Grundsätzliches zu Rassismus und Polizeigewalt in den USA
Seite 3: ... und durch ihre schwarzen Opfer
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Schwarze US-Unterschichtler sind leider ebenfalls weitgehend davon überzeugt, dass die (diskriminierungs)freie Rechts- und Eigentumsordnung der USA ein Angebot zur Verwirklichung auch ihrer Interessen darstellen müsste. Da sie aber in Wirklichkeit überdurchschnittlich oft zu den sozioökonomischen Verlierern gehören und in der Folge überproportional häufig im Gefängnis sitzen, deuten sie ihre Lage fälschlich als Folge von ungerechtfertigter Diskriminierung (und werden in dieser Sicht von Soziologen bestärkt).
Vom US-Staat und der US-Gesellschaft sehen sie sich insofern rechtlich, institutionell und moralisch ungerecht behandelt und betrogen; sind entsprechend beleidigt und tragen diese Mischung in Form eines eigenen Stolzes und Rechtsbewusstseins vor, das die ohnehin kaum vermeidbaren Rechtsbrüche mit dem guten Gewissen der ausgleichenden Gerechtigkeit begeht. Der Mut der Jugend tut das übrige. In der permanenten Verdächtigung durch die Polizei und andere Teile der bürgerlichen Ordnung finden sie schließlich die Bestätigung für ihre (falsche) Vorstellung, dass es das System (grundlos) auf sie abgesehen hat.
Freiheit, Gleichheit und Eigentum!
Der - wie oben gezeigt - unvermeidliche Konflikt zwischen US-Polizei und schwarzer Unterschicht erscheint beiden Seiten als etwas anderes: Beide Seiten gehen fälschlich davon aus, dass mit der Verwirklichung der bürgerlichen Grundrechte der Erfolg aller Mitglieder der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft gewährleistet sein müsste.
Dieser unerschütterliche Glaube an die Glück bringende Wirkung der bürgerlichen Freiheit eint die Kontrahenten. Beide Seiten berufen sich auf Verfassung und Menschenrechte und wähnen sich als deren tatsächliche Verteidiger. Ihre Kollisionen nehmen beide Seiten daher als unnötige, was ihre Wut auf die jeweils andere Seite nur weiter steigert.
Allerdings sind Polizisten mit ganz anderen Mitteln ausgestattet, gegen schwarze US-Amerikaner auf der Grundlage ihres beruflich bedingten rassistischen Feindbilds vorzugehen. Im Zweifelsfall dürfen sie zudem auf den Schutz einer Justiz hoffen, die im Rechtsbewusstsein und der Gewaltbereitschaft der Polizei eine unverzichtbare Säule der Staats- und Eigentumsordnung erkennt, die nicht durch harte Verurteilungen wegen unverhältnismäßiger Gewaltanwendung oder rassistischer Morde erschüttert werden soll.
Es ist insofern kein postkoloniales Relikt, welches das harmonische, menschenrechtlich fundierte Miteinander von Schwarz und Weiß stört. Es ist vielmehr die den Menschenrechten zu Grunde liegende, demokratische Rechtsordnung erwerbsbürgerlicher Freiheit, staatsbürgerlicher Gleichheit und der ausschließenden Verfügungsgewalt über die gesellschaftlichen Produktionsmittel als Eigentum selbst, die - neben den wenigen nutznießenden Eigentümern des gesellschaftlichen Reichtums - die große Masse der Lohnabhängigen und als deren unvermeidlichen Teil auch noch die "Überflüssigen" hervorbringt.
Die Wirkmächtigkeit der Geschichte, des Kolonialismus, der Sklaverei und Apartheid besteht darin, die ethnische Zusammensetzung dieser Unterschicht zu beeinflussen, indem durch die vordemokratische Zurichtung die Schwarzen mit den schlechtesten Ausgangsbedingungen in die bürgerliche Konkurrenz eintreten mussten.
Sowohl für die materielle Lage der Afroamerikaner als auch für den US-Rassismus ist also die gegenwärtige Rechtsordnung und Wirtschaftsweise verantwortlich. Schwarze in den USA können sich im Kampf gegen ihre materielle Lage, gegen Polizeigewalt und Verachtung nicht auf die Verfassungswerte berufen. Soll sich ihre Lage ändern, so müssen sie (wieder) zum bewussten Kampf gegen die politische Verfassung und wirtschaftliche Ordnung ihrer Staatsmacht übergehen.
Arian Schiffer-Nasserie ist Professor für Politikwissenschaft an der Evangelischen Hochschule in Bochum. Schwerpunkte: Sozial- und Migrationspolitik sowie Rassismusforschung. Forschungsprinzip: Nachdenken über - nicht für den Staat.
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