Geschasster Staatssekretär Diamataris: "Ich wollte studieren"

Symbolbild: White77/Pixabay License

Eine "exzellente" reale Glosse

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Die Personalie des ministeriellen Staatssekretärs im Außenministerium, Antonis Diamataris, beschäftigt Griechenland. Nach mehreren surreal komischen Tagen mit nahezu stündlich neu aufgedeckten Ungereimtheiten, trat Diamataris schließlich am Donnerstag zurück.

Wobei es auch über diesen Umstand unterschiedliche Nachrichten gibt. Die Regierung gibt an, sie habe den Rücktritt verlangt, Diamataris hingegen behauptet, die öffentliche Hetze habe ihn in den Rücktritt getrieben. Nachdem der Eigentümer und Verleger der US-Amerikanischen griechischen Zeitung "Ethnikos Kiryx" und der auf griechische Themen spezialisierten Zeitung "The National Herald" in die neue Regierung in Athen berufen wurde, war den meisten Griechen zunächst kaum etwas über ihn bekannt. Premierminister Kyriakos Mitsotakis, nach eigenen Angaben in langjähriger Freundschaft und in einem Verwandtschaftsverhältnis zu Diamataris stehend, hatte ihn für den Posten ausgewählt.

Ein exzellenter Hochschulabsolvent und Unternehmer

Beworben wurde er als exzellenter Hochschulabsolvent und Unternehmer. Mittlerweile ist das einzige, was ein Großteil der Griechen über seinen Lebenslauf glaubt, die Tatsache, dass er mit einer Cousine des Premierministers Kyriakos Mitsotakis vermählt ist. Er verfügt offensichtlich auch über die "rechte" Gesinnung. Schließlich ist sein Presseprodukt 2013 auch mit Werbung für die Militärdiktatur Griechenlands (1967-74) aufgefallen.

Die "Exzellenz" Griechenlands wollte Kyriakos Mitsotakis an die Schaltstellen des Staates bringen. Das zumindest versprach er im Wahlkampf. Aristia heißt das Zauberwort auf Griechisch. Der Wortstamm ist nicht zufällig gleich mit der etymologischen Herkunft der Aristokratie. Im Griechischen hat Aristokratie nicht unbedingt die gleiche Bedeutung wie Monarchie, wie es in der deutschen Umgangssprache oft der Fall ist.

Die Aristokratie, die Herrschaft der Besten, der perfekt Qualifizierten und ohne Ansehen von Herkunft und Parteizugehörigkeit - mit diesem Narrativ beschwor Mitsotakis vor seinem Wahlsieg die Wende für Griechenland.

Dass Wahlversprechen nach den Wahlen nicht unbedingt eingehalten werden, gilt nicht nur für Griechenland. So versicherte Mitsotakis Schwester Dora Bakoyianni im Wahlkampf die höhere Besteuerung fürchtenden Bürger, dass zur Mittelschicht diejenigen gehören würden, die zwischen 30.000 und 70.000 Euro pro Jahr verdienen würden. Das war am 28. Juni, wenige Tage vor den Wahlen.

Am 28.11. verkündete dagegen Christos Staikouras im Rahmen der Lesung des Staatshaushalts, dass für das Finanzministerium der Mittelstand aus den Personen besteht, die zwischen 6.300 und 16.700 Euro pro Jahr verdienen.

Bei Mitsotakis Versprechen zur Personalauswahl konnte man zunächst jedoch auf Erfüllung hoffen. Schließlich amtierte er vom 25. Juni 2013 bis zum 26. Januar 2015 als Minister für Verwaltungsreform und E-Government im Kabinett Samaras, und machte sich mit der Verfolgung falscher Studientitel einen Namen. Er ließ die Studien- und Schulabschlüsse von Angestellten des öffentlichen Dienstes überprüfen.

