Grüner Wasserstoff für den Klimaschutz: Warum die Bundesregierung mehr tun muss

Grüner Wasserstoff sei eine riskante politische Wette, zeigen deutsche Klimaforscher in einer aktuellen Studie. Ohne ein beherztes Eingreifen des Staates wird der Ausbau der notwendigen Infrastruktur nicht rechtzeitig gelingen.

Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Land gilt grüner Wasserstoff als großer Hoffnungsträger. Er kann Kohle, Öl und Gas in der Industrie und fossile Treibstoffe im Verkehr ersetzen. Doch auf absehbare Zeit wird er kaum eine Rolle spielen, wie eine aktuelle Studie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nahelegt.

Die Forscher gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff im Jahr 2035 wohl weltweit weniger als ein Prozent der Endenergie liefern wird. Die Europäische Union könnte diese Marke schon im Jahr 2030 erreichen.

Allein Deutschland benötigt enorme Mengen: Die Bundesregierung rechnet mit einem Bedarf von 90 bis 110 Terawattstunden (TWh) bis 2030. Doch das würde nur einen kleinen Teil des Energiehungers decken, der momentan bei etwa 2.500 TWh pro Jahr liegt.

Selbst wenn das Ein-Prozent-Ziel erreicht werden sollte, wird der EU-Plan voraussichtlich verfehlt werden, zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff "made in Europe" zu liefern. Diese Menge entspricht einem Energiegehalt von etwa 333 TWh.

Erreicht werden könnte das Ziel, wenn die Regierungen ein Wachstum förderten, so die PIK-Forscher, "das für Energietechnologien beispiellos ist". In einer Erklärung des PIK heißt dazu:

Die Geschichte zeigt jedoch, dass notfallähnliche politische Maßnahmen zu wesentlich höheren Wachstumsraten führen könnten, was den Durchbruch beschleunigen und die Wahrscheinlichkeit der künftigen Verfügbarkeit von Wasserstoff erhöhen würde.

Gehen die Regierungen aber nicht diesen Weg, dauert es entsprechend länger. Dann würde es wohl bis 2040 dauern, bis ein höherer Anteil grünen Wasserstoffs an der Energieversorgung wahrscheinlich wäre. Die Forscher betonen aber, dass große Unsicherheiten bestünden, welche heutige Investitionsrisiken erhöhten.

Die Studienautoren plädieren dafür, dass in der Debatte und in der Forschung über Wasserstoff der Fokus anders gesetzt wird. Bisher hätte man vorrangig darauf geschaut, in welchen Bereichen man Wasserstoff einsetzen könne.

Aber bisher hat noch keine Studie mit Blick auf das Angebot von Wasserstoff den Engpass möglicher Ausbaupfade für die Elektrolyse analysiert - eine noch junge Technologie, die rasche Innovation und Verbreitung erfahren muss, um ihr Potenzial für den Klimaschutz zu entfalten.

Adrian Odenweller, Leitautor der PIK-Studie

Demnach sollte die Herstellung von Wasserstoff stärker in den Blick genommen werden. Denn bis zum Jahr 2050 müsste die weltweite Kapazität für die Elektrolyse deutlich wachsen. Die Rede ist dabei von einem Faktor zwischen 6.000 bis 8.000, "um zu Klimaneutralitätsszenarien beizutragen, die mit dem Pariser Abkommen vereinbar sind".

Eine enorme Herausforderung, deren Erfolg keineswegs sicher ist.

Selbst wenn die Elektrolysekapazitäten in Zukunft so schnell wachsen würde wie in der Vergangenheit Wind- und Solarenergie, gibt es deutliche Hinweise auf kurzfristige Knappheiten und eine langfristige Unsicherheit bei der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff. Beides hemmt Investitionen in Infrastruktur und Anwendungstechnologien, was das Potenzial von grünem Wasserstoff verringert und die Klimaziele gefährdet.

Falko Ueckerdt, Co-Autor der PIK-Studie

Grüner Wasserstoff werde dadurch zu einer riskanten politischen Wette, so Ueckerdt. "Notfallähnliche" Maßnahmen könnten aber zu höheren Wachstumsraten führen und den Durchbruch der Wasserstofftechnologien beschleunigen. Mit anderen Worten: Der Staat muss massiv investieren und koordinieren, wie er es unter anderem in Kriegszeiten bei der Entwicklung von Schiffen und Flugzeugen tut.

Gunnar Luderer, ebenfalls Co-Autor der Studie, warnte Politiker davor, dass das Potenzial von grünem Wasserstoff von vielen Akteuren überschätzt werden könnte.

Selbst bei einer günstigen Entwicklung in absehbarer Zukunft wird das Wasserstoffangebot viel zu knapp sein, um die Nutzung fossiler Brennstoffe in wirklich großem Umfang zu ersetzen.

Es sollten Anreize geschaffen werden, damit grüner Wasserstoff primär in den Bereichen eingesetzt wird, in denen es keine Alternativen gibt, etwa in der Stahlindustrie. Bei der Mobilität oder in der Wärmeversorgung sollte die Elektrifizierung Vorrang haben.

Wasserstoff dürfe nicht als Vorwand dienen, die Einführung leicht verfügbarer, sauberer Optionen zu verzögern. Es müssten "sämtliche wichtigen kohlenstofffreien Technologien gleichzeitig und mit voller Kraft" eingesetzt werden, sagte Luderer.

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