Griechenland bekommt eine Staatspräsidentin
Mitsotakis schlägt eine Richterin für das höchste Staatsamt vor
Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten für die Griechen steht an. Die fünfjährige Amtszeit von Prokopis Pavlopoulos läuft im März ab. Pavlopoulos hätte noch einmal wiedergewählt werden können, doch Premier Kyriakos Mitsotakis entschied sich anders. Es wird, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes, mit der Wahl der obersten Richterin Aikaterini Sakellaropoulou eine Staatspräsidentin geben. Der erste Wahlgang wurde bereits auf den 22. Januar terminiert.
In ihrer bislang einzigen, öffentlichen Reaktion auf die Berufung dankte Sakellaropoulou Premierminister Mitsotakis. Sie kommentierte weiter, "ich glaube, dass mit diesem Vorschlag mittels meiner Person sowohl die Justiz als auch die moderne griechische Frau geehrt wird". Sie nahm die Kandidatur an und verkündete, dass sie ihre richterlichen Pflichten ab sofort ruhen lassen würde.
Ein sicherer Wahlausgang
Die 1956 geborene Richterin wurde von Kyriakos Mitsotakis am Mittwoch in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache ans Volk nominiert. Sie ist auch auf ihrem bisherigen Posten der obersten Richterin des obersten griechischen Verwaltungsgerichts (Staatsrat) die erste Frau im Amt. Ihren Posten dort erhielt sie am 17. Oktober 2018 aufgrund einer Berufung durch die damalige Regierung von Alexis Tsipras. Dieser Umstand macht es für Syriza schwer, die Wahl der eigenen Favoritin für das Amt der obersten Richterin ins höchste Staatsamt abzulehnen.
Ihre Wahl gilt als sicher. Denn seit der jüngsten Verfassungsänderung gibt es keine Parlamentsauflösung nach einem dritten Wahlgang ohne erforderliche Mehrheit. Vielmehr wurden die Mehrheiten und Wahlgänge mit der Verfassungsreform geändert. Im ersten und zweiten Wahlgang sind wie früher 200 Stimmen der 300 Parlamentarier nötig. Auch beim dritten Wahlgang bleibt es bei der alten Regelung, dass ein Kandidat 180 Stimmen benötigt. Vor der Verfassungsreform musste bei einem erfolglosen dritten Wahlgang das Parlament aufgelöst werden.
Zum letzten Mal fand dies im Dezember 2014 statt. Alexis Tsipras löste die Neuwahlen des Januar 2015 aus und gewann. Mit der Verfassungsreform gibt es nun aber weitere Wahlgänge. Im vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit der Parlamentarier, also 151 Stimmen, im fünften und letzten Wahlgang würde ein Staatsoberhaupt mit einfacher, relativer Mehrheit der anwesenden Abgeordneten gewählt.
Eine taktische Abstimmung, auch gegen einen Kandidaten, welcher der eigenen Partei nahesteht, ist somit keine Option mehr für die Opposition. Sakellaropoulou verdankt ihren Aufstieg Alexis Tsipras. Der Parteichef von Syriza kann somit nur schwer gegen eine eigene Auswahl votieren.
Die 1982 als Berichterstatterin für den Staatsrat eingestellte Juristin erhielt 1988 den Rang eines Paredrus. Im Jahr 2000 folgte die weitere Beförderung zum Beirat. Danach gab es eine längere Pause im Karriereaufstieg. Alexis Tsipras berief sie am 23. Oktober 2015 zur Vizepräsidentin des Staatsrats.
Nach Beratungen beschloss Alexis Tsipras, dass seine Partei der Wahl zustimmen wird. Somit hat Sakellaropoulou die Wahl mit den 158 Stimmen der Nea Dimokratia und den 86 Parlamentariern von Syriza sicher, zumal auch die KinAl (PASOK) mit ihren 22 Abgeordneten die Kandidatur positiv beurteilt. Mit nunmehr 266 sicheren Stimmen wird Sakellaropoulou eine überwältigende Mehrheit erhalten.
Tsipras nutzte allerdings die Gelegenheit, um gleichzeitig mit seiner Zustimmung zur Kandidatur Sakellaropoulous Kritik an Mitsotakis zu üben. Er bemängelte, dass Mitsotakis dem bisherigen Amtsinhaber, Prokopis Pavlopoulos, eine weitere Amtszeit verweigert habe, obwohl Pavlopoulos sich in der Krise als exzellenter Staatschef erwiesen habe.
Gegenvorschlag von Varoufakis "Weiß von nichts"
Der frühere griechische Finanzminister und Generalsekretär von MeRA25, Yanis Varoufakis, schlug am Donnerstagnachmittag als Kandidatin seiner Partei Magda Fyssa, die Mutter des 2013 von der Goldenen Morgenröte ermordeten Rappers und Hafenarbeiters Pavlos Fyssas, als Kandidatin für das Amt vor. Allerdings hat Varoufakis bei seinem Vorstoß vergessen, Fyssa vorher zu informieren und zu fragen, ob sie für solch einen Schritt bereit ist. Fyssa selbst bestätigte, dass sie von nichts wusste. Sie lehnt eine Kandidatur ab.
Seitens der beiden weiteren Oppositionsparteien, der Kommunistischen Partei (KKE) und der rechtspopulistischen Griechischen Lösung waren zu diesem Zeitpunkt keine eigenen Kandidaten bekannt. Die KKE bekräftigte in ihrer Stellungnahme die Ablehnung der Kandidatin. Die Griechische Lösung lehnt Sakellaropoulous Kandidatur als "Diktat der Linken" ab.
Wer ist die Richterin?
Die künftige griechische Staatspräsidentin entstammt einer Juristenfamilie. Auch ihr Vater Nikolaos Sakellaropoulos war als Vizepräsident von Griechenlands oberstem Strafgericht, dem Areopag, oberster Richter.
Bereits wenige Minuten nachdem Kyriakos Mitsotakis in seiner Ansprache am Mittwoch, dem 15.1.2020, um 19 Uhr den Namen der Kandidatin bekanntgab, gab es in den Medien erste Porträts der Person. Die entsprechenden Einträge bei der griechischen Ausgabe von Wikipedia wurden bereits kurz vor 19 Uhr geschrieben.
Über das Privatleben der Richterin ist vieles aus ihren eigenen Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken bekannt. Sie präsentiert sich als Katzenliebhaberin, passionierte Amateurfotografin und Liebhaberin architektonisch interessanter Gebäude. Letzteres manifestiert sich auch in ihrer richterlichen Tätigkeit. So bezog sie im Amt Stellung für den Erhalt historischer Bauten wie den gegenüber dem Stadium von Panathinaikos Athen an der Leoforos Alexandras gelegenen "Flüchtlingshäusern".
Einige ihrer richterlichen Stellungnahmen werden, vor allem von Linken, heftig kritisiert. So wischte sie im Januar 2012 die Bedenken der Einwohner von Keratea und Grammatiko gegen eine Mülldeponie in ihrer Nachbarschaft als angeblich haltlos beiseite. Im Juli 2012 schmetterte sie einen Antrag der Bürger von Skouries ab, welche die Übertragung von 400 Hektar Waldgebiet und dessen Rodung durch die umweltpolitisch Goldabbauunternehmen Ellinikos Chrysos stoppen wollten.
Im Februar 2015 erklärte sie die Anschuldigungen der Bevölkerung des Ortes Skouries, die massive Umweltverstöße der Goldabbaufirma anprangerten, als haltlos. Im März 2015 schlug sie den Freispruch des früheren Finanzminister Giorgos Papakonstantinou vor, der wegen Streichung seiner Angehörigen von der so genannten "Lagarde-Liste" mutmaßlicher Steuerbetrüger vor dem Kadi stand.
Im Juli 2019 entschied sie, dass die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für Beamte vollkommen rechtens sei. Schließlich wirft ihr seit Januar 2020 die frühere Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou im Prozess über die Auslieferung ihres Mandanten, des "Mr. Bitcoin", Alexander Vinnik, Rechtsbeugung vor. Konstantopoulou, deren Partei es nicht ins Parlament schaffte, sprach der Präsidentschaftskandidatin daher die notwendige moralische Qualifikation ab.