Golfstaaten: Milliarden für westliche Universitäten

MIT-Campus. Bild: Peter Dandy/CC BY-SA 3.0

"Nahezu jede Abteilung für den Nahen Osten im Westen erhält Geld aus den Golfstaaten." Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind keine uneigennützigen Sponsoren

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Das beliebte Wort "Narrativ" ist schwer fassbar. Man kann es mit "Erzählung" auf Deutsch wiedergeben, etwas spitzzüngiger mit "an einer Legende stricken". Das Letztere betont mehr, dass im Narrativ ein guter Teil Überzeugungsarbeit steckt. Damit werden "Narrative" für die Politik interessant. Deutlich wird der Wert, den man Narrativen im politischen Feld beimisst, beispielsweise an der Analyse der SPD-Existenzkrise, die in den Blättern für deutsche und internationale Politik, zu lesen ist. Dort wird argumentiert, dass es der SPD an einer großen politischen Erzählung fehlt.

Das Beispiel aus der deutschen politischen Debatte wurde erwähnt, um vor Augen zu führen, dass dem "Narrativ", so umstritten seine Wirkungen sein mögen, einiges zugetraut wird. Der Begriff spielt eine Schlüsselrolle in einem Beitrag, den die US-Publikation Lobelog, spezialisiert auf US-Außenpolitik und den Nahen Osten, Mitte dieser Woche veröffentlicht hat. Darin geht es um die sogenannte Soft Power der Golfstaaten, namentlich der zwei bedeutendsten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die sie über Gaben an westliche Universitäten ausüben.

Die Zahlen, die vom Lobelog-Artikel beigebracht werden, sind beachtlich. So heißt es an einer Stelle, dass US-amerikanische Universitäten seit 2012 geschätzt 2,2 Milliarden US-Dollar von Golfstaaten erhalten haben. Der Autor des Lobelog-Beitrags stützt sich dabei auf Informationen der Financial Times vom Dezember letzten Jahres.

2,2 Milliarden US-Dollar sind, selbst auf mehrere Jahre verteilt, eine Menge Geld, das seinen Eindruck bei den Universitäten hinterlässt; die Frage ist, welchen Einfluss dieses Sponsoring hat. Der Financial-Times- Artikel zitiert Leiter von renommierten Universitätsabteilungen, etwa von Harvard, die zur Wachsamkeit raten ("Wir sollten darauf aufpassen, wen wir um Geld bitten und unter welchen Bedingungen wir es akzeptieren"). Ende vergangenen Jahres hatte der Artikel auch einen besonderen Aufhänger.

Geld, wissenschaftiche Freiheit und Kritik

Der britische Doktorand Matthew Hedges war im Mai 2018 im arabischen Emirat Abu Dhabi verhaftet, zu lebenslänglicher Haft verurteilt und schließlich lange Monate in Einzelhaft später, nämlich erst Ende November, aufgrund großer internationaler Empörung und der Vermittlung der britischen Regierung, begnadigt und freigelassen worden. Hedges forschte über ein offenbar heikles Feld: die Sicherheits- und Außenpolitik des Emirats. In Abu Dhabi hielt man ihn für einen Spion. (Zugleich forderte man Hedges nach dessen Angaben unter Folterdrohungen auf, für Abu Dhabi zu spionieren. Er habe dann unter Zwang ein Geständnis abgelegt. Die Verhaftung sei reiner Zufall gewesen.)

Nun ist auf dem geheimdienstlichen Gelände vieles möglich. Und die Angabe, dass das britische Außenministerium lange Zeit keine ausreichenden Versicherungen von höchster Ebene geben konnte, dass Hedges kein Spion sei, wirft eine Reihe gesonderte Fragen auf. Für den erwähnten Bericht der Financial Times sind die Fragen ausschlaggebend, die den akademischen Betrieb in Großbritannien beschäftigten.

Dort schaute man sich laut der britischen Finanzzeitung genauer an, wie das Verhältnis zwischen Menschenrechten und akademischen Freiheiten, für die man einsteht, und den finanziellen, Ausbildung und Forschung betreffenden Beziehungen zu den Golfstaaten genauer beschaffen ist.

