Geldpyramiden bauen oder eine lebenswerte Gesellschaft?

Die unsichtbaren Pyramiden von Pecunia - Teil 2

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Wir haben im ersten Teil unsere Wirtschaft, die von der Finanzmacht dirigiert wird, mit der ägyptischen Kultur verglichen, deren Produkte wir sichtbar in Museen vor uns haben. Die Schätze der Gräber waren aber sinnlos für die damals lebenden Menschen. Auch in unserer Zeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, hohe Werte abzuschöpfen und dabei alle Ressourcen auszubeuten. Das Ergebnis in unserer globalen Zivilisation, die wir Pecunia nennen, ist ein ebenso sinnloses Produkt wie die Gräber der Pharaonen, es sind unsichtbare Geldpyramiden in privatem Besitz.

Die Wirtschaft wächst und rotiert

Wenn Wissenschaftler in einer Studie gesagt haben, die Geldmenge ist dreimal so groß wie die realen Werte der Wirtschaft, dann kann es, bei der Langsamkeit wissenschaftlicher Erhebungen, inzwischen schon so weit sein, dass die Geldmenge viermal so groß ist. Dieses überschüssige Geld hat keinen Gegenwert in der realen Wirtschaft, weil es dafür nichts mehr zu kaufen gibt, außer Finanzpapieren.

Da könnte man sagen: Dann ist es uns auch egal, wenn durch den Kredit der FED an die US-Regierung eine Billion hinzu kommt, es ist Geld außerhalb der Realität und es juckt niemanden. Ganz so einfach ist es nicht. Wenn die Administration in Washington eine Billion bekommt, landet das Geld in der Realität und wird zum großen Teil ins Militär gesteckt, allgemeiner gesagt, in den militärisch-industriellen Komplex. Und die Bedrohung durch die US-Rüstung ist überall auf der Welt zu spüren, auch wenn sie von vielen sogenannten Freunden als Schutz oder sogar als Friedensgarantie wahrgenommen wird. Das Militär der USA ist aber, nach den Erfahrungen der letzten Jahre, eine Bedrohung des Friedens.

Der Staat, nicht nur der amerikanische, gibt alles Geld, was er als Kredit erhält, wieder aus. Die Gehälter fließen an Staatsangestellte und dann in die Konsumwirtschaft, die Militärausgaben in die Rüstungsindustrie und in Gehälter der Militärs. Ein großer Teil landet als private Zukunftssicherung direkt wieder in der Finanzwelt. Die Ausgaben für Straßenbau und andere Infrastruktur kurbeln wie der Konsum das Wirtschaftswachstum an.

Das Wirtschaftswachstum ist der gemeinsame Fetisch, auf den sich alle geeinigt haben: Finanzleute, Wirtschaftslenker, Regierungen, Parteien, Parlamente, aber auch Fernsehzuschauer, Wähler und Konsumenten. Niemand sagt: "Wir wollen die Geldansammlung in den Finanzpyramiden vergrößern." Alle sagen: "Wir wollen ein Wirtschaftswachstum von einigen Prozenten erreichen."

Auch hier ist ein Schritt in die Irrationalität vollzogen; denn Wachstum von einigen Prozenten, Jahr um Jahr wiederholt, bedeutet mathematisch ein exponentielles Wachstum der Wirtschaft. Das ist seit 50 Jahren allen bekannt, die es wissen wollen, aber die meisten wollen es immer noch nicht wahr haben oder sie sehen nur die positiven Seiten des Wachstums: Wenn die Wirtschaft wächst, können wir uns mehr leisten.

Wenn die Wirtschaft wächst, wachsen aber nicht nur die Portionen auf dem Gabenteller, es wachsen nicht nur die bezahlbaren Konsumangebote, sondern es wachsen genau so die Abfallprodukte der Wirtschaft und ihre Schattenseiten: Plastikmüll, Abgase, CO2, Abwärme, Schadstoffe, Agrargifte, Vernichtung der Urwälder, Vernichtung von Arten, Zivilisationskrankheiten, Allergien, Stress und, wie schon erwähnt, die militärische Bedrohung.

