Gegen den Krieg, aber wie?
Der gespaltene Widerstand gegen den Irak-Krieg, Terrorismus als Totschlagargument auf der Sicherheitskonferenz in München
Die Demonstrationen gegen einen möglichen Irak-Krieg respektive die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik gingen ohne größere Zwischenfälle über die Bühne. Die Einteilung in gut und böse findet ihre Anwendung nun auch auf die Demonstrationen selbst. Während die Demonstrantinnen und Demonstranten sich zumindest in ihrer Haltung gegen den Krieg im Konsens befinden, war dessen Vermeidung auf der Sicherheitskonferenz selbst kein Thema.
Gute Demo, böse Demo
Die schon im Vorfeld der Demonstrationen angeklungene Spaltung der Proteste hat sich am Samstag bestätigt. So zogen am Samstag zunächst rund 10.000 Menschen der DGB-Antikriegs-Demo von der Münchner Freiheit zur Abschlusskundgebung am Odeonsplatz. Noch zur selben Zeit begann am Marienplatz die Demonstration, die sich nicht nur gegen einen Irak-Krieg, sondern auch gegen die Sicherheitskonferenz und die dort vertretene Politik richtete. Von Anfang an wurde diese Veranstaltung von wesentlich mehr Polizeipräsenz begleitet und der Marienplatz mit Absperrgittern umzäunt.
Am Freitag Abend hatten Beamte im "Convergence Center", einem Kontakt- und Informationspunkt für Demonstranten und Demonstrantinnen, bereits eine Razzia durchgeführt, weil angeblich "der berechtigte Verdacht bestand, dass sie im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz Straftaten begehen" wollten. Diese Aktion bot wiederum einzelnen Rednern der Kundgebung einen willkommenen Anlass für die ritualisierten rhetorischen Attacken gegen die Polizeigewalt.
Schließlich zogen vom Marienplatz über 15.000 Menschen, darunter auch viele der DGB-Demo, durch die Münchner Altstadt bis zur Schlusskundgebung, die auf der Ludwigstraße stattfinden musste, weil Polizeikräfte den ursprünglich nicht angemeldeten Weitermarsch zum Odeonsplatz mit einer Absperrung verhinderten. Zu den erwarteten Ausschreitungen kam es nicht. Nicht ausbleiben konnte allerdings die moralische Schelte der Münchner Sicherheitskräfte.
Wenn diese Gruppen [die 'Autonomen'] auf eine Teilnahme verzichtet hätten - nicht eingeladen worden wären - könnte ich heute die Demos des "Bündnisses gegen die Sicherheitskonferenz" hinsichtlich des polizeilichen Resumees fast schon in einem Atemzug mit den Veranstaltungen von DGB, SPD und Kirchen nennen.
Münchens Polizeivizepräsident Jens Viering
Und wenn diese Demo nicht mit einem derart massiven Polizeiaufgebot konfrontiert gewesen wäre, könnte man noch hinzufügen. So bleibt alles wie es war: die Bösen sind die "Krawallos", die "Münchner Linie" der Polizei hat sich wieder hervorragend bewährt.
Sicherheit und Terrorismus
Auf der Sicherheitskonferenz wurde derweil vor allem die Bedrohung Terrorismus diskutiert. Dass diese existiert und die Herausforderung für die Politik der Zukunft darstellt, wurde von allen Rednern vorausgesetzt. Je nach Herkunftsland wurde diese abstrakte Bedrohung in ein konkretes Szenario umgemünzt: die Tschetschenen für die Russen, die Pakistani für Indien usw. Einige wenige differenziertere Ansichten fanden sich beim amerikanischen Demokraten Joe Lieberman, der immerhin einräumt, dass die amerikanische Regierung Fehler gemacht hat in Bezug auf Umweltpolitik (Kyoto-Protokoll), den Atomwaffensperrvertrag und durch einen falschen Unilateralismus. Dafür zitiert Lieberman J. F. Kennedy und sogar John Lennon, aber schließlich will er auch irgendwann Georg W. Bush als Präsident ablösen.
