Gemeinnütziger Journalismus: Studie zeigt, wie die Presse verändert werden kann

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Non-Profit-Journalismus in Deutschland: Die Guten gegen das Böse? Studie erklärt Möglichkeiten, wie Presse wieder hochwertig werden soll. Ist das realistisch?

Könnte neben den privaten und öffentlich-rechtlichen Medien eine dritte Säule das journalistische Angebot bereichern? Der Name dafür klingt verlockend und weniger staatstragend als die Metapher von der Säule: "Non-Profit-Journalismus".

Dieser Non-Profit-Journalismus habe das Zeug zum "Game Changer für den Journalismus in Deutschland", behauptet Stephan Weichert vom Vocer Institut für Digitale Resilienz. Allerdings schränkt er ein: "Wenn sich die Förderkulisse und die Spendenbereitschaft in Deutschland in den nächsten Jahren radikal ändern".

Es bleibt also dabei: Es geht um Geld. Deshalb sind sowohl die Privaten als auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht gerade begeistert von der gemeinnützigen Konkurrenz, die ihnen ebenfalls den Rahm abschöpfen würde.

Wir erleben eine tiefe Zerstrittenheit zwischen alten und neuen Marktakteuren, wenn es um allgemeine Fragen der Presse- und Journalismusförderung geht.

Leif Kramp

Der Lagebericht zur Konkurrenz, die unter dem Label "Gemeinnützigkeit" zumindest frischen Wind in die alten Säulen bringen soll, ist nicht weniger als 144 Seiten lang.

Das sagt viel über die komplizierten Verhältnisse aus. So bezeichnen die Autoren Stephan Weichert und Leif Kramp vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) ihr Whitepaper auch als "Handreichung für Medien, Politik und Stiftungswesen".

Es richtet sich an Fachleute. Für die breite Öffentlichkeit sind vor allem die Grundannahmen von Interesse, die in der von der Otto-Brenner-Stiftung (IG-Metall) in Auftrag gegebenen Studie angesprochen werden.

Szenario: Nachrichtenwüsten

Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen journalistischen Produkten wird als gefährdet angesehen. Als Gründe werden genannt, dass die Realität der Medienangebote "immer weniger für ökonomisch tragfähige Geschäftsmodelle" geeignet sei. Explodierende Kosten für Produktion und Distribution seien kaum noch zu finanzieren. Die klassische Werbefinanzierung kann das nicht mehr tragen, sie bricht weg.

Und neue Bezahlschranken im Digitalen blieben "oft hinter den Erwartungen zurück". Wer will und kann sich schon Abos hinter jeder Bezahlschranke leisten?

Das Zeitungssterben im regionalen und lokalen Bereich wird angesprochen. Als abschreckendes Beispiel werden die USA mit ihren "News Deserts" - Nachrichtenwüsten - genannt. "Seit 2005 wurden landesweit rund 2.500 Lokalzeitungen eingestellt."

Rettung: Non-Profit-Journalismus?

Aber auch als Inspiration für eine andere Möglichkeit:

Es geht in Amerika also um nichts weniger als ums große Ganze: den Erhalt des demokratischen Gemeinwesens. Genau aus diesem Grunde erlebt der Non-Profit- Journalismus eine immer größere Nachfrage.

Beispiele wie das der Chicago Sun-Times oder des Philadelphia Inquirer zeigen, dass US-amerikanische Medien auch ohne Milliardär-Mäzen oder Hedgefonds durchaus eine Chance haben, zu überleben.

White Paper Non-Profit-Journalismus

Was in den Nachrichten aus Übersee so einfach klingt, ist in Deutschland ein mühsamer Weg. So lautet das Fazit der Studie. Zwar sehen die Autoren auch hierzulande neue Chancen für eine als gemeinnützig anerkannte journalistische Arbeit, aber vor allem Hindernisse, die bisher nur mit Not- und Zwischenlösungen überwunden werden konnten.

Es fehlt an breiter Anerkennung und Unterstützung für ein Modell des Non-Profit-Journalismus. Dies dokumentiert die Haltung der Ampelregierung. Die Hoffnung war groß, "dass die Ampel in ihren Verhandlungen festschreibt, gemeinnützigen Journalismus möglich zu machen" (taz).

Doch die Regierung sei noch in der Diskussionsphase, hieß es im Sommer. "Wir sind uns noch nicht einig", sagte Roth (FAZ). Es fehle an Rechtssicherheit.

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit würde steuerliche Vorteile und die Förderung durch Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure ermöglichen. Neben der Förderung durch Stiftungen und Spender würde sich auch die Möglichkeit eröffnen, in den Genuss von Förderprogrammen staatlicher Institutionen oder Medienanstalten zu kommen.

Fallbeispiele

Dazu müsste allerdings die Gemeinnützigkeit des Journalismus gesetzlich verankert werden, um die Finanzierung zu erleichtern. Und bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie die Studie zeigt.

Dem gegenwärtigen Fördervolumen für journalistische Non-Profit-Projekte sind in Deutschland enge Grenzen gesetzt, es bleibt weithin schwammig, "ob der Non-Profit-Markt weitere Neugründungen verträgt, und ob die ersehnte Änderung der Abgabenordnung eine neue Spendenbereitschaft in der Bevölkerung stimuliert", sagen die Autoren.

Sie warnen angesichts der diffusen Förderlage davor, nicht zum Spielball von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu werden.

Otto Brenner Stiftung

Als gegenwärtige Beispiele für einen anders finanzierten Journalismus nennt die Studie Netzpolitik.org und Kontext, die überwiegend durch Spenden ihrer Leserschaft finanziert werden.

Damit zeigen sie, dass nicht-profitorientierte journalistische Projekte einen wichtigen Beitrag zur Medienöffentlichkeit leisten.

Wie schwierig die Rechtslage ist und wie sehr politische Einschätzungen in das "komplexe Problemfeld" (Otto Brenner Stiftung) hineinspielen, zeigt der Fall der Nachdenkseiten, denen ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Medienöffentlichkeit attestiert werden kann.

Dem Online-Medium, das sich erst kürzlich den Zugang zur Bundespressekonferenz erkämpft hatte, wurde Ende vergangenen Jahres die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Dies warf auch die Frage auf, inwieweit politische Motive eine Rolle gespielt haben.

Unabhängigkeit ist auch für die dritte Säule kein Selbstläufer. Die Autoren der Studie warnen davor, dass diese Projekte aufgrund der undurchsichtigen Förderlage anfällig für politische oder wirtschaftliche Interessen werden könnten.

Nicht zu einem "Projekt der Guten gegen das Böse" machen

Helge Lindh von der SPD, der in der Studie zu Wort kommt, warnt vor einer romantischen Verklärung des gemeinnützigen Journalismus. Man solle ihn nicht euphorisch zu einem "Projekt der Guten gegen das Böse" machen.

Deshalb ja: Wir sollten es angehen, aber mit einem Pathos der Nüchternheit.

Es dürfe kein Sonderrecht für Medien geschaffen werden, "das sich von anderen Organisationen wie dem normalen Bürgerverein oder Initiativen unterscheidet".