Grüne wollen Verfassungsschutz abschaffen
Die Behörde soll durch ein unabhängiges Institut zur Demokratieförderung und eine neue Innenministerium-Abteilung Inlandsaufklärung ersetzt werden
Seit dem Ende des Kalten Krieges gibt es Debatten darüber, inwieweit die deutschen Verfassungsschutzämter in Form und Umfang noch zeitgemäß sind. Die NSU-Affäre hat diese Debatten seit dem letzten Jahr wesentlich befeuert. Mittlerweile hegt man bis in die Mitte der Gesellschaft hinein den Verdacht, dass sich die Behörde zu einem Staat im Staate entwickelt haben könnte, die sich nur sehr bedingt kontrollieren lässt und selbst zu einer Gefahr für die Demokratie geworden sei oder werden könnte.
Die Grünen-Bundestagsfraktion hat nun einen Beschluss gefasst, der vorsieht, die Verfassungsschutzämter wegen ihres Versagens bei der Aufklärung über Neonazis und angesichts eines "gravierenden Kontrollproblems" aufzulösen. Dieses Kontrollproblem manifestierte sich den Grünen zufolge unter anderem an "vielfältigen Vertuschungsmanövern" wie dem ungenehmigten Löschen von Akten. Diese Manöver weisen nach Ansicht der Partei nicht nur auf ein fehlendes "Bewusstsein der Notwendigkeit einer externen Kontrolle", sondern auch auf einen Mangel an "Respekt gegenüber der Untersuchungsarbeit im Bundestag bzw. in den Landtagen" hin.
Die Aufgaben des Verfassungsschutzes sollen nach einem "institutionellen Neustart" ein unabhängiges "Institut Demokratieförderung" und eine neue Innenministeriums-Abteilung Inlandsaufklärung übernehmen.
Das Institut Demokratieförderung soll weder über hoheitliche Befugnisse verfügen noch nachrichtendienstliche Mittel einsetzen dürfen. Stattdessen sollen seine Mitarbeiter Websites oder Bücher auswerten, an öffentlich zugänglichen Veranstaltungen teilnehmen und Befragungen durchführen. Die Institutsleitung soll zwar vom Bundestag gewählt, aber "partei- und regierungsabhängig besetzt" werden. Die Aufgabe des Instituts besteht dem Fraktionsbeschluss zufolge aus der "Beobachtung und Analyse von Strukturen und Zusammenhängen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland" und von Bestrebungen, die sich gegen das "friedliche Zusammenleben der Völker" richten. Erkenntnisse dazu will man nicht nur den Parlamenten, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Für die Abteilung Inlandsaufklärung, die sehr viel kleiner sein soll als der bisherige Verfassungsschutz, wünschen sich die Grünen "nicht nur auf Leitungsebene" einen "personellen Neustart", wobei sie einschränken, dass dies "aufgrund beamtenrechtlicher Vorgaben […] nur sukzessiv möglich sein" werde. Allerdings hat man bereits bei der Privatisierung der Telekom massenhaft Beamte zum Nichtstun abgestellt, was bei entsprechendem politischen Willen auch in anderen Bereichen möglich wäre. In jedem Fall vollständig austauschen will man aber die Beamten im höheren und gehobenen Dienst, die jetzt für den Bereich Rechtsextremismus zuständig sind.
Die Zuständigkeit der Abteilung Inlandsaufklärung soll sich auf die "Anwendung von Gewalt", den "Aufbau von auf Gewalt ausgerichtete Handlungsstrukturen", die "fortgesetzte Unterstützung gewalttätiger Akteure" und die "Suche nach Kontakt zu diesen" beschränken. Die letzten der beiden Zuständigkeiten sind unbestimmt genug formuliert, um halbwegs geschickten Beamten überall dort den Einsatz zu ermöglichen, wo sie gerade tätig werden wollen. Die Inlandsaufklärung soll (in eingeschränktem Umfang) auch V-Leute einsetzen und deren Propagandadelikte gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zurückhalten dürfen. Lediglich für schwerere Straftaten und Informationen zu deren Planung soll es eine Meldepflicht geben.
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