Gehirnstudie erklärt: Darum fallen Senioren häufiger auf Betrug herein
Senioren werden besonders oft Opfer von Betrügern. Eine neue Studie zeigt jetzt, warum das so ist. Die Antwort liegt in zwei schrumpfenden Gehirnregionen.
Ein 41-Jähriger und seine 33-jährige Komplizin sollen zahlreiche Senioren in Baden-Württemberg um ihr Erspartes betrogen haben, berichtete kürzlich tagesschau.de. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei gaben sich die mutmaßlichen Täter am Telefon als Bankangestellte aus.
Senioren als leichte Beute für Betrüger
So überzeugten sie ihre Opfer, ihnen Geld auszuhändigen, da angeblich deren EC-Karten missbraucht worden seien. Insgesamt erbeuteten die Betrüger auf diese Weise wohl rund 60.000 Euro von mindestens 32 Senioren.
Dieser Fall ist kein Einzelfall: Immer muss die Polizei etwa vor dem Enkeltrick warnen, bei dem die vermeintlichen Enkel von Senioren Gelder erschleichen. Doch warum sind ältere Menschen so anfällig für solche Betrugsmaschen?
Eine neue Studie von Ian M. McDonough von der Binghamton University und Macarena Suárez-Pellicioni von der University of Alabama liefert mögliche Antworten. Mithilfe von MRT-Scans untersuchten die Forscher, wie sich altersbedingte Veränderungen im Gehirn auf den Umgang mit Finanzen auswirken.
Gehirnalterung beeinträchtigt Finanzmanagement
Finanzielle Aufgaben erfordern mehrere kognitive Fähigkeiten, darunter Gedächtnis, Entscheidungsfindung und Rechenfähigkeit. Mit zunehmendem Alter lassen diese Fähigkeiten nach. Die Studie zeigte, dass dies mit Veränderungen in zwei Gehirnregionen zusammenhängt:
Die untere Stirnwindung (Gyrus frontalis inferior) ist demnach für den Abruf gespeicherter Mathematik-Fakten zuständig, wie „3 + 3 = 6“. Die Forscher sagen, dass man solche Aufgaben nicht aktiv berechnen muss – im Laufe des Lebens habe man sich das Ergebnis eingeprägt und rufe es nur wieder ab.
Schrumpft diese Gehirnregion im Alter aber, müssen die Berechnungen wieder aktiv durchgeführt werden, anstatt die Antworten einfach abzurufen. Das erhöhe die Fehleranfälligkeit, so die Wissenschaftler.
„Wenn Menschen eine Berechnung durchführen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie einen Fehler machen. Wenn man sich etwas gemerkt hat, hat man sich die richtige Antwort gemerkt“, erklärte McDonough.
Der präfrontale Cortex ist für komplexere Berechnungen zuständig. Auch er schrumpft im Alter und bei Alzheimer sogar beschleunigt. Ältere Menschen machen daher bei Finanzaufgaben oft mehr Fehler.
„Dies sind potenzielle Marker, die auf eine erhöhte Anfälligkeit für Betrug hinweisen könnten“, sagte er weiter. „Wenn wir verstehen, wie sich das Gehirn verändert, können wir daraus Erkenntnisse für Interventionen gewinnen, die auf diese Gehirnregionen abzielen.“
Sprachfähigkeit schützt vor Finanzproblemen
Die Menschen können allerdings einen Teil dazu beitragen, dass ihre mathematischen Fähigkeiten stärker erhalten bleiben. So zeigte die Studie, dass gute Sprachkenntnisse vor einem Rückgang der finanziellen Fähigkeiten schützen. Zumindest meisterten Personen mit besseren Sprachkenntnissen auch Finanzaufgaben besser. Das führen die Forscher auf stärkere Vernetzungen im Gehirn zurück.
McDonough betont, wie wichtig lebenslanges Lernen ist: „Die Aufrechterhaltung verbaler automatischer Repräsentationen für Mathematik – im Wesentlichen das Üben der in der Schule erlernten mathematischen Fähigkeiten – kann hilfreich sein, um ein gutes Finanzmanagement ein Leben lang zu unterstützen.“
Wachsamkeit und Vorsorge schützen vor Betrug
Trotz Training sollten Senioren und Angehörige wachsam bleiben. Kognitive Beeinträchtigungen können die Anfälligkeit für Finanzbetrug erhöhen. Hilfsmittel wie automatische Zahlungssysteme und Vollmachten können ältere Menschen schützen, ohne ihre Autonomie zu beschneiden.
„Die Verwaltung der Finanzen ist so wichtig, um die Unabhängigkeit im späteren Leben zu erhalten“, betonte McDonough. „Wir brauchen Maßnahmen, die das Gehirn stärken und dazu beitragen, dass die Menschen bei der Verwaltung ihrer Finanzen gesund bleiben.“