Geheimdienst-Gerüchte und ominöse russische Beeinflussungskampagnen
Die russische Bedrohung der Wahlen wurde seit 2016 zu einem Spielball für politische Interessen, jetzt soll Moskau Trump und gleichzeitig Sanders unterstützen
Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zeigt sich erneut, dass das Verbreiten von Warnungen vor der Beeinflussung der Wahl zum politischen Instrument geworden ist, das von allen Seiten benutzt wird. Die amerikanischen Geheimdienste scheinen hier auf der Seite der konservativen Demokraten zu stehen, wenn versucht wird, Stimmung sowohl gegen Donald Trump als auch gegen Bernie Sanders zu machen.
Letzterer könnte für die Machtelite ein noch größerer Gegner sein, weil er anders als Trump mit seinem linken Programm droht, vieles zu verändern, was vor allem die Reichen und Superreichen betrifft, aber er kritisiert auch scharf die hohen Militärausgaben, die von den meisten demokratischen Abgeordneten bewilligt wurden, und Gelder für den aufgeblähten Geheimdienstapparat. Edward Snowdens Leaks befand er als "extrem wichtig" zur Aufdeckung des Ausmaßes, mit dem die NSA ihre Macht missbraucht und die Verfassungsrechte der Amerikaner verletzt hat. Die Anklage von Assange aufgrund des Spionagegesetzes wird von Sanders als Angriff auf den Ersten Verfassungszusatz gesehen.
Letzte Woche haben die Geheimdienste den Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses gewarnt, dass Russland wieder in die amerikanischen Wahlen eingreife, um die Wiederwahl von Donald Trump und gleichzeitig Bernie Sanders zu stützen. Die Behauptung wurde vor dem Caucus in Nevada lanciert, in dem Sanders dennoch alle anderen Kandidaten abhängte. Nach Sanders war er schon einen Monat zuvor vom Geheimdienst gewarnt worden, mit der durchgesteckten Information wollte man ihm vermutlich für Nevada den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sehr konkret scheint dies nicht gewesen zu sein. Nach Sanders hieß es, Russland und vielleicht weitere Staaten würden ihn unterstützen wollen.
Gleichwohl musste Sanders jeden Verdacht von sich zurückweisen: "Im Unterschied zu Trump, betrachte ich Wladimir Putin nicht als guten Freund. Er ist ein autokratischer Bösewicht, der versucht, die Demokratie zu zerstören und die Opposition in Russland zu zerschlagen." Sanders benutzt selbst die Russen, um wiederum von einer möglichen Beeinflussung seiner Wahlkampagne zu sprechen. Es gebe hässliche Postings, die seinen Anhängern und Helfern zugeschrieben werden. Das könnten aber auch russische Trolle sein, so Sanders.
Russischer "Infowar" mit "verdeckten Kampagnen in Sozialen Netzwerken"
Zuvor war der Geheimdienstausschuss informiert worden, dass angeblich Moskau wieder helfen wolle, Trump zum Wahlsieger zu machen. Schon 2016 wurden die angeblichen russischen Beeinflussungskampagnen und Hacks weit überzogen dargestellt und dürften keinen, zumindest keinen entscheidenden Einfluss auf die Wahl gehabt haben. Schließlich hatte Clinton trotz der geleakten Mails und dem fiesen Umgang mit Sanders, um ihn aus dem Rennen zu werfen, drei Millionen mehr Stimmen als Trump erzielen können, aber sie war wegen des amerikanischen Wahlsystems und den Swing States, auf die sich Trump konzentrierte, auf weniger Wahlleute gekommen.
Vorgeprescht war bereits am 6. Februar FBI-Chef Christopher Wray, der dem Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses bei einer Anhörung berichtete, dass die USA in hohem Maße Ziel von "ausländischen Beeinflussungsoperationen" seien, die mit vielen verschiedenen Taktiken "Desinformation verbreiten, Zwist säen, die politischen Ziele ausländischer Nationen fördern und letztlich das Vertrauen in unsere demokratische Institutionen und Werte untergraben".
Vor zwei Jahren wurde von ihm die "Foreign Influence Task Force" (FITF) eingerichtet, um solche Beeinflussungsoperationen zu identifizieren und zu bekämpfen. So sagte er, Russland betreibe einen "Infowar" im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl mit "verdeckten Kampagnen in Sozialen Netzwerken", es seien aber keine Angriffe auf die Wahl-Infrastruktur beobachtet worden. Und eigentlich würden solche Kampagnen das ganze Jahr stattfinden und hätten seit 2016 niemals aufgehört.
