Häppchen-Spaß

Es kommen immer mehr Minigames auf den Markt - "voll" der Trend?

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Minigames-Sammlungen wie "Eye Toy" oder die neuen Titel für Nintendos Konsole Wii haben derzeit Hochkonjunktur. Denn wer nur mal zwischendurch zocken will