Bei Versuchen zu definieren, was Terrorismus nun eigentlich ist, verstrickten sich die Redner immer wieder in Selbstwidersprüche. Wenn es nicht nur um das Leben "Unschuldiger" geht, sondern auch darum, dass deren Tod von non-state actors verschuldet ist, macht die Rede von "Schurkenstaaten" nur eingeschränkt Sinn - eine Problematik, die auch im Fall Irak besteht. Wenn man andererseits das Konzept eines "terroristischen Staates" in Betracht zieht, kollidiert dieser Gedanke mit der Idee staatlicher Souveränität.
Doch diese Schwierigkeiten scheinen nicht weiter zu stören. Zu bequem ist Terrorismus als Totschlagargument für jede beliebige autoritäre Außenpolitik geworden, als dass diese Vorstellung noch hinterfragt würde. Genauso wenig findet man auf der "Sicherheitskonferenz" eine Reflexion auf die Ursachen der "Bedrohung Terrorismus" oder auf den Zusammenhang zwischen humanitären Fragen und solchen der "Sicherheit". Die Konferenz bewegt sich in ihrem Denken immer schon nur innerhalb eines militärischen Rahmens.
"Menschliche Sicherheit" und Frieden
Auch wenn man einen ähnlichen Hang zur Vereinfachung großen Teilen der Friedensbewegung vorwerfen könnte, wurde am Freitag Abend auf der Friedenskonferenz versucht, einige andere Perspektiven zum Umgang mit den aktuell bestehenden Probleme zu entwerfen. So liegt für den britischen Geistlichen und Friedensaktivisten Paul Oestreicher die eigentliche "Wurzel des Bösen" in unserer eigenen Intoleranz, die sich im islamischen genauso wie im christlichen Fundamentalismus wiederfindet. Seine Vorstellung erschöpft sich aber nicht darin, die eigenen Einstellung Fremdem gegenüber zu verändern, sondern auch einen institutionellen Rahmen zu schaffen: So könne zwar in absehbarer Zeit das Militär nicht völlig abgeschafft werden, es solle aber in eine Art internationale Polizeitruppe umgewandelt werden. Der wesentlich Unterschied zu Militär im herkömmlichen Sinn liege in der Absicht, die Waffe nicht zu benutzen; darin liege dann ein zivilisatorischer Fortschritt.
Attac-Mitbegründerin Susan George wies in polemischen Tönen auf die gewaltvolle Dimension des geplanten Irak-Krieges hin: So sollen bereits in den ersten beiden Tagen fast dreimal soviel Cruise Missiles eingesetzt werden, wie im letzten Golfkrieg insgesamt. Für diesen "Angriffskrieg" sollten die Verantwortlichen Bush & Co. juristisch zur Verantwortung gezogen werden, meint George - was allerdings angesichts des Zustandes internationaler Rechtssprechung schwierig werden dürfte, zumal wenn die USA noch mit einem UNO-Mandat ausgestatten werden sollten.
Jan Oberg, Direktor der Transnational Foundation for Peace and Future Research, skizzierte einen 14-Punkte-Plan zur politischen Lösung des Irak-Problems. Er sieht unter anderem die Aufhebung der Handelssanktionen vorsieht, die einen großen Teil zum Elend der irakischen Bevölkerung beigetragen hätten. Nur durch die Unterstützung des Irak, mithin der irakischen Bevölkerung, könne letzen Endes ein politischer Wandel erreicht werden.
Die Friedenskonferenz illustrierte selbst, was der letzte Redner, Dieter Bricke von der Petra-Kelly-Stiftung, andeutete: die Lösung der politischen Probleme der Zukunft muss auch über zivilgesellschaftliches Engagement geschehen. Berufspolitiker sind alleine dazu nicht mehr in der Lage. Dazu referierte er die Ergebnisse einer Tagung, die eben erst in München stattgefunden hatte: Zivil Macht Europa - Wie schaffen wir menschliche Sicherheit?. Im Zentrum steht dabei der Gedanke der "menschlichen Sicherheit", wie er von Sadako Ogata und Amarty Sen bei der UNO propagiert wird.
Im Prinzip könnten viele dieser Idee befruchtend auch auf die "große Politik" der Sicherheitskonferenz wirken. In der Praxis dürfte sich das allerdings schwieriger gestalten, da sich diese Ideen zum Teil in fundamentalem Widerspruch zur traditionellen Politik befinden. Zudem steht die Sicherheitskonferenz eben gerade nicht für Transparenz und Offenheit, sondern für eine Politik der Abgeschlossenheit und des autoritären Denkens.