Gen-Mikroben gegen das Bienensterben
Seite 2: "Die Natur hat den besseren Bauplan"
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Lassen sich Virus- und Varroa-Infektionen mit der neuen Methode überhaupt erfolgreich bekämpfen? Können die benötigten RNA-Moleküle mit vertretbarem Aufwand erzeugt werden? Welche Auswirkungen haben die genveränderten Organismen auf die Umwelt?
Die neue Studie wirft viele Fragen auf. Prof. Robert Paxton, Leiter der Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie am Institut für Biologie der Universität Halle-Wittenberg, warnt davor, fremde Gene in die Umwelt freizusetzen. "Wir brauchen empirische Studien in geschlossenen Systemen mit großen Honigbienenvölkern, die mit GVO-Bakterien gefüttert werden, um zu prüfen, ob Gene entweichen können", fordert der Zoologe.
Weil Bakterien außerordentlich schnell mutieren, sei nicht auszuschließen, dass sie ihre Wirkungen auf andere Tiere und auch auf den Menschen übertragen, weiß Dr. Randolf Menzel, Bienenexperte an der Freien Universität Berlin. Er hält die Anwendung der Methode außerhalb des Labors für unverantwortlich.
Was im Labor unter kontrollierten Wunschbedingungen klappt, ist evolutionär noch lange nicht stabil, räumte selbst Gene-Drive-Entwickler Kevin Esvelt in einem Interview vor vier Jahren ein. "Normalerweise ist der Bauplan der Natur besser, weshalb er sich in einer natürlichen Umgebung durchsetzt", erklärte der Gentech-Experte.
Gentechnik beschleunigt das Artensterben
Jede existierende Art kann als eine einzigartige Erinnerung an Milliarden Jahre Evolution gesehen werden, schreiben die Autoren von Testbiotech in einer 2019 veröffentlichten Publikation.
In der DNA ist die Erinnerung an die gemeinsame Evolution alles Lebendigen gespeichert, heißt es weiter. Sie repräsentiert rund vier Milliarden Jahre gemeinsame Erfahrung, seit die ersten Zellen und Organismen auf der Erde entstanden. Darauf und in der gespeicherten Erinnerung beruht die Fähigkeit der Lebewesen zur Anpassung und ihre Interaktion in den Ökosystemen, sowohl zwischen als auch innerhalb der Arten. Die DNA steuert Verhalten und Wechselwirkungen zwischen Bienen, Mikroben, Fortpflanzung und ihren Beziehungen innerhalb der Nahrungsnetze.
Eingriffe in das Erbgut können die dort gesammelten Informationen gefährden. So können genveränderte Darmbakterien mittels Botenstoffe nicht nur die Eigenschaften ihrer Wirte verändern, sondern auch über Artgrenzen hinweg in die Genregulation eingreifen. Breiten sich gentechnisch veränderte Organismen in natürlichen Populationen unkontrolliert aus, können deren gemeinsame Erinnerungen an die Ergebnisse der Evolution "verwirrt" werden.
Dies wiederum wirkt in Ökoystemen wie ein Störsender: Nahrungs- und Kommunikationsnetze können gestört, ökologische Gleichgewichte verschoben werden. Schlimmstenfalls brechen die Ökosysteme zusammen. So werden die neuen Organismen zum unkalkulierbaren Risiko für Flora und Fauna.
Wer eine "pestizidresistente" Honigbiene züchtet, ignoriert die Auswirkungen von Pestiziden auf Wildbienen und andere Insekten. Einmal freigesetzt, ist nicht auszuschließen, dass sich die veränderten Bakterien auch bei wilden Verwandten wie Hummeln einnisten, warnt Christoph Then von Testbiotech.
Um die Artenvielfalt zu erhalten, genügt es eben nicht, ein Gen oder eine Mikrobe in einer Biene zu verändern. Nutztiere wie Rinder, Schweine, Hühner konnten wir unseren industriellen Produktionsbedingungen anpassen, auch wenn sie unter meist nicht artgerechten Haltungsbedingungen zu leiden haben. Bei Bienen funktioniert das nicht oder nur bedingt.
Wollen wir, dass sie überleben, und sei es, um ihre Bestäubungsleistung in Anspruch zu nehmen, müssen wir die giftigsten Pestizide von den Äckern verbannen. Vor allem aber müssen wir unsere Agrarwüsten in blühende Landschaften verwandeln: Zahlreiche Blumen- und Kräuterarten sind nicht nur für Blühstreifen interessant, sondern sie eignen sich auch als Grunddüngung auf dem Acker.