Was wirklich dahintersteckt offenbarten Justizminister William Barr, Christopher Wray, Heimatschutzminister Chad Wolf, mittlerweile Ex-DNI-Chef Joseph Maguire und Christopher Krebs, Direktor der Cybersicherheitsbehörde in einem Artikel am 19. Februar. Da wird eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung verlangt, um die Beeinflussungsversuche der Wahlen zu bekämpfen, die Behörden könnten nicht alle Desinformationen, jede ausländische Propaganda und alle Cyberangriffe verhindern. Es wird also das Bild einer gefährlichen Bedrohung mit natürlich zum Kämpfen entschlossenen Behörden gemalt, aber gleichzeitig mal nebenbei gesagt: "Wir müssen erst noch jede Aktivität identifizieren, die darauf ausgerichtet ist, Wählen zu verhindern oder Stimmen zu verändern."
Trump ernennt Richard Grenell zum obersten Geheimdienstchef
Dann berichtete Shelby Pierson von der obersten Geheimdienstbehörde DNI, die für Wahlsicherheit zuständig ist, dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses, dass Russland bereits damit begonnen habe, den Wahlkampf zugunsten von Donald Trump, aber auch von Bernie Sanders zu beeinflussen. Russland würde das volle Spektrum einsetzen: Hacken, Angriffe auf die Wahl-Infrastruktur und "weaponizing social media". Information oder Kommunikation zur Waffe zu machen, ist seit Jahren ein Begriff, um Vorgänge, die es immer schon gab, hochzuspielen und gefährlich erscheinen zu lassen. Jetzt wird gerätselt, warum Moskau gleichzeitig Trump und Sanders unterstützen wolle, Sanders könnte auch unterstützt werden, um Trump zu helfen, da er weniger Chancen haben würde als ein gemäßigter Kandidat der Demokraten wie Bloomberg, Buttigieg oder Biden.
Einen Tag danach zitierte Trump den obersten Geheimdienstchef (DNI) Joseph Maguire zu sich. Er sei nicht informiert worden, erklärte er, und beschuldigte Adam Schiff, den demokratischen Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses, der während des Impeachment-Verfahrens gegen Trump aufgetreten war, die Informationen den Medien zugespielt zu haben. Maguire wurde wahrscheinlich deshalb vor die Türe gesetzt und am 19. Februar ersetzt durch den Trump-Getreuen Richard Grenell, der bislang als US-Botschafter in Berlin agierte, wo man wahrscheinlich froh ist, ihn loszuhaben. Er gab seine Freude kund ("Happy to jump in and serve our country and our President") entließ als amtierender DNI auch gleich Leute, andere kündigten, um dem vorherzukommen.
Die Benennung wird von der Washington Post, der New York Times und in anderen Medien kritisiert, weil Grenell keine Geheimdiensterfahrungen habe und zugunsten von Trump arbeiten werde, während es angeblich die Aufgabe der Geheimdienste sei, nur die Fakten zu berichten und keinen politischen Interessen zu dienen. Es wird sogar vom "Tod der Wahrheit" gesprochen.
Schwierige Lage für die Geheimdienste
CNN haben angeblich drei "officials" aus den Geheimdiensten gesagt, Piersen habe gegenüber den Kongressabgeordneten übertrieben, also nicht die Fakten vorgetragen. Die Geheimdienste hätten zwar festgestellt, dass Russland die Wahl beeinflussen wolle und dass Trump für Moskau ein Präsident sei, mit dem man auskommen könne, weil er ein Dealmaker sei. Aber es gebe keinen Beleg dafür, dass die Beeinflussung auf die Wiederwahl von Trump ziele. Pierson sei durch Fragen von Ausschussmitgliedern zur Übertreibung getrieben worden, sie habe dabei nicht die "Nuance" vermittelt, die wichtig für die korrekte Wiedergabe der Schlussfolgerungen der Geheimdienste sei. Gehen die Geheimdienste damit in Deckung vor dem Präsidenten?
CNN beeilt sich aber zu versichern, dass Russland 2016 Trump unterstützt habe. Der hatte dies immer bestritten und versucht, die Bedeutung herunterzuspielen, die dem von den Geheimdiensten und den Demokraten gegeben wurde, womit er nicht ganz falsch liegen dürfte. Jetzt sagt er, es seien die Demokraten, die Sanders als "russischen Sympathisanten" darstellen wollen, indem sie den "Desinformationshoax Nummer 7" anwenden, weil sie nicht wollen, dass "Crazy Sanders" nominiert wird: "It’s all rigged, again, against Crazy Bernie Sanders!"
Vermutlich wünscht sich allerdings Trump Sanders als Gegner, weil er davon ausgeht, dass dann seine Gewinnchancen steigen. Trumps Sicherheitsberater O'Brien wiederum will vom FBI gehört haben, dass die Russen sich Sanders als Präsidenten wünschen, "weil er Geld in Sozialprogramme stecken und das wahrscheinlich vom Militär abziehen will".
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