Grüße an die Achse des Bösen
Der Besuch des FPÖ-Politikers Jörg Haider bei Irak-Diktator Saddam Hussein empört zahlreiche österreichische Bürger und löst Proteste der USA aus
"Haider überbrachte dem Präsidenten die Grüße des österreichischen Volkes und der Freiheitlichen Partei wie auch deren Solidarität mit dem Volk vom Irak und seiner weisen Führung", berichtete die irakische Nachrichtenagentur INA über den Besuch des ehemaligen Chefs der Regierungspartei FPÖ im Irak. Mehr brauchte es nicht, um ein mittleres Erdbeben in diversen Internetforen des Alpenstaates auszulösen.
Der Kärntner Landeshauptmann war vergangenen Dienstag von Saddam Hussein höchstpersönlich empfangen worden. Das irakische Fernsehen zeigte die beiden beim staatsmännischen Plausch als Aufmacher für die Abendnachrichten. Haider selbst - inzwischen wieder nach Österreich zurückgekehrt - erklärte, seine Reise hätte primär "humanitären Charakter" gehabt. "Durch freiwillige Spenden konnte Jörg Haider, der selbst Mitglied der österreichisch-irakischen Gesellschaft ist, eine größere Hilfslieferung für leukämiekranke Kinder sicherstellen, mit der medizinische Geräte für Blutkonserven und die erforderlichen Mittel für eine Blutbank in den Irak transportiert werden konnten", heißt es in einer Presseaussendung der FPÖ.
Dass von dieser Aktion bis dato keine Bilder in den westlichen Medien auftauchten, sondern ausschließlich vom Treffen mit Hussein, lassen die These vom "Privatbesuch" (Kommentar des österreichischen Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin) unglaubwürdig erscheinen. Jörg Haider, immerhin auch Mitglied des Koalitionsausschusses der österreichischen Regierung, ist politisch ausreichend erfahren. Er musste damit rechnen, dass Hussein einen Besuch zum jetzigen Zeitpunkt propagandistisch ausschlachten würde. Nach Beginn des Krieges in Afghanistan wurde der Irak immer wieder als mögliches nächstes Angriffsziel der USA genannt. Präsident Bush zählt den Irak zur "Achse des Bösen". Man muss in dieser Frage nicht einer Meinung mit Bush sein, um den Haider-Besuch bedenklich zu finden. Schließlich sperrt der Irak nach wie vor die UNO-Waffeninspektoren aus. Das Regime wird verdächtigt, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen zu produzieren.
Die Reaktionen auf die Haider-Reise fielen dementsprechend heftig aus. Die Sozialdemokraten sprachen von einem "Ego-Trip", die Grünen bezeichneten Haider als "komplett durchgeknallt". Auch der Koalitionspartner ÖVP bezeichnete den Haider-Auftritt im Irak inzwischen als verzichtbar. Für Empörung in der Bevölkerung sorgten Berichte über die offiziellen Grüße vom österreichischen Volk, die Haider überbracht haben soll. Die Internet-Foren schwappen regelrecht über vor Unmutsbekundungen. Hier eine Kostprobe von der stark frequentierten Website des wirtschaftsliberalen Standards:
"Der liebe Herr Haider, der wieder mal glaubt, er könne im Namen des gesamten österreichischen Volkes' sprechen, drückt auch noch unsere' Solidarität mit der weisen Führung des Irak aus. Eine Frechheit! - Was sagt Bundeskanzler Schüssel, der ja als Teil dieses Volkes ebenso solidarisch ist, dazu? Nix. Dafür begrüßt aber sein Außenministerium allfällige lösungsorientierte Gespräche' Wann hat dieser Wahnsinn endlich ein Ende?!?!" (Rene Berger im Forum derstandard.at)
Der ehemalige FPÖ-Chef dementierte inzwischen die INA-Berichte. Er habe lediglich von einer "Solidarität des österreichischen Volkes mit dem irakischen Volk" gesprochen. Außerdem wusste er davon zu berichten, dass "die irakische Regierung bereit sei, UNO-Waffeninspektoren wieder ins Land zu lassen". Das Gespräch mit Hussein kreiste zudem um den "Kampf gegen den Terror", so Haider. Dahingegen hatte die Nachrichtenagentur INA gemeldet, man hätte über die "Verschwörung des Zionismus und der USA" gesprochen.
Zionistische Verschwörung oder d'accord mit Joschka Fischer?
Zur Verteidigung seiner Reise wusste Haider sehr geschickt europäische Bedenken gegenüber der amerikanischen Konstruktion der "Achse des Bösen" zu nutzen. Sogar Joschka Fischer musste dafür herhalten: "Der Kärntner Landeshauptmann sieht sich im Übrigen mit dem deutschen Außenminister Joschka Fischer auf einer Linie, der ebenfalls Amerika davor warnt, einen Krieg gegen den Irak anzuzetteln. Die Solidarität mit den Amerikanern im Kampf gegen den Terror sei selbstverständlich, doch dürfe daraus keine Blankoermächtigung werden, um alte Rechnungen zu begleichen. Aus dem Kampf gegen den Terror dürften weder neue Feindbilder aufgebaut noch Freischeine für Rüstungspolitik gemacht werden. ", berichtet der Freiheitliche Pressedienst.
Eine harsche Reaktion der USA auf den Alleingang Haiders kam postwendend. Das sei ein "Schlag ins Gesicht der zivilisierten Welt", wird ein US-Regierungssprecher zitiert. Sie würde Hussein nur in seiner unnachgiebigen Haltung in der Waffeninspektoren-Frage bestärken. Dem österreichischen Fernsehen zufolge, will die USA jetzt auch prüfen, ob das Verhalten Haiders gegen die UN-Sanktionen verstoße. Die UNO-Maßnahmen, die in ein umfassendes Wirtschaftsembargo mündeten, waren ursprünglich eine Reaktion auf den Einmarsch des Irak in Kuwait 1990. Bereits zwei Jahre zuvor hatte das Regime in Bagdad weltweite Empörung ausgelöst, als Zehntausende Kurden im August 1988 vor verheerenden Giftgas-Angriffen der irakischen Armee auf kurdische Dörfer im eigenen Land fliehen mussten.
In dem Länderbericht 2001 wies Amnesty International erneut auf gravierende Menschenrechtsverletzungen im Irak hin, denen Oppositionelle, Kurden und auch Frauen ausgesetzt sind:
Zu den Methoden der Folter gehören neben Schlägen und Elektroschocks auch das Ausstechen der Augen. In vielen Fällen wurden den Opfern auch Verbrennungen durch brennende Zigaretten beigebracht, die auf dem Körper ausgedrückt wurden. Zeugen berichten auch davon, dass ihnen Fingernägel gezogen wurden oder ihre Hände von elektrischen Bohrern durchbohrt wurden. Auch sexualisierte Gewalt gehört zum Repertoire der Folterer im Irak. Das reicht von der Drohung mit Vergewaltigung bis hin zur analen Vergewaltigung mit Gegenständen. Darüber hinaus werden im Irak Körperstrafen wie Amputationen von Händen oder Füßen, das Abschneiden der Ohren oder die Brandmarkung der Stirn verhängt.
Amnesty International August 2001