Die Wirtschaft dient direkt oder indirekt der Geldvermehrung und zwar auf höchster Ebene. Umgekehrt ist es so, dass fast alle, die am Geld-Zyklus aktiv beteiligt sind, die also die Möglichkeit haben, ihr Einkommen zu vergrößern, alles Erdenkliche tun, um selber mehr Geld zu verdienen.

Geld an sich, als alleiniges Endprodukt einer Kette von Handlungen, hat aber keinen realen Wert oder Sinn, insbesondere nicht in sehr großen Mengen. Es hat noch weniger Wert als die in ägyptische Pyramiden eingemauerten Kunstschätze, die bleiben ja real, wenn sie auch versteckt und den Menschen, die sie geschaffen haben, entzogen sind. Das überschüssige Zweidrittel an Geld in der Finanzwelt, hat nur einen Wert im Finanzsektor.

Eine weitere Absurdität ist die, dass Finanzpapiere inzwischen mehr Gewinn abwerfen als die reale Wirtschaft. Das erklärt sich daraus, dass in Form von Kreditvergabe ständig mehr Geld in den Finanzmarkt gepumpt wird. Auch die EZB ist da sehr aktiv, und im statistischen Mittel werden die Gewinne von Finanzgeschäften genauso aufgebläht wie die Geldmenge. Das alles fällt uns nicht ins Auge, weil das große Geld unsichtbar ist, was das Erkennen dieser Schizophrenie nicht leichter macht.

Pyramiden bauen oder das Leben verbessern?

Wir wollen noch einmal in Gedanken in das alte Ägypten zurückkehren und nehmen an, einer von uns lebte dort und hätte die Fähigkeit zur Systemkritik. Ihm käme die Erkenntnis, dass der Kult, den Priester und Beamte, Königshaus und Staatsgewalt betreiben, unsinnig ist, weil die Früchte der Arbeit den lebenden Menschen entzogen sind, um damit einen Totenkult zu betreiben. Was könnte jemand, der das erkannt hat, tun? Wir wissen es nicht, vermuten aber, dass es für diese Person schnell lebensgefährlich würde. Die Grausamkeit des Altertums ist allgemein bekannt.

Zum Glück sieht die Sache hier und heute etwas humaner aus. Niemand wird zur Sklavenarbeit gezwungen. Niemand stirbt, weil er nicht mitmachen will oder nicht mitmachen kann. Es herrscht große Freiheit, dies oder das zu tun, dies oder das zu mögen, dies oder das zu konsumieren und auch dies oder das zu lassen. Von geistigen Freiheiten ganz zu schweigen. Jeder kann seine Theorie aufstellen, wie der Mensch glücklicher wird.

Das alles ist erlaubt; es beeinträchtigt nicht das System. Es beeinträchtigt nicht die Zirkulation von Geld und die Konzentration des Geldes an der Spitze und nicht die Polarisation der Gesellschaft in diejenigen, die fast alles haben und diejenigen, die fast nichts haben.

Trotzdem sind wir alle auch Teil dieser Maschine, sobald wir nur Geld in die Hand bekommen und es wieder ausgeben, und wir sind Teil des imaginären Staates Pecunia, der den Bau von Geldpyramiden auf vielfältige Weise begünstigt. Wir stecken in dieser sinnlosen Mühle, die einen Stoff produziert, der uns heilig ist, obwohl wir schon viel zu viel davon haben.

Am meisten wird die Polarisation zwischen Arm und Reich durch Staaten unterstützt, wenn sie sich Geld von den Reichen leihen, anstatt von den Reichen einen angemessenen Beitrag in Form von Steuern oder Vermögensabgaben zu fordern. Mit angemessen ist gemeint, gemessen an ihrem Einkommen und Vermögen und im Vergleich zu denen in der Mitte der Gesellschaft, die Lohn- oder Einkommensteuer zahlen und sehr hohe Sozialabgaben.

Selbst wenn ein Staat Schulden macht, um damit soziale Wohltaten zu verteilen, leistet er einen Beitrag zur Anhäufung von Geld in der Finanzoligarchie. Denn das Geld für die Armen landet im Konsum. Der Konsum kurbelt die Konsumwirtschaft an und die Gewinne der Großunternehmer. Der Staat sonnt sich Rufe der Wohltätigkeit und brüstet sich mit dem Wirtschaftswachstum, aber es wird durch Wohltaten weder die Umverteilung gestoppt noch die Belastung der Umwelt.

