Gegen die Idee einer drogenfreien Welt
Es wächst die Schar der Politiker, die ein Umdenken in der globalen Drogenpolitik fordern
Es gab schon viele Versuche eine rationale Drogenpolitik in die Sphären politischer Interessen einzubringen. Zumeist sind sie gescheitert. Oft, weil Abstinenzparadigmen und überkommende moralische Vorstellungen den Fortschritt behindern, oft, weil wenig Regierungen Drogenpolitik als zentrales Thema wahrnehmen und oft auch, weil die meisten Staaten die UN-Konventionen zum Thema Drogen repressiv interpretieren.
Expertenratschläge und eingesetzte Kommissionen gab es viele, aber deren Berichte wandern regelmäßig in die Schubladen der Ministerien. Zu heiß die Eisen, zu wenig wählerkompatibel zudem. Doch seit einigen Jahren knirscht es im Gebälk des Hauses mit Namen "War on Drugs". Mal probt die Schweiz den Aufstand, mal Portugal oder Uruguay. Und gegen den Widerstand der USA verdeutlichen einige südamerikanische Staaten immer deutlicher ihren Unwillen, für die humanen und wirtschaftlichen Kosten der Prohibition aufzukommen .
Vielen politisch Verantwortlichen fällt es erst nach ihrer aktiven Zeit wie Schuppen von den Augen, dass die Illegalität des Marktes das größte Problem beim Umgang mit Drogen ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die illustre "Global Commission on Drug Policy". In ihr versammeln sich ehemalige Staatspräsidenten und Minister, Javier Solana ist ebenso dabei wie die Ex-Präsidenten Ernesto Zedillo, César Gaviria, Aleksander Kwasniewski und Ruth Dreifuss (Mexiko, Kolumbien, Polen, Schweiz), den Vorsitz führt das frühere Oberhaupt von Brasilien, Fernando Henrique Cardoso, und über allem schweben Kofi Annan und Richard Branson.
Diese Vereinigung hat jüngst ihren Bericht für 2014 vorgelegt und fordert darin eine radikale Neuausrichtung der globalen Drogenpolitik. Schon 2011 hatte man eine Legalisierung von Cannabis verlangt, die neue Streitschrift verlangt nun die Dekriminalisierung des gesamten Drogenkonsums und eine Regulierung für alle psychoaktive Substanzen. Der frühere UN-Generalsekretär Annan sagt: "Wir brauchen eine evidenzbasierte Drogenpolitik, die den Nachweis führt, was tatsächlich funktioniert, anstatt eine Politik der Kriminalisierung. Diese hat nicht nur zu überfüllten Gefängnissen, sondern auch zu schweren gesundheitlichen und sozialen Problemlagen geführt." Was will man anders machen? Die Kommission sieht fünf zentrale Felder.
Zukünftig sollten andere Dinge gezählt werden. Nicht mehr zerstörte Plantagen, Verhaftungen und Kilos sollen die Statistik bestimmen, Ziel müsse vielmehr sein, die substanz- und prohibitionsbedingten Schäden in den Fokus zu rücken: Überdosierungen, Hepatitis, HIV/AIDS, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, organisiertes Verbrechen. Sodann sollten Maßstäbe für Präventions- und Therapieerfolge durchgesetzt werden. Die Kommission sieht die Vergabe von Opiaten und Cannabis an Schmerzpatienten, aber auch den Zugang zu anderen, therapeutisch wertvollen Drogen als dringend geboten.
Die Illegalität von Drogenbesitz und Drogenkonsum hat wenig Wirkung auf die Gebrauchsmuster. Aus diesem Grund möchte die Kommission die Kriminalisierung der Konsumenten beenden. Diese führe nur zu Risikoverhalten bei den Substanzgebrauchern und parallelem Kräfteverschleiß der öffentlichen Verwaltung und der Gerichte. Auch die Bauern und Anbauer sieht die Kommission zu Unrecht verfolgt. Ihnen müssen Alternativen geboten werden. Die Macht und Gewalt der Kartelle entstehe primär aus der Illegalität ihrer Produkte. Militärische Einsätze gegen diese hätten symbolischen Charakter, da zeitnah neue Produktionsstätten entstünden. Die Finanzapparate von Händlern und Verfolgungsinstitutionen schaukeln sich gegenseitig hoch.
Die Vorschläge gehen noch weiter. Das Gremium fordert die UN auf, ihre Mitgliedsstaaten zu motivieren neue Regulierungsmodelle für psychoaktive Substanzen zu erproben. Anhang der Erfolge und Misserfolge der Regulierung von Arzneimitteln, Alkohol und Tabak müsse real überprüft werden, welche praktischen Folgen ein legaler, aber eingeschränkter Zugang zu Drogen hat. Man begrüßt die Initiativen, die beispielsweise in Ecuador seit 2008 den Besitz kleiner Mengen entkriminalisiert oder die in 2013 einen regulierten Markt für Cannabis geschaffen haben.
Verhallt auch dieses Memorandum? Die Verfasser durften immerhin bei UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vorsprechen. Aber nach den bisherigen Erfahrungen mit den verkrusteten Strukturen, die bei der UN für die Drogenpolitik verantwortlich zeichnen (UNODC), ist Skepsis angebracht, von dem unheilvollen Einfluss der Großmächte China, Russland und USA mal ganz abgesehen.
Im Grunde sind es zunächst zwei Fakten, die in den Köpfen der Akteure ankommen müssen. Zum einen: Die Illegalität von Drogenbesitz und Konsum schafft mehr Probleme, als sie löst. Zum anderen: Eine Regulierung von Drogen bedeutet nicht deren Legalisierung. Als dritte Einsicht muss sich dazu gesellen, dass es keine Lösung des Drogenproblems gibt. Denn natürlich wird es auch nach einer Regulierung oder Legalisierung Süchtige geben. Drogen, ob legal oder illegal, werden Teil der Wirklichkeit bleiben.