Guerilla-Shooter der Paramilitärs

Die Realität wird zum Spiel: kolumbianische Paramilitärs geben auf ihrer Homepage Rebellen zum Abschuss frei

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Das alltägliche Grauen des kolumbianischen Konflikts mit seinen vielen Massakern reicht offenbar nicht aus. Um sich die Zeit zu vertreiben, bieten die Paramilitärs seit geraumer Zeit ihren Anhängern zwei Computerspiele an, bei denen virtuell haufenweise Guerilleros abgeknallt werden dürfen.

Auf der Homepage wird der Besucher zum Schreibtischtäter. Um sich über die ACCU, einer Unterabteilung der so genannten "Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens" AUC , zu informieren, stehen Kommuniqués, Geschichtsüberblicke und der Werdegang der Guerilla - natürlich aus Sicht der rechten Paramilitärs - zur Verfügung.

Wem das allerdings zu anstrengend ist, kann sich "amüsieren". Unter dem Link "Diviertase" findet der Besucher zwei Spiele zur Auswahl, bei denen man sich gegen die Rebellen virtuell austoben darf. Man findet sich als einsamer Verteidiger einer Polizeistation in dem Ort Aguas Blancas wieder, das gegen einen Angriff der FARC und ELN verteidigt werden soll. Wörtlich heißt es:

"Die Polizeistation steht kurz vor der Zerstörung mit Gasflaschenbomben durch die Drogenterroristen. Deine Mission ist es, dies zu verhindern und möglichst viele dieser herzlosen Delinquenten zu töten."

Bei Spielbeginn fliegt eine Bombe quer durch das Bild, dann erscheinen die ersten Guerilleros. Sogleich kann die Ballerei einsetzen. Blut spritzend fällt ein Guerillero nach dem anderen, dem Computerschützen kommen Sanitätspakete und "paramilitärische Schutzschilder" zur Hilfe, um ein vorzeitiges Sterben zu verhindern. Wenn es dann doch soweit ist, bedankt sich das Spiel für die getöteten Rebellen und für die Hilfe zu einem befreiten Kolumbien.

Wie pervers dieses Spiel die Realität streift, wurde erst Anfang Mai deutlich. Bei Kämpfen zwischen Rebellen und Paramilitärs in der nordwestkolumbianischen Region Chocò - dem Aktionsgebiet der ACCU - starben über 120 Menschen. Eine Gasflaschenbombe der Guerilla tötete dort 117 Zivilisten, die in einer Kirche Schutz gesucht hatten. Wer von ihnen versuchte hinauszukommen, wurde von den Paramilitärs erschossen, die die Bewohner als menschliche Schutzschilde gegen den Rebellenangriff missbrauchten. Netterweise haben die Paramilitärs in ihrem Spiel auf Zivilisten, die das Schussfeld kreuzen, verzichtet. Zu groß wäre wohl die Versuchung ihrer virtuellen Schützen gewesen, diese zu massakrieren. Dafür hält sowieso die Realität her. Fast täglich verüben paramilitärische Gruppen in dem südamerikanischen Land Massaker.

Wem diese Spielversion zu blutig ist, kann sich in der zweiten Version wie auf dem Jahrmarkt fühlen. Auf einem Laufband huschen die Köpfe der FARC-Kommandanten über das Bild. Lässt man drei ungeschoren davonkommen, hat man verloren.

Relaxen darf der Para-Anhänger dagegen bei der Cartoonromanze "FARC-Man und Elena". In drei Kapiteln gibt es einen animierten Film über Entführungen und Wasservergiftungen der Guerilla, bezogen auf die Verschleppung von zwölf Regionalabgeordneten in der Millionenstadt Cali im April und dem vorgeworfenen Sabotageversuch der hauptstädtischen Trinkwasserversorgung im Februar. Hauptdarsteller sind ein schweinsartiger FARC-Guerillero, welcher mit seinem traditionellen Schulterhandtuch FARC-Chef Manuel Marulanda darzustellen versucht, sowie eine Totenkopf-Elena.

Der Entführungscartoon beginnt in einem Party-Zelt, an der Wand hängt ein Bild des venezolanischen Präsidenten Hugo Chàvez, welchem die Paramilitärs in der jüngsten Vergangenheit mehrfach gedroht haben, den Krieg auf sein Land auszuweiten. Sie werfen ihm vor, die kolumbianische Guerilla zu unterstützen. Mit Musik untermalt fahren die beiden Cartoons in einem Bus zum Regionalparlament von Cali, verschleppen die Abgeordneten und fahren an untätigen Beamten des Geheimdienstes DAS vorbei. Wie zum Hohn liefern die Paras zum Filmende die Moral der Geschichte, die sich auf die Genfer Menschenrechtskonvention stützt: "Laut dem Artikel 39 der Genfer Konvention ist es verboten, Uniform, Emblem, Zeichen oder Fahne des Gegners während eines Angriffes zu tragen, oder damit militärische Aktionen zu erleichtern, schützen oder zu verheimlichen."

Die Paras, dafür bekannt, selbst täglich die Armeeuniform mit dem Paralook zu wechseln, kennen sich offenbar aus. Wer überzeugt von ihnen ist, kann sich demnächst über ihre Homepage auch ein ACCU-T-Shirt bestellen. Aber Vorsicht, das gibt es derzeit nur in weiß. Macht sich nicht gut bei Massakern mit den Flecken ...