Anders sähe es aus, wenn ein Staat keine Schulden mehr machte, sondern hohe Einkommen, schnelle Transaktionen, große Vermögen, und reiche Erbschaften mit Abgaben belastet und mit diesem Geld den normalen Menschen das Leben leichter macht. Dazu gibt es tausend Möglichkeiten: Mehr Kindertagesstätten, bessere Schulen, flächendeckender Nahverkehr, Kulturförderung, ein Internetforum zur Bildung der öffentlichen Meinung, mehr Fahrradwege, öffentliche Online-Bibliotheken, Zuschüsse für Jugendclubs und eine Ordnungsbehörde, welche Beleidigungen, Bedrohungen und Rassismus im Internet mit einem Katalog von Strafgebühren belegt, die von den Plattformen, die sich soziale Medien nennen, zu zahlen sind, und die Betreiber können sich diese Gebühren dann auf dem Rechtsweg von den Usern zurückholen.

Wer sich, als Person, Forum oder Partei, für so eine Politik und so einen Staat einsetzt, der leistet einen konkreten Beitrag, die irrsinnigen Auswüchse der reinen Geldwirtschaft zu bändigen und zu reduzieren.

Das System sind nicht nur die Anderen

Im Augenblick befinden wir uns noch in einer Phase der Kommunikation und hoffentlich der Konsolidierung. Genauer gesagt, ganz am Anfang einer solchen Phase. Die Forderung nach Wirtschaftswachstum ist noch nicht vom Tisch, die Umverteilung von unten nach oben noch nicht gestoppt. Die Geldvermehrung ist nicht einmal als Problem erkannt. Doch die Kommunikation über die Fehler des Systems geht voran. Noch hat die Einsicht in die Sinnlosigkeit des Pyramidenbaus von Pecunia nicht die systemerhaltende Propaganda und Reklame in den übermächtigen Medien verdrängt.

Ein Fehler, den einige der alternativen Medien im Internet machen, ist, dass sie mit Feindbildern arbeiten, wobei oft gar nicht klar wird, wer denn nun der Feind ist. Man bringt rebellische Texte und starke Worte gegen die Mächtigen, ohne sie zu benennen. Oder man nennt sie einfach "Das Kapital" und hat damit eine Aussage gemacht, der viele, ohne nachzudenken, zustimmen. Aber in Pecunia regiert nicht das Kapital, sondern das nackte Geld in Form von Zahlen, das gar nicht erst zu Kapital werden muss, um sich zu vermehren.

Das System sind wir alle. Wenn es um Geld geht, sind wir alle beteiligt, natürlich gemessen am Geld, über das wir verfügen. Die Kinderbetreuerin hat weniger Einfluss als der Börsenmakler. Sie kann aber streiken und den Börsenmakler dazu zwingen, sich vorübergehend selbst um seinen Nachwuchs zu kümmern.

Der Staat kann dann gegen die Schnellverdiener an der Börse eine Transaktionssteuer erheben, die verhindert, dass durch Hochfrequenzhandel sinnlose Geldgewinne gemacht werden, denen keine Leistung gegenüber steht. Mit dem Geld aus dieser Transaktionssteuer könnten Betreuerinnen besser bezahlt werden, wenn nicht wieder Landespolitiker jeden Eingriff in das Erziehungssystem verhindern. Da könnten die Landespolitiker, wie viele andere auch, durch Aufgabe einiger Privilegien das System verbessern.

Ansatzpunkte sind überall. Das System täuscht uns aber vor, dass Wahlen die Politik verändern. Wir haben deutlich gesehen, dass dies nicht der Fall ist. In Deutschland hat man 2017 die Große Koalition abgewählt und alle drei beteiligten Parteien mit Verlusten um 10% abgestraft, am meisten die CSU, am wenigsten die SPD.

Die offiziellen Medien aber haben Martin Schulz zum offiziellen Wahlverlierer erklärt, nicht die stark geschwächte GROKO. Ein halbes Jahr später wurde von den Parteien CDU, SPD und CSU die neue GROKO Merkel-4 gebildet. Die Bundestagswahl war überflüssig; sie hat nichts bewirkt.