Dabei wurden unter anderen auch Reinigungsfrauen gefunden, die mangels Schulabschluss, das Zeugnis der letzten Schulklasse des Gymnasiums, der neunten Klasse, fälschten. Sie erwartete die volle Härte des Gesetzes. Erst im vergangenen Jahr hatten Richter ein Einsehen und hoben Verurteilungen zu fünfzehn und mehr Jahren Zuchthaus auf.

Denn nach Ansicht des Gesetzgebers hatten die Reinigungsfrauen illegal gearbeitet, wodurch sie dem Staat einen Schaden von mehr als 100.000 Euro, nämlich in Höhe der erhaltenen Löhne, zufügten. Die verurteilten Reinigungsfrauen verloren sämtliche Sozialversicherungsansprüche und wurden zur Rückzahlung der erhaltenen Gehälter verdonnert.

Der geschönte Lebenslauf eines "Exzellenten"

Die letzten Zweifel daran, dass auch unter Mitsotakis der Nepotismus mehr zählt als die besten Abschlussschlusszeugnisse wurde spätestens bei der Berufung von neuen Krankenhausdirektoren vor knapp zehn Tagen beseitigt. Außer einer Reihe von der Regierungspartei nahe stehenden ehemaligen Militärs und sonstigen fachfremden Personen stach die Ernennung eines achtzigjährigen pensionierten Studienrats zum Krankenhausdirektor in Trikala ins Auge.

Es stellte sich heraus, dass der rüstige Rentner seine medizinischen Kenntnisse mit den Studien von Familienangehörigen belegen wollte. Darüber hinaus trat er nach seinem erzwungenen Rücktritt vom Amt nach. Er erklärte in Live-Sendungen, dass ihm Mitsotakis persönlich das Amt im Gegenzug zu einigen tausend Wählerstimmen versprochen habe.

Dies inspirierte offenbar die Suche nach der Qualifikation sämtlicher von Mitsotakis ins Amt gerufener Personen. Die Journalisten wurden schnell fündig. Denn in der Wahlheimat des ministeriellen Staatssekretärs für Auslandsgriechen, Antonis Diamataras, waren diesem Journalisten des Konkurrenzmediums Kalami bereits auf der Spur.

Sie hatten bei der Columbia University angefragt, ob Diamataras dort tatsächlich, wie in seinem offiziellen Lebenslauf angegeben, einen Mastertitel in Business Administration erworben habe. Die Universität bestätigte, dass Diamataras dort eingeschrieben war, informierte jedoch darüber, dass er ohne Abschluss sein Studium beendet hatte.

Der offizielle Lebenslauf fand sich in griechischer und englischer Sprache auf Internetseiten der Regierung. Bei näherem Hinsehen fielen weitere Ungereimtheiten auf. Im Lebenslauf auf der offiziellen Regierungsseite gab Diamataras an, er sei 1959 auf Limnos geboren und habe 1968 das Land nach Abschluss des Lyzeums, also der griechischen allgemeinen Hochschulreife, in Richtung USA verlassen.

"Deputy Minister for Diaspora Greeks". Screenshot der Regierungswebseite

Das Lyzeum als letzte, dreijährige Sekundarstufe existiert jedoch erst seit Mitte der Siebziger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Vorher durchliefen die Schüler in Griechenland nach sechs Jahren Grundschule ein sechsjähriges Gymnasium.

Die allgemeine Hochschulreife im Alter von neun Jahren

Zudem erscheint es zumindest ungewöhnlich, dass ein Schüler im zarten Alter von neun Jahren die allgemeine Hochschulreife erwirbt. Es wäre bei den zahlreichen, in den letzten Tagen erfolgten Korrekturen des Lebenslaufs ein Leichtes gewesen, auch diesen falschen Eintrag zu korrigieren.

Schließlich stand bis Donnerstag auf der offiziellen Regierungsseite, dass Diamataris 1979, also mit gerade zwanzig Jahren, das Traditionsmedium der Griechen in den USA, den "Ethnikos Kiryx", erworben habe und nur drei Jahre später in Long Island sogar eigene Immobilien für sein Medium erwerben konnte.

Diametral im Widerspruch zum propagierten finanziellen Erfolg Diamataris steht nämlich dessen Ausrede für den nicht existenten Mastertitel. Diamataris gab am Dienstag zu, dass er keinen Titel habe und dass dies unabsichtlich durch eine unglückliche Formulierung des Lebenslaufs so erscheinen könne. Er gab an, dass er sich zwar als Student eingeschrieben hätte, sein Studium auch beenden wollte, aber wegen finanzieller Engpässe die Studiengebühren nicht mehr begleichen konnte.

Für die Regierung war "die Sache damit erledigt", verkündete Regierungssprecher Stelios Petsas beim Briefing für die akkreditierten Journalisten. Schließlich, so Petsas, habe Diamataris klargestellt, dass er als Student eingeschrieben war. Der offizielle griechischsprachige Lebenslauf auf der Internetpräsenz der Regierung wurde entsprechend korrigiert. Es verschwanden der Schulabschluss, das erste Studium am Queens College und es blieb nur die Information darüber, dass Diamataris Vorlesungen an der Columbia University besucht habe.

Murks

Auf die Idee, das falsche Geburtsdatum auf das wahre Datum, 5. April 1950, zu korrigieren kam niemand. Ebenso fand offensichtlich niemand der Verantwortlichen die Zeit, die Internetpräsenz des Außenministeriums entsprechend zu anzupassen. Dort konnte bis zum Donnerstag auf Griechisch und Englisch die alte, aber falsche Erfolgsstory gelesen werden. Weder die Parteien der Opposition, noch die Presse in Griechenland wollten sich mit diesen einfachen Erklärungen und einer Rückkehr zum Tagesgeschäft zufrieden geben.

Es wurde weiter gesucht. Dabei fanden die Journalisten unter den von Diamataris als Mitarbeiter ins Ministerium berufenen Personen einen wegen Untreue unter Anklage stehenden früheren Manager der staatlichen griechischen Waffenindustrie. Auch dies konnte die Treue der übrigen Regierungsmitglieder zu ihrem unter Beschuss stehenden Mitglied nicht erschüttern.

Diamataris zum Verhängnis wurde, dass er außer seinem geschönten Lebenslauf, verfassungswidrig auch noch einer unternehmerischen Tätigkeit nachging. Artikel 81 Absatz 3 der Verfassung bestimmt:

Jede berufliche Tätigkeit von Regierungsmitgliedern, Staatsministern und Präsidenten des Repräsentantenhauses wird für die Dauer der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausgesetzt.

Griechische Verfassung

Hinsichtlich der Auslegung dieses Artikels stellten griechische Gerichte bereits fest, dass auch eine unentgeltliche Tätigkeit verboten ist. Diamataris hatte seine in Griechenland registrierte Tätigkeit als Verleger bereits frühzeitig auf seine Ehefrau übertragen. In den USA ist er in entsprechenden Registern jedoch als Chief Executive Officer der Firma National Herald inc., sowie auf gleichem Posten für sein Immobilienunternehmen Diamataris Properties ltd eingetragen.

Der offiziellen Verlautbarung gemäß rief nach Bekanntwerden dieses Umstands Premier Mitsotakis bei Diamataris an. Er erwischte ihn "mitten im Flug" auf einer mehrtägigen Auslandsreise nach Australien. Mitsotakis verlangte eine Klärung der Vorwürfe und danach den Rücktritt.

In Diamataris Rücktrittsschreiben liest sich das dann so, dass er, Diamataris, schweren Herzens gehen würde, weil er von den Gegnern der Regierung mit einer Reihe von persönlichen Angriffen und Vorwürfen überzogen wurde.

Daran, sich bei irgendjemandem zu entschuldigen, hat Diamataris nicht gedacht.