Gerichtsposse zu abgeschobenen Islamisten geht in die nächste Runde
Während das Gericht die tunesische Justiz mit der Rückführungsaufforderung behindert, wurde ein Rechter mangels Beweisen für einen Anschlag freigesprochen. Ein Kommentar
Am Dienstag um 24 Uhr ist ein Ultimatum der besonderen Art abgelaufen. Gestellt wurde es vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Es hat unter Androhung eines Zwangsgelds von 10.000 Euro verlangt, Sami A. bis Dienstagnacht aus Tunesien zurückzuholen. Nun könnte man denken, das Drängen folgt wegen strafrechtlicher Ermittlungen. Die Anwesenheit des Mannes sei wegen möglicher Zeugenaussagen nötig. Möglicherweise könnten Fristen versäumt werden, wenn er nicht zur Verfügung steht. Doch nichts dergleichen.
Gegen Sami A. wurden in den letzten 10 Jahren mehrmals Verfahren wegen seiner islamistischen Tätigkeiten eingeleitet, die aber alle eingestellt wurden (Viel Lärm um Sami A.). Ein Privileg, von dem Linke aus der Türkei oder Kurdistan nur träumen können. Sami A. befand sich in Deutschland so quasi in der Ruhezone, wo ihm strafrechtlich nichts passieren kann. Und das Gelsenkirchener Amtsgericht will mit seiner Rückführungsaufforderung dafür sorgen, dass Deutschland weiterhin ein Rückzugsgebiet für den Islamisten Sami A. bleibt.
Brüskierung der tunesischen Justiz
Dabei ist das Gericht sogar bereit, die Arbeit der für ihn zuständigen tunesischen Justiz massiv zu behindern. Die hat Sami A. nach seiner Abschiebung kurzzeitig in Haft genommen und vernommen. Mittlerweile ist er wieder in Freiheit, darf aber Tunesien nicht verlassen, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Das ist auch in Deutschland ein durchaus übliches Prozedere. Es ist dann auch anzunehmen, dass keine besonders hohe Strafe droht, sonst würde Sami A. nicht freigelassen.
Es gibt auch keinerlei Hinweise, dass ihm in der Zeit der Haft Folter angedroht wurde. Das aber war der ursprüngliche Grund, warum das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht ein Abschiebehindernis sah. Nun hat sich herausgestellt, dass Sami A. nicht gefoltert, sondern bedingt freigelassen wurde und trotzdem geht die Gerichtsposse weiter.
Da muss man sich schon fragen, was die wahren Gründe sind. Denn in der Regel hat die Justiz ein großes Interesse, mit ihren Kollegen in den Herkunftsländern zu kooperieren. Davon können linke türkische und kurdische Angeklagte ein trauriges Lied singen. Da werden im Münchner TKP/ML-Verfahren Aussagen von türkischen Justizbehörden verwendet, obwohl die Anwälte der Angeklagten befürchten, dass sie unter Folter zustande gekommen sein können.
Im Gegensatz zur Türkei ist die tunesische Justiz wesentlich unabhängiger von der Politik Warum also hat ein deutsches Gericht ein so großes Interesse, einen Islamisten einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen und ihn der tunesischen Justiz zu entziehen? Ist es einfach Machtkalkül? Wollen die Richter der Politik zeigen, wer am längeren Hebel sitzt? Oder gibt es im Fall Sami A. besondere Gründe, die ihn für Deutschland so wichtig machen? Hatte er unter Umständen Kontakte zu deutschen Geheimdiensten und befürchtet man, dass er in Tunesien darüber redet? Oder wollen die de deutschen Behörden nur verhindern, dass ihnen ihre tunesischen Kollegen zeigen, wie man gegen einen Islamisten wie Sami A. juristisch vorgehen kann, ohne ihn zu foltern?
Es ist bedauerlich, dass sich kritische Geister in diesen Land diese Frage nicht stellen und sich fast reflexhaft hinter die Justiz stellen. Wenn man aber das viel strapazierte Wort von der Einzelfallprüfung ernst nimmt, dann wird man im Fall von Sami A. feststellen können, dass es sich hier nicht um einen armen rechtlosen Migranten handelt, der bei Nacht und Nebel aus Deutschland deportiert wurde. Es handelt sich um einen tunesischen Staatsbürger, der zum Studieren nach Deutschland kam, sich zum Islamisten entwickelte und in Deutschland über Jahre einen Schutzraum hatte. Es klar, dass er das fortsetzen will. Es ist aber wenig verständlich, warum da ein Gericht so eifrig am Islamistenschutz beteiligt.
