich mit Alkohol und gutem Essen, genau wie meine neuen Kollegen das auch tun. Zumeist auf Einladung der relativ üppig ausgestatteten deutschen Landesvertretungen in Brüssel. Ich habe aber auch überlegt, mir bei Experten Rat zu holen, z.B. Christian Wulff.
Auch als nunmehr Zwangsdemokrat haben Sie sich keiner Fraktion angeschlossen. Stattdessen sitzen Sie jetzt in unmittelbarer Nähe zu anderen nicht integrierbaren Politikern wie Frau MdEP Marine LePen, Herrn MdEP Bernd Lucke und Frau MdEP Beatrix von Storch. Können Sie mit Ihren Sitznachbarn lästern oder in der Kantine Spaß haben?
Martin Sonneborn: Sie überschätzen da die Möglichkeiten: Mit Ausländern spreche ich in Brüssel grundsätzlich nicht, und Lucke und Storch machen ihre eigenen Späße auf EU-Kosten.
Apropos Spaßparteien: Andere Satiriker haben in einem scheinbar von den GRÜNEN stammenden Video drei vorgebliche EU-Abgeordnete verhohnepiepelt. Ist derartiges für Sie mit der Würde des Haues in Straßburg zu vereinbaren?
Martin Sonneborn: Ja, absolut.
"Präsident Schulz hat über 30 Leute, die für ihn arbeiten, inklusive eines Kammerdieners. Ich überlege gerade, ihm ein Angebot zu machen: Ich stelle seine Verwandten ein und er meine."
Zu den Kernthemen der PARTEI gehört der Tierschutz. Dennoch hat Ihnen ein Kandidat einer satirischen Tierschutzpartei, die sich vorgeblich für die Gleichstellung aller Lebewesen einsetzt, quasi ihren zweiten Sitz gestohlen. Wie könnte man das EU-Parlament vor derartigem Missbrauch durch Spaßparteien schützen?
Martin Sonneborn: Sie glauben, dass man das Parlament missbrauchen kann? Das ist ein interessanter Ansatz. Meinen Sie, dass es die Volkskammer der DDR in ihrer Funktion gestört hätte, wenn ein Tierschützer dort eingezogen wäre? Das Parlament hat keine Gestaltungsspielräume, die zum Teil doch überraschend verantwortungslose Politik wird in der Kommission gemacht. Von Beamten, die die Kommissare zumeist als Stroh- oder Hampelmänner vor sich her schieben.
Apropos: 59 leicht beeinflussbare Menschen, die Ihnen in blinder Hoffnung auf einen schnellen Euro vertrauensvoll den Wahlkampf gemacht haben, werden nun von Ihnen um ihre sauer verdienten Pfründe geprellt. Stellen Sie jetzt wenigstens Verwandtschaft und Freunde an, nach dem bayerischen Modell?
Martin Sonneborn: Nein, das ist mittlerweile leider untersagt. Obwohl mich die Begründung eines UKIP-Mannes, er habe seine Frau als erstaunlich gut bezahlte Büroleiterin angestellt, weil niemand anders das könne, vollkommen überzeugt. Präsident Schulz hat über 30 Leute, die für ihn arbeiten, inklusive eines Kammerdieners. Ich überlege gerade, ihm ein Angebot zu machen: Ich stelle seine Verwandten ein und er meine. Das kann für beide Seiten interessant werden, ich habe in einen libanesischen Großfamilien-Clan eingeheiratet.
Lassen Sie uns auch mal über Politik reden. Welche Abstimmungen im EU-Parlament waren für Sie die ulkigsten?
Martin Sonneborn: Die Abstimmungen sind weitgehend unspektakulär, zumeist reine Formsache, weil bereits vorher alles verhandelt und beschlossen ist. Ulkig war das Abspielen der Europäischen Hymne. Ich sitze ja inmitten der Verhaltensauffälligen, und sämtliche Nationalisten und Rechtsradikalen sind aufgestanden und haben sich umgedreht.
Im September müssen Sie als PARTEIchef Ihr europäisches Versagen auf dem Bundesparteitag in Cottbus vertreten. Werden Sie wieder eine Chance zum Rücktritt verpassen?
Martin Sonneborn: Selbstverständlich. Ich halte es da eher mit Ballack als mit Philipp Lahm. Im äußersten Notfall wird es ein paar Bauernopfer geben. Oder Freibier.
"Die PARTEI hatte bei der EU-Wahl in den DDR-Städten ihre besten Ergebnisse. "
In den neuen Bundesländern stehen nun drei Wahlen an. Auf Facebook ist die PARTEI die erfolgreichste politische Partei, im Osten jedoch vergleichsweise schwach aufgestellt. Wie werden Sie sich den Wählern in Sachsen und Thüringen anbiedern?
Martin Sonneborn: Wir müssen uns gar nicht anbiedern, Die PARTEI hatte bei der EU-Wahl in den DDR-Städten ihre besten Ergebnisse. Cottbus und Dresden werden die ersten Städte mit PARTEI-Bürgermeistern sein… Außerdem arbeitet die Zeit für uns: Bei den letzten U-18-Wahlen an Schulen hatten wir deutschlandweit 4,3 Prozent. Rund 300.000 Schüler waren wahlberechtigt.
In einem halben Jahr müssen Sie sich bei der Hamburgwahl bewähren, wo obskure Kleinparteien wie Stattpartei und halbseidene Abgeordnete auf ein beachtliches Wählerpotential schließen lassen. Wäre die PARTEI opportunistisch genug, in einer Hamburger Regierungskoalition mitzuregieren?
Martin Sonneborn: Ich pflege auf derartige Fragen seit Jahren zu antworten: Wir nehmen jeden, der sich als Steigbügelhalter andient. Außer der … der … Verdammt, es gab da früher eine Partei, die wir ausgenommen haben … Weil wir nicht mit Spaßparteien koalieren. Der Name fällt mir gerade nicht ein, tut mir leid. Aber es war nicht die SPD mit dem Schmierlappen Gabriel an der Spitze!
Als Ihre bedeutendste politische Leistung gilt Ihr schmutziger Trick, mit dem Sie damals die WM nach Deutschland holten. Mal unter uns: Wie haben Sie das mit dem 7:1 gegen Brasilien gemacht?
Martin Sonneborn: Ein erfolgreicher Fußballer verrät niemals seinen Trick. Siehe Arjen Robben.
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