"Greenwashing ist ein Ablasshandel für die Reichen"

Seite 2: "Wir haben nicht mal ein Unternehmensstrafrecht"

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Wie verhält sich die Politik zu diesem Konzept?

Kathrin Hartmann: Sie unterstützt es ganz massiv, indem sie zum einen jede Möglichkeit, ordnungspolitisch einzugreifen, beiseite lässt. Die Bundesregierung setzt auf die freiwillige Unternehmensverantwortung und blockiert außerdem das UN Treaty für transnationale Konzerne und andere Unternehmen. Dieses verbindliche Abkommen würde Konzerne zur Einhaltung von Menschenrechten zwingen und außerdem Betroffenen in den Ländern des Südens die Möglichkeit geben, Unternehmen zu verklagen.

Bei Verstößen könnten Konzerne also auch bestraft werden. Bis heute geht das nicht - wir haben ja nicht mal ein Unternehmensstrafrecht. Geschädigte aus den Ländern des Südens können nur mit großem Aufwand und Unterstützung von NGOs juristisch gegen deutsche Firmen vorgehen.

Obwohl seit vielen Jahren belegt ist, dass diese Freiwilligkeit der Unternehmen zu gar keinen Verbesserungen führt, setzt die Politik einzig und allein darauf und zwar egal, ob es die Rohstoffstrategie oder das Textilbündnis ist. Dafür zeigen auch Politiker auf den Verbraucher und erklären ihn verantwortlich. Wie Unternehmen in PR pumpt dann die Regierung große Summen in die sogenannte Verbraucheraufklärung, das ist total absurd.

"Die Industrie hat sämtliche Forderungen verwässert"

Können Sie ein Beispiel geben?

Kathrin Hartmann: Ein Beispiel ist das "Textilbündnis" mit der Bekleidungsindustrie, das der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller ins Leben gerufen hat, nachdem in Bangladesch das Gebäude Rana Plaza eingestürzt war, in dem Textilfabriken untergebracht waren. Mehr als 1100 Menschen sind dabei gestorben. Obwohl die Industrie sämtliche Forderungen darin komplett verwässert hat, verspricht Müller nun für kommendes Jahr das Siegel "Grüner Knopf" , das garantiere, das die Kleidung sozial einwandfrei hergestellt wurde.

Das wird nicht funktionieren. Gerade in der Bekleidungsindustrie ist die freiwillige Unternehmensverantwortung komplett gescheitert. Das belegt die Katastrophe von Rana Plaza. Wenige Monate vor dem Einsturz des Gebäudes kontrollierte der TÜV Rheinland im Auftrag des freiwilligen Industrie-Bündnisses Business Social Compliance Initiative (BSCI) eine der Textilfabriken. Im Prüfbericht tauchten weder die Arbeitsrechtsverletzungen auf noch die Sicherheitsmängel. Die Bauqualität des Gebäudes wurde als gut bezeichnet.

Verschiedene NGOs machten die Prüforganisation mitverantwortlich und reichten bei der OECD Beschwerde gegen den TÜV Rheinland ein. Der wiederum hat die Gespräche vor Kurzem einfach abgebrochen. Ist ja alles nur freiwillig - kein einziges Markenunternehmen, das in den Fabriken herstellen ließ, wurde zur Verantwortung gezogen - und die Bedingungen in den Fabriken haben sich deshalb auch nicht wesentlich verbessert.

"Angeblich 400 Experten"

Sie sprechen sogar von staatlichem Greenwashing. Was meinen Sie damit?

Kathrin Hartmann: Etwa zeitgleich mit der Ankündigung des Textilsiegels bewarb die Bundesregierung ihr Internetportal "Siegelklarheit" mit riesigem Bohai. Angeblich hätten dafür 400 Experten verschiedene Unbedenklichkeitssiegel bewertet, damit sich der sogenannte Verbraucher im "Siegel-Dschungel" zurechtfindet und nicht auf Greenwashing hereinfällt.

Abgesehen davon, dass das eine Bankrotterklärung der Politik ist, die ja jederzeit regulierend eingreifen kann: Ich habe mehr als 40 Seiten Info-Material durchgeblättert, um herauszufinden, wie da was eigentlich wie bewertet wird und stieß auf den bemerkenswerten Satz: "Unsere Analyse beruht ausschließlich auf der Prüfung von Dokumenten. Wir führen keine Vor-Ort-Prüfungen durch. Das heißt, wir können keine Aussagen darüber treffen, welche Wirkungen vor Ort tatsächlich erzielt werden." So empfiehlt denn auch dieses Portal hoch umstrittene Siegel wie eines für "nachhaltige Baumwolle", das selbst gentechnisch verändertes Saatgut erlaubt.

Dieses Portal sieht sich zwar kaum einer wirklich an, die Bewertungskriterien sind aber Grundlage für die öffentliche Beschaffung. Das ist staatliches Greenwashing, denn natürlich hält die Regierung am unternehmensfreundlichen Kurs fest, um weiteres Wachstum zu fördern.

"Eine neue Form von Public Private Partnership"

War hier die politische Situation schon einmal besser?

Kathrin Hartmann: Dadurch, dass die politische Verquickung mit der Industrie so stark zugenommen hat, ist es wider besseren Wissens manifester geworden. Ein Beispiel: Palmöl. Es ist klar, welche Auswirkungen die Gewinnung dieses Rohstoffs hat. Aber lange Zeit setzte die EU unbeirrt auf Biodiesel. Um die verpflichtenden Nachhaltigkeitskriterien einzuhalten, akzeptierte auch sie das umstrittene RSPO-Siegel für nachhaltiges Palmöl.

Damit legitimierte sie gewissermaßen, dass Mitglieder dieser Industrie-Initiative weiterhin illegal Regenwald abholzen und Menschenrechte verletzen. Das wurde dadurch legitimiert, obwohl die Situation eigentlich immer schlimmer geworden ist. Nach jahrelangem intensiven Protest von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen rang sich die EU dazu durch, Palmöl aus Biokraftstoffen zu verbannen - allerdings erst 2030, um das Freihandelsabkommen mit Indonesien nicht zu gefährden.

Auch bei den Vereinten Nationen wächst auf institutioneller Ebene die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie etwa Unilever. Wenn man so will, ist das eine neue Form von Public Private Partnership: Die nachhaltigen Entwicklungsziele wurden unter dem Einfluss von Konzernen entwickelt, die sich jetzt als deren Erfüller gerieren. Auch bei gemeinsamen Projekten mit der UN. Das wird an den Verhältnissen nichts ändern, aber für die Unternehmen trägt das Früchte. Meiner Wahrnehmung nach setzt sich nämlich die Sicht, dass die Unternehmen immer besser werden, mehr und mehr durch.

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