Solange vom Volk gewählte Politiker die Macht der Finanzwelt hofieren und deren Arm verlängern und die Banken nicht kontrollieren, hat die ganze repräsentative Demokratie keinen Sinn. Sie ist dann nur Erfüllungsgehilfe eines Geldsystems, das überwiegend ein sinnloses Scheingeschäft betreibt. Immer mehr Geld wird in Geldpyramiden angehäuft und dazu verwandt, die Zirkulation von Geld in der Finanzwirtschaft anzukurbeln. Die unsichtbaren Pyramiden aus Geld wachsen ständig weiter. Das geschieht mit verheerenden Nebenwirkungen, insbesondere Umweltzerstörung und Verarmung weiter Bevölkerungskreise.

Dabei ist Geld bereits in drei- bis vierfachem Überfluss vorhanden. Es ist eigentlich noch weniger wert als die in den Pyramiden eingemauerten Schätze, aber es wird weiterhin als höchster Wert angesehen. Jeder kann sofort in seinem eigenen Kopf den Schalter umdrehen, indem er im Streben nach dem großen Geld eine zerstörerische Gefahr erkennt.

In nächster Zukunft wollen die Wirtschaftslenker durch künstliche Intelligenz, was immer das sein mag, jedenfalls durch Digitaltechnik und Roboter, immer mehr Arbeitsplätze abbauen. Was ist das Ziel dieser Entwicklung? An erster Stelle dient sie dazu, mehr Gewinn in Form von Geld einzufahren.

Das Wort "mehr Geld" bedeutet Alarm, Vorsicht, Gefahr! Diese Gefahr ist Massenarbeitslosigkeit. Es könnte aber auch Verringerung der Arbeitszeit und mehr Freizeit zur kreativen Gestaltung des Lebens bedeuten, ohne zusätzlichen Konsum von Wegwerfartikeln.

Regierungen neigen dazu, die Entscheidungen darüber einfach der Wirtschaft und damit den Finanzleuten zu überlassen. Für die ist Arbeitslosigkeit eine gute Lösung. Um die Arbeitslosen muss sich der Staat kümmern, wenn er kein Geld mehr hat, muss er es sich in der Finanzwelt leihen. Dafür plädieren auch linke Politiker und Journalisten. Schulden für Wohltaten sind leicht realisierbar, aber sie stärken die Finanzmacht auch dann, wenn die Zinsen bei Null sind. Durch die Kreditvergabe wird mehr Geld erzeugt. Dieses Geld wird schnell ausgegeben und am Ende für den weiteren Pyramidenbau abgeschöpft. Alles, was die Macht der Mächtigen bestärkt und nicht schmälert ist leicht realisierbar, insbesondere von Schwächlingen.

Der Staat kann diese Entwicklung aber auch steuern, durch Steuern; denn er hat das Recht, Steuern zu erheben, wie und von wem er will. Wie wäre es mit einer Steuer, die vom Umsatz abhängt und gegen Sozialabgaben verrechnet wird und die im Sozialetat landet. Dann zahlen alle Maschinen, Computer und Roboter, die mit der Belegschaft Umsatz erzielen, automatisch ebenfalls in die Sozialkassen und die Sozialbeiträge der arbeitenden Menschen können auf die Hälfte gesenkt werden. Personalintensive Leistungen werden billiger, rein maschinelle Produkte werden teurer. So ein System verändert die Balance zu Gunsten der Menschen, zu Ungunsten der Maschinen. Das wurde hier schon ausführlich behandelt: Die soziale Quellensteuer.

Es ist eine dieser Absurditäten des Systems von Pecunia, dass Menschen, die arbeiten, von ihrem Gewinn, dem Lohn, Abgaben zahlen müssen, nur weil sie Menschen sind und ein soziales Umfeld brauchen, und sie sind deshalb gegenüber Maschinen, Computern und Robotern für die Wirtschaft unrentabel. Wird man also im Lande Pecunia langfristig die Menschen abschaffen oder lieber das bestehende System der Geldvermehrung und die Geldpyramiden einreißen?

Rob Kenius ist Diplom-Physiker und hat vorwiegend als Selbständiger im Medienbereich gearbeitet. Seit 2012 gestaltet er als systemkritischer Autor die Webseite kritlit.de.

Literatur:

Michael Hudson, Der Sektor.
Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert
Rob Kenius: Leben im Geldüberfluss,