Griechischer Abhörskandal: Schuld sind immer die Journalisten

Wegen des Abhörskandals muss sich der griechische Premierminister Mitsotakis rechtfertigen. Bild: European People's Party / CC BY 2.0

Die griechische Regierung von Kyriakos Mitsotakis soll Politiker, darunter angeblich auch Regierungsabgeordnete, überwacht haben. Doch Mitsotakis sieht sich als Opfer dunkler Mächte und greift die Medien an.

Die internationale Presse hat den griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis im Visier. So jedenfalls stellt es die griechische Regierung dar. Sein Regierungssprecher Giannis Oikonomou ist sich nicht zu schade, namentlich gegen Journalistinnen und Journalisten vorzugehen, die über den griechischen Abhörskandal berichten.

Dabei verzerrt Oikonomou bewusst Fakten und kann sich sicher sein, dass Teile der griechischen Presse kritiklos seine Statements als Reportagen präsentieren. Mittlerweile gilt Presseberichten zufolge als sicher, dass Mitsotakis Administration auch weitere Politiker, darunter angeblich auch Regierungsabgeordnete, überwachen ließ.

"Politico korrigiert Artikel" – als regierungsamtliche Fake News

Am Mittwoch berichtete die Zeitschrift Politico in ihrer Online-Kolumne "Brussels Playbook" über einen Antwortbrief der griechischen Regierung an die EU-Kommission. Die Kommission hatte sich besorgt gezeigt über die Abhöraffäre und Klärung verlangt. Im geleakten Antwortschreiben steht

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die nationale Sicherheit mit äußerster Sensibilität behandelt werden sollte, würden wir es für klug halten, in Zukunft zu vermeiden, voreilig Veröffentlichungen aus politischen Medien zu unterstützen, die sich nicht immer durch Genauigkeit und Objektivität auszeichnen,

sowie

Ich bin der festen Überzeugung, dass ein solcher erster Schritt konstruktiver und nützlicher wäre, als sich umgehend auf schriftliche Korrespondenz auf der Grundlage von Medienberichten einzulassen, deren Aussagen noch belegt werden müssen.

Der Brief wurde von der Politico-Korrespondentin Nektaria Stamouli zitiert, die ihn offenbar zugespielt bekommen hatte. Im Text steht zudem, den Hintergrund des Briefes zusammenfassend:

Der frühere Leiter der Sicherheitsbehörde Panagiotis Kontoleon trat Anfang dieses Monats zurück, nachdem bekannt wurde, dass die EVP illegal die Telefone des Europaabgeordneten Nikos Androulakis, Vorsitzender der PASOK-Partei, und von Journalisten abgehört hatte.

Darauf angesprochen sprach Regierungssprecher Oikonomou von "ungenauen, irreführenden und voreingenommene Berichten", die von der Opposition befeuert würden. Mit den Worten "diesmal geht es um einen sehr ungenauen Bericht in POLITICO, der von einer Journalistin stammt, die für ihre Beziehungen zu SYRIZA bekannt ist" direkt Stamouli an, die zudem Vorsitzende des Verbandes der Auslandskorrespondenten ist. Stamoulis Chefredakteur Jamil Anderlini stellte sich noch am selben Tag vor seine Korrespondentin und bescheinigte ihr einwandfreie Arbeit. Er habe den Brief selbst auch gelesen, erklärt Anderlini.

In der "Brussels-Playbook"-Kolumne am Donnerstag gab Politico eine weitere Stellungnahme der griechischen Regierung zum Skandal wieder und reagierte darauf mit einer Klarstellung. Wörtlich heißt es:

Playbook freut sich, einen Punkt zur Berichterstattung vom Mittwoch über den Spionageskandal klarzustellen. Die beiden Spitzenmitglieder der Mitsotakis-Regierung mussten Anfang dieses Monats wegen etwas zurücktreten, das Athen als "falsches Vorgehen beim rechtmäßigen Abhören" bezeichnete. Das Abhören des Oppositionsführers wurde gesetzeskonform vom griechischen Sicherheitsdienst EYP durchgeführt. Athen bestreitet jede Beteiligung an der illegalen Abhörung derselben Person mit Predator-Software, die ungefähr zum selben Zeitpunkt stattfand.

Tatsächlich hat die Regierung in Athen die Gesetze so geändert, dass jeder, wie Premier Mitsotakis am Freitag im Parlament zugab, aus "Gründen der nationalen Sicherheit" abgehört werden kann. Über die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelung – bei der keine juristisch nachprüfbare Definition der "Gründe nationaler Sicherheit" vorhanden ist und bei der die Abgehörten keinen Zugang zu Informationen haben, ob, wann und in welchem Umfang sie abgehört werden – gibt es in Griechenland heftige Auseinandersetzungen. Am Freitag soll eine große Aussprache im Parlament stattfinden, wie Politico berichtet.

Für Regierungssprecher Oikonomou rudert Politico im aktuellen Bericht zurück, was er in einem inoffiziellen Brief mitteilte, ohne Hinweis allerdings auf die kontroverse Aussprache. Die Mitteilung wurde, ohne Quellenangabe, dann wortgetreu in regierungsfreundlichen Medien als Nachricht verbreitet. Einige Medien, wie skai.gr, nahmen die Oikonomous-Mitteilung nach anfänglicher Veröffentlichung wieder vom Netz.

Grund genug für Stamoulis Chefredakteur, sich erneut zu Wort zu melden. Anderlini wählte am Samstag seine wöchentliche Kolumne mit Lesetipps als Bühne. In seiner Einleitung beschränkt er sich auf zwei Themen. Er schreibt einen Absatz über den Krieg in der Ukraine und gleich zwei über die Pressefreiheit in Griechenland, die er in ernsthafter Gefahr sieht.

Vor allem sein Satz "da ich den größten Teil meiner journalistischen Laufbahn in einem autoritären (tendenziell totalitären) Staat (China) verbracht habe, kenne ich aus erster Hand die Gefahren und den Druck, denen Journalisten ausgesetzt sind, die es wagen, guten Journalismus zu betreiben" ist ein vernichtendes Urteil über die aktuelle Pressefreiheit in Griechenland.