Dazu kam der Fall Khashoggi, der im Oktober zuvor durch die Hand von Saudis umgebracht worden war. Der gab ein brutales Zeichen dafür ab, wie Golfstaaten mit Vertretern von nicht staatstragenden, sondern abweichenden Positionen umgehen. Der Umgang mit Kritikern in Saudi-Arabien taugt dazu, den Fall Khashoggi nicht als Einzelfall zu sehen.

Die akademische Komponente als Teil des "(Des-)Informationsnetzwerkes"

In dem eingangs erwähnten Artikel von Lobelog kommt Anthony Glees, Professor für Politik in Buckingham, Spezialität "Sicherheit und Geheimdienstinformationen", zu Wort, der Zahlungen aus Saudi-Arabien an britische Universitäten auflistet. 2008 sollen es insgesamt etwa 190 Millionen Pfund gewesen sein. Oxford alleine habe da 21 Millionen Pfund bekommen, insbesondere die Einrichtungen, die sich mit dem Nahen Osten befassen.

Glees, der sich nach Angaben von Lobelog zwar eingehend mit dem Sponsoring westlicher Universitäten seitens der Golfstaaten befasst haben soll, liefert dazu aber leider keine aktuellen Zahlen, sondern lediglich die Einschätzung, dass die Rolle der Golfstaaten als Financiers wichtiger britischer Universitätseinrichtungen nach dem Brexit noch wichtiger wird. Auch die amerikanischen Elite-Universitäten, Harvard, Yale, Stanford, etc. seien generell gesuchte Adressen für Spenden aus Saudi-Arabien. Vor allem die Abteilungen, die sich mit dem Nahen Osten beschäftigen.

"Nahezu jede Abteilung für den Nahen Osten im Westen erhält Geld aus den Golfstaaten", statuiert der Bericht. Was die Folgen daraus angeht, greift er auf den anfangs erwähnten Begriff des Narrativs zurück. "Da Universitäten im Westen noch abhängiger von der Unterstützung aus Saudi-Arabien und den Emiraten werden, ermöglicht dies den beiden Golfstaaten, ihre 'Narrative" an den Universitäten neu zu gestalten", lautet die These des Lobelog-Berichts.

Zitiert wird ein weiterer Forscher namens Andreas Krieg, der in der Abteilung "Defence Studies" des King's College in London tätig ist. Krieg kommentiert, dass die Vereinigten Arabischen Emirate solche Strategien auch in Think Tanks einsetzen, um ihre "eigenen Narrative" zu verbreiten.

Unterstützt wird das durch eine Studie von Wissenschaftlern des italienischen European University Institute, die deutliche Anzeichen dafür fand, dass die Themen Demokratie und Menschenrechte in britischen Middle East-Studies-Instituten, die kein Geld aus den Golfstaaten bekamen (also gibt es solche Fälle doch auch) eingehender behandelt wurden als in den Universitätsabteilungen mit Nahost-Themen, die Geld von den Golfstaaten bekommen.

Wenn es um Abwendung von Kritik geht und die Unterstützung der Legitimität und Glaubwürdigkeit der "größeren Strategien" beider Länder, so sei der Einfluss deutlich, so der oben genannte Andreas Krieg: "Seit dem Streit über die Vergabe von Lizenzen zum Betreiben von sechs US-Häfen durch Firmen, die in den Emiraten ihren Sitz haben, ist die akademische Komponente Teil des '(Des-)Informationsnetzwerkes' der Vereinigten Arabischen Emirate."

Allerdings, so räumt auch Krieg ein, werde ein beträchtlicher Teil der Golfstaaten-Ausgaben für westliche Universitäten auch in Hinblick auf eine bessere Ausbildung des eigenen Nachwuchses und der eigenen Kapazitäten investiert.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das MIT sich im Jahr 2018 über größere Zuwendungen aus Saudi-Arabien freuen konnte: 25 Millionen US-Dollar im März 2018 von Saudi Aramco und individuelle Gaben von saudischen Milliardären, die sich auf insgesamt 43 Millionen US-Dollar beliefen. Saudi Aramco habe in Forschung zu erneuerbarer Energie investiert und in künstliche Intelligenz (Die Zukunft: Glückliche Kunden von öffentlichen Verkehrsmitteln).

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