Gemeinsam Monsterhorden abschlachten

Segas "Phantasy Star Online III" für GameCube: Vom Hack-And-Slay zum Kartenspiel

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Online-fähig ist Nintendos GameCube schon lange, allein es mangelt an Spielen. Einzig Segas "Phantasy Star Online Episode I&II" bietet von Haus aus Internet-Gaming, der Nachfolger geht wieder online, jedoch mit einem gänzlich anderen Spielkonzept.

Sega ist der eigentliche Pionier des Konsolen-Online-Gamings, die hauseigene Dreamcast-Konsole besaß bereits 1998 ein Modem. "Phantasy Star Online", entwickelt von Segas Sonic Team und in der Originalfassung im Jahr 2000 für die Dreamcast erschienen, lebte primär vom Online-Spiel mit anderen Teilnehmern. Die Geschichte war für ein Rollenspiel zu dünn, der Charme des Spiels liegt eben darin, dass sich bis zu vier Abenteurer per Internet verbinden, um gemeinsam Monsterhorden abzuschlachten und Bosse zu überwinden. Nebenbei pushte das Spiel die Tastatur als konsolenuntypische Peripherie, denn sowohl in den Dungeons als auch in der Lobby, dem Treffpunkt für die Spieler vor und zwischen den Kämpfen, wird munter gechattet. Erfahrungen werden ausgetauscht, über Rares - als PSO-"Fachausdruck" in englischer Aussprache doch mit derselben Bedeutung wie im Deutschen für seltene und damit besonders gefragte Gegenstände - gefachsimpelt, Tauschs und spätere Treffs ausgehandelt oder gleich Clans gegründet.

"Vorsicht! Da ist eine Falle"

Zur internationalen Kommunikation führte Sega einen Textbausteinkasten ein, der Phrasen wie "Wo bist du?" oder "Vorsicht! Da ist eine Falle." allen Mitspielern in der von ihnen gewählten Sprache anzeigt. Der Reiz von Phantasy Star Online lag und liegt wie bei nahezu allen Online-Titeln in der Mischung aus Spiel und Kommunikation. Zwei Jahre nach der ursprünglichen Dreamcast-Version, die eigenen Hardware-Pläne waren inzwischen beerdigt, brachte Sega "Phantasy Star Online Episode I & II" für den GameCube heraus, das - wie der Titel verkündet - neben dem überarbeiteten Dreamcast-Titel eine zweite Episode mit neuen Dungeons und einigen neuen Monstern enthält. Am Spiel- und Kommunikationsprinzip änderte sich dabei nichts. Knapp ein Jahr später erschien die XBox-Variante, die das Headset für Voice-Chat nutzte.

Während auf Microsofts XBox die Online-Spielesammlung immer weiter aufblüht, blieb PSO lange Zeit das einzige wirkliche Online-Spiel auf dem GameCube. Den Breitbandadapter unterstützt Konsolenhersteller Nintendo in den eigenen Spielen zwar durchaus, doch "Mario Kart" (vgl. Ich weine nicht - Das ist der Fahrtwind), "1080° Avalanche" (vgl. Pistensau und König der Straße) oder "Kirby's Air Ride" laufen von Haus aus nur im LAN, Online-Spiel erfordert ein separates, inoffizielles PC-Tool.

Ein Jahr nach dem Erscheinen von "PSO I&II" ist "Phantasy Star Online III, C.A.R.D. Revolution" damit das zweite Online-Spiel für Nintendos Spielwürfel. Online ist neben Grafik und Setting so ungefähr das einzige, das PSO III mit seinem Vorgänger verbindet. Die Story, die im dritten Teil ausgeprägter ist als in PSO I/II, das lediglich einen dünnen Handlungsstrang zur Verbindung der Monsterjagd spinnt, spielt auf demselben Planeten Ragol, wieder kämpfen bewaffnete Helden gegen Monster.

Als Ark darf der Spieler die Monster von Ragol beherrschen

Heroes und Arkz

Statt Hack-and-Slay-Rollenspiel erwartet den Spieler mit PSO III jedoch ein strategisches Kartenspiel in der Art von "Magic: The Gathering". Das Grundprinzip kombiniert Sega mit einem Spielbrett, das dem Spiel eine stärkere strategische Komponente verleiht als typischen Sammelkartenspielen. Zwar erstellt der Spieler weiterhin einen Hauptcharakter, dieser spielt jedoch anders als in "PSO I&II" lediglich in der Lobby und zwischen den Partien eine Rolle, für die Matches selbst gibt es spezielle Kämpfer-Charaktere aus zwei verschiedenen Fraktionen: Der Heroes und der Arkz. Erstere entsprechen im Wesentlichen den Kämpfern aus dem klassischen PSO mit den drei Heldenklassen Hunter (Nahkämpfer), Ranger (Fernkämpfer) und Force (Magier), die ausgerüstet mit Waffen die Kreaturen auf Ragol bekämpfen. Die Arkz-Charaktere entstammen denselben Basisklassen, statt Waffen kontrollieren sie aber die Monsterwelt des Planeten.

Die Einstiegshürde des PSO-Kartenspiels ist deutlich höher als bei dem rein auf Hack-and-Slay ausgerichteten Vorgänger: Etwa zwei Stunden braucht es schon, bis man die Regeln verinnerlicht hat - online findet sich mit etwas Glück jemand, der die Regeln während einer Partie erklärt. Zumindest sind die Karten weniger abstrus als beispielsweise in Yu-Gi-Oh, dessen Sonderregeln und Monsterdetails wohl ein von sonstigen Dingen befreites Kinder- oder Jugendgehirn benötigen, um zu wissen, dass die Monsterkarte X in Kombination mit der Karte Y und zum Zeitpunkt Z zum unweigerlichen Sieg führt, es sei denn, der Gegner besitzt Abwehr A und Monster B, was ihn zum Sieger kürt.

Die Story erzählt PSO III in kurzen Manga-Sequenzen

Insgesamt sind die Karten in PSO III recht ausgewogen, und fast jede starke Karte hat einen entsprechenden Malus, der beispielsweise den Charakter verlangsamt oder ihn permanent Lebensenergie kostet. Jede Spielrunde besteht bei PSO 3 aus fünf Phasen: Zunächst bestimmen zwei Würfel die Angriffs- und Verteidigungspunkte, dann setzt der Charakter je nach Fraktion (Heroes oder Arkz) Waffen oder Monster. In der dritten Phase bewegt der Spieler seinen Charakter, wer die Arkz spielt kann zudem die Monster ziehen. Der Angriff stellt die vierte Phase dar, und in der letzten Phase zieht der Spieler schließlich neue Karten nach. Setzen, Bewegung und Attacken kosten jeweils Angriffspunkte. Die Verteidigungspunkte kommen in der Angriffsphase des Gegners zum Einsatz, um mit speziellen Karten gegnerische Attacken zu parieren. Wie beim Spiel der Könige zählt das Fußvolk nichts, die wesentliche Figur ist der jeweilige Spielcharakter, ihm gilt es die Lebensenergie zu entziehen.

Der interessante Dreh liegt in den beiden unterschiedlichen Seiten Heroes und Arkz. Die Heroes nehmen nämlich stets nur ein Feld auf dem Spielbrett ein, tragen dafür Waffen und Schilde am Körper, die Arkz stehen schutzlos auf dem Spielfeld und müssen mit ihren Kreaturen, die jeweils ein eigenes Feld belegen, den Gegner fernhalten beziehungsweise angreifen. Waffen, Monster und Aktionen werden in Form der Spielkarten gesetzt, von denen jeder Mitspieler jeweils fünf auf der Hand hält. Jedes Deck enthält zusätzlich zur Heldenkarte jeweils 30 Karten, welche sechs also jeweils gerade verfügbar sind, entscheidet der Zufall. Wie in Sammelkartenspielen üblich, bestimmt die Zusammensetzung des Decks zu einem guten Teil den Spielverlauf - dabei gibt es kaum ein absolut sicheres Killerdeck: Ein Deck mit Waffen, die auf starke Monster ausgerichtet sind, kann im Kampf gegen ein Ark-Deck mit schwachen, aber zahlreichen Monstern unterlegen sein. Schließlich spielt immer der Zufall eine nicht unbedeutende Rolle: Ein starkes Monster, das fünf Aktionspunkte kostet, ist nutzlos, wenn der Würfel dem Spieler nur niedrige Aktionspunkte beschert. Andererseits können einzelne starke Karten durchaus den Spielverlauf bestimmen, ein Starter-Deck hat gegen ein gut ausgestattetes Blatt eines fortgeschrittenen Spielers nur bei großem Würfelglück eine Chance.

Zwischen den Kämpfen gilt es die Decks zu bearbeiten

Chatten als Grundtugend

Die größte Schwäche des Spiels liegt in der langatmigen Ausführung der Aktionen: Jede Handlung ist animiert, das Laden vom GameCube jedoch nicht optimiert, was dem Spielwürfel teils Rattergeräusche entlockt, die an Dreamcast-Zeiten erinnern. Die Züge der Computergegner lassen sich nicht abkürzen, sodass sich eine normale Partie in die Länge zieht. Online kann der Spieler wenigstens die Wartezeit zum Chatten nutzen, womit wir wieder bei der Grundtugend von Phantasy Star Online wären: Die Stärke liegt in der Kommunikation und im Match gegen oder zusammen mit menschlichen Spielern. PSO-III-Spieler können übrigens in die Lobby der PSO-I/II-Welt und so den Lobby-Chat über die Spiele hinaus führen. Auch gelten die Guild Cards, die Online-Visitenkarten von PSO, in beiden Welten. Zusätzlich zum Text- und Symbol-Chat kennt PSO3 vordefinierte Geräusche wie Jubel, Applaus oder Jammern, mit denen der Spieler vor allem im Kampf das Geschehen akkustisch kommentieren kann.

Allerdings hat das Online-Spiel seinen Preis: dreißig Tage kosten wie beim Vorgänger acht Euro, wer "PSO I&II" und "PSO III" spielt, muss nur eine Lizenz bezahlen, im Gegensatz zu PSO I/II enthält das Kartenspiel allerdings keinen kostenlosen Probezugang. Wer die Online-Kosten scheut oder gar nicht erst in den von wenigen Spielen genutzten Breitbandadapter investieren will, kann zumindest auch offline gegen andere Spieler antreten, was jedoch aufgrund der offenen Karten nur eine bedingte Alternative ist. Offline hat vor allem der Story-Modus seinen Reiz, den der Spieler für beide Seiten durchspielen kann. Online liegen die Turniere mit vier bis sechzehn Spielern im Einzel- oder Doppel-Match in der Beliebtheitsskala ganz vorn. Schade eigentlich, dass Sega auf Offline-Turniere verzichtet hat, denn auch online ersetzt der Computer fehlende Gegner.

Neben der Online-Fähigkeit hält PSO III ebenfalls wie schon der Vorgänger die Spieler mit der Sammelleidenschaft bei der Stange: Nach jedem Kampf - auch einem verlorenen - verdient der Spieler neue Karten. Je besser die Bewertung, umso mehr Karten bekommt er. Zusätzlich erhält er Erfahrungspunkte und steigt alle 100 Punkte ein Level auf. Das Level wirkt sich im Gegensatz zum Rollenspiel nicht direkt aufs Kampfgeschehen, sondern lediglich auf die Karten aus, die er nach einem Match gewinnt. Zudem kann man im Online-Spiel das Level der Spieler in der Lobby sehen und weiß damit in etwa, worauf man sich einlässt. Ein Sieg gegen einen Spieler auf höherer Spielstufe bringt dabei auch deutlich mehr Erfahrungspunkte als ein Sieg gegen einen Gegner auf gleicher Stufe. Schließlich gibt es auch bei PSO III wieder seltene Karten zu gewinnen, bei denen es dann nicht nur um die Kampfstärke, sondern auch um den Coolness-Faktor im Online-Spiel geht.

Nach jedem Kampf gibt es neue Karten

PSO III ist ein gut durchdachtes strategisches Kartenspiel, das vor allem und auf Dauer fast ausschließlich zusammen mit anderen Menschen Spaß macht. Dass der Online-Zugang die größte Hürde bedeutet, muss nicht Sega, sondern Nintendo angelastet werden, die es nach wie vor versäumen, ernsthafte Online-Spielkonzepte für den GameCube zu entwickeln - trotz genügend online-tauglicher Titel wie "Final Fantasy Crystal Chronicles" oder dem in Kürze erscheinenden "The Legend of Zelda: Four Swords Adventures". Bei beiden Titeln zieht Nintendo den Weg des Offline-Multiplayer-Spiels in Kombination mit dem GBA vor. Der Reiz von beiden Phantasy-Star-Online-Spielen liegt aber wie bei allen Online-Games eben darin, dass man sich zu einer beliebigen Zeit in die Lobby auf einem europäischen, amerikanischen oder japanischen Server begibt und schaut, wer zum Spielen bereitsteht, dort eventuell Bekannte von vorherigen Partien wieder findet oder sich mit ihnen ohne räumliche Gebundenheit verabredet.

Wem Phantasy Star Online III zu sehr Karten- und zu wenig Rollenspiel ist, muss auf das zur diesjährigen E3 angekündigte "Phantasy Star Universe" warten, das wieder den Weg des klassischen Action-RPG beschreitet. Die Informationen zu dem Spiel, mit dem kaum vor Ende 2005 zu rechnen sein wird, sind noch recht spärlich: Weder steht fest, für welche Konsolen es erscheint, noch in welcher Welt das als MMORPG (Massive Multiplayer Online Role Playing Game) angekündigte PSU spielt und ob es inhaltlich an PSO oder ältere Phantasy-Star-Titel anknüpft. Ob "Phantasy Star Online Episode I & II Plus", eine überarbeitete Fassung von "PSO I&II", seinen Weg auf den europäischen Markt findet, steht derzeit noch nicht fest.