Das Elend des Rechtspositivismus
Es ist bedauerlich, dass auch Peter Vonnahme in seinem Telepolis-Beitrag "Die Abschiebung des Sami A. verhöhnt des Rechtsstaat" mit keinen Wort auf diese Fragen einging. Er wiederholt mehrmals, dass eine Abschiebung unterbleiben musste, weil Sami A. Folter drohte. Die Drohung wird nirgends begründet und auch nicht mit seiner tatsächlichen Behandlung in Tunesien in Beziehung gesetzt. Ansonsten verlangt Vonnahme unbedingten Gehorsam vor den Gerichten und bringt es sogar fertig, jeden, der dazu nicht bereit ist, in die rechte Ecke zu stellen.
Keinen Gedanken verschwendet Vonnahme daran, wie es zu rechtfertigen ist, dass Sami A. der für ihn zuständigen tunesischen Justiz entzogen werden soll. Und die Überschrift seines Beitrags könnte man auch abwandeln. Ist nicht auch das Agieren der Gelsenkirchener Verwaltungsrichter eine Verhöhnung der tunesischen Justiz? Müssen deutsche Provinzrichter ihren afrikanischen Kollegen mal wieder eine Lektion in Rechtsstaatlichkeit beibringen? Es ist auf jeden Fall ein neokolonialistisches Gehabe, wenn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und die übergeordnete Münsteraner Justizinstanz bei ihren Insistieren auf Rückholung von Sami A. die Ermittlungen der tunesischen Justiz überhaupt nicht erwähnen, als wäre ihre Tätigkeit ohne Belang. Für das Gericht mag ursprünglich der ausschlaggebende Faktor für seine Entscheidung der Machtkampf mit der deutschen Politik gewesen sein, aber es hätte Zeit gehabt, auf die aktuelle Entwicklung zu reagieren. Konkret hieße das, mit der Justiz in Tunesien Kontakt aufzunehmen.
Es ist nur zu wünschen, dass die tunesische Justiz sich nicht beeinflussen lässt, nach bürgerlich-rechtstaatlichen Grundregeln gegen Sami A. ermittelt, keinerlei Druckmittel gegen ihn anwendet, eine Anklage erhebt, wenn sie genug Beweise hat. Sollte sie diese nicht haben, sollte dann der Fall auch endgültig abgeschlossen werden. Das müsste auch im Interesse von Sami A. sein - und die tunesische Justiz hätte ihren deutschen Kollegen eine Lektion in Rechtsstaatlichkeit erteilt.
Ein Nazi kann sogar mit seinen Taten prahlen und wird freigesprochen
Auch Linke sollten sich bei Gelegenheit wieder einmal daran erinnern, dass die Kritik an der euphemistisch 3. Gewalt titulierte Justiz zu ihren wichtigsten Aufgaben zählt. Bevor sie sich ganz zum Bettvorleger der Liberalen degradiert, sollte sie sich vielleicht vergegenwärtigen, dass die Aufgabe der Justiz die Verteidigung des Staates ist und Rechte jeglicher Couleur dort immer die besseren Karten haben. Daher hatte der islamistische Rechte Sami A. hier auch durch die Justiz quasi einen Schutzraum, wie auch der Neonazi Ralf S., der am vergangenen Mittwoch trotz erdrückender Indizien von dem Vorwurf freigesprochen wurde, für den Bombenanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf Werhahn vor 18 Jahren verantwortlich gewesen zu sein, bei dem überwiegend jüdische Sprachschüler aus Osteuropa verletzt wurden.
Nicht nur Antifaschisten, sondern auch die Polizei verdächtigten den Mann bereits kurz nach dem Anschlag. Seine ehemalige Freundin ist mittlerweile ebenfalls überzeugt, dass er der Täter ist. Bei einem Gefängnisaufenthalt hat S. Mitgefangenen die Tat gestanden. Für die Richter ist das nur Prahlerei. Ja, ein Rechter kann sogar mit seinen Taten prahlen und geht vor einem deutschen Gericht straffrei aus. "Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf im Wehrhahn-Prozess hat mich bestürzt", erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nach dem Urteil.
Es sollte einmal mehr Anlass sein, statt einem Rechtspositivismus zu huldigen, das Agieren der 3. Gewalt viel schärfer zu kritisieren. Eine Justiz, die einem Islamisten in Deutschland anscheinend unter allen Umständen seinen Ruheraum erhalten will und einen Nazi selbst dann aus Mangel an Beweisen freispricht, wenn er mit seiner Tat angibt, hat Kritik wahrlich verdient.