"Größte Aufrüstung Deutschlands seit Ende des Zweiten Weltkriegs"

Seite 2: 180-Grad-Wende in der Außenpolitik

Eine solche Wende der deutschen Außenpolitik um 180 Grad, mit entsprechend dramatischen Folgen auch für die Innenpolitik – für den Sozialstaat, für Liberalität und Mitmenschlichkeit – ganz ohne breite gesellschaftliche Debatte, ohne parlamentarische, ja sogar ganz ohne innerparteiliche Debatte zu beschließen, wäre ein demokratiepolitischer Skandal.

Zusätzlich zu den bisherigen 49 Milliarden Rüstungsausgaben im Haushalt 2022 sollen noch in diesem Jahr 100 Milliarden als Sondervermögen eingestellt werden, das der Bundeswehr über mehrere Jahre zur Verfügung stehen soll.

Diese Summe entspricht den Ausgaben mehrerer Bundesministerien, darunter so wichtige Ressorts wie

  • Gesundheit (16,03 Mrd.);
  • Bildung und Forschung (19,36 Mrd.);
  • Innen, Bau und Heimat (18,52 Mrd.);
  • Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12,16 Mrd.);
  • Wirtschaft und Energie (9,81 Mrd.);
  • Umwelt (2,7 Mrd.);
  • Zusammenarbeit und Entwicklung (10,8 Mrd.);
  • Ernährung und Landwirtschaft (6,98 Mrd.).

Zukünftig sollen dann dauerhaft zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgegeben werden. Damit würden diese Ausgaben auf deutlich über 70 Milliarden Euro jährlich steigen.

Gleichzeitig will die Bundesregierung an der "Schuldenbremse" festhalten, was langfristig die Frage unserer demokratischen Prioritäten aufwirft und die Gefahr massiver Kürzungen im sozialen, im kulturellen, im öffentlichen Bereich mit sich bringt.

Diese politische Weichenstellung zusätzlich mit einer Grundgesetzverankerung auch für zukünftige Regierungen verpflichtend zu machen, lehnen wir im Namen der Demokratie ab. Nicht Hochrüstung, sondern Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind Auftrag des Grundgesetzes.

Wir fordern statt Entscheidungen, die quasi über Nacht und im kleinsten Kreis getroffen werden, die breite demokratische Diskussion über ein umfassendes Sicherheitskonzept, das die Sicherheit vor militärischen Angriffen genauso einschließt wie pandemische und ökologische Aspekte und dem das Konzept der Einheit von Sicherheit und gemeinsamer Entwicklung zugrunde liegt.

Wir sind konfrontiert mit Krieg und unendlichem Leid, mit Flucht, mit Armut und sozialer Unsicherheit, mit einer globalen Pandemie, die aufgezeigt hat, wie unsere Gesundheitssysteme auf Kante genäht sind, mit einer öffentlichen Infrastruktur, deren jahrzehntelange Vernachlässigung uns heute teuer zu stehen kommt, einer Kulturszene, die auf dem Zahnfleisch geht, und mit einer Klimakatastrophe, die genauso wenig vor Staatsgrenzen Halt macht und immense Investitionen in Zukunftstechnologien und soziale Abfederung erforderlich macht.

Die auf Jahrzehnte geplante Hochrüstung beendet das Sterben in der Ukraine nicht, macht unsere Welt nicht friedlicher und nicht sicherer.

Wir können sie uns im Namen der Zukunft nicht leisten.