Generalstaatsanwaltschaft Berlin stellt Ermittlungen gegen GEMA ein
Die Musikverwertungsgesellschaft war durch ihren Vertrag mit dem IS-Dschihadisten Dennis Cuspert in den Verdacht der Terrorfinanzierung geraten
Am 10. Oktober 2014 berichtete Telepolis über die Möglichkeit, dass der IS-Dschihadist Dennis Cuspert alias "Deso Dogg" für seine zwischen 2006 und 2009 aufgenommenen Rap-Musikstücke weiterhin Geld aus den Ausschüttungen der Musikverwertungsgesellschaft GEMA beziehen könnte. Die GEMA bestätigte Telepolis damals auf Anfrage, dass Cuspert bei ihr Mitglied sei. Auf Fragen zu Auszahlungen an den Rapper hieß es, "personenbezogene Daten" würden "leider dem Datenschutz unterliegen". Fragte man datenschutzfreundlicher, wie viele Tantiemen 2013 an Mitglieder der Terrorgruppe IS oder anderer Dschihadistengruppen ausgeschüttet wurden, bekam man die Antwort, dass die GEMA "keine Kenntnis [habe], ob und welche ihrer Mitglieder derartigen Organisationen angehören".
Auf eine Strafanzeige des Telepolis-Lesers Aras Abbasi hin leitete die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der GEMA ein - wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (Az. 171 UJs 10/15). Dieses Ermittlungsverfahren wurde nun eingestellt, weil die Musikverwertungsgesellschaft den Berechtigungsvertrag zwischen ihr und Cuspert vor dessen Aufnahme in die UN-Sanktionsliste im Februar 2015 gekündigt und Auszahlungen gestoppt hat.
Bereits drei Tage nach Erscheinen des Telepolis-Artikels (und nachdem dieser von anderen Medien aufgegriffen wurde) hatte die GEMA ihre Meinung geändert, dass das Datenschutzinteresse ihres Mitglieds Cuspert ein öffentliches Interesse an einer Aufklärung über die IS-Finanzierung überwiegt, und mitgeteilt, dass dessen Mitgliedskonto aufgrund des "unbekannten Wohnsitzes" des Rappers seit 2009 gesperrt sei, weshalb die für ihn angefallenen Tantiemen nicht ausbezahlt würden. Musiklabels könnten jedoch immer noch Tantiemen an die IS-Führungskraft Dennis Cuspert überweisen. Dazu, ob dies geschieht, schweigen die Plattenfirmen (vgl. "Geistiges Eigentum" eines Terroristen).
Cuspert (der sich in Videos aus dem Kalifatskrieg als Leichenschänder präsentierte und bei dem unklar ist, ob er noch lebt) ist nicht der einzige Musiker, den es in den Dschihadismus zog: Der in London aufgewachsene Ägypter Abdel-Majed Abdel B. alias "Lycricist Jinn", soll an der Enthauptung von Geiseln beteiligt gewesen sein und twitterte Fotos, auf denen er einen abgetrennten Menschenkopf in der Hand hält.
Die Verbindung zwischen Hip Hop und Islamismus reicht bis 1970 zurück, als die Black Muslims Jalaluddin Mansur Nuriddin und Umar Bin Hassan mit ihrer Proto-Rap-Truppe Last Poets Agit-Prop-Sprechgesang mit Trommelhintergrund veröffentlichten. In den 1980er und frühen 1990er Jahren verwendeten viele US-Rapper Symbole und ideologisch-religiöse Versatzstücke dieser Black Muslims, die eine rassische Überlegenheit von Schwarzen propagieren. Neben der Black-Muslim-Hauptströmung der Nation of Islam (NOI) spielte dabei vor allem die Sekte der Five Percenter eine Rolle, deren männliche Mitglieder sich selbst vergöttlichen. In Europa nahm diese Rolle in den 1990er Jahren ein dschihadistischer Islam ein - zum Beispiel in "Dirty Kuffar" von Sheikh Terra and the Soul Salah Crew.
Der strenge Salafismus lehnt Rapmusik allerdings ab, weil er nur Gesänge erlaubt. Solche "Naschids" produzierte auch Cuspert, nachdem er zum Dschihadisten wurde. Sie werden ohne Instrumentalbegleitung aufgenommen, aber häufig mit Hall und Geräuscheffekten versehen. Gesungen werden sie nicht nur in Arabisch, sondern auch in Englisch, Deutsch und anderen Sprachen. Der Kampf-Nadschid Dawlat al-Islam Qamat ("Meine Umma, die Morgendämmerung ist angebrochen") gilt wegen seiner häufigen Verwendung in Propagandavideos als Hymne des Islamischen Staats.
An wen die GEMA für solche Nadschids Geld zahlt, ist unklar. Ausschüttungen an ein Mitglied stoppt sie nach eigenen Angaben, wenn sie "von einem rechtlich bindenden Zahlungsverbot Kenntnis erlangt". Auf die Frage, an wen das nicht ausgezahlte Geld in so einem Fall fließt, nennt die Verwertungsgesellschaft den Insolvenzverwalter als "typischen" Empfänger, weist aber darauf hin, dass "die Verwendung der Gelder […] von der Art des bindenden Zahlungsverbots ab[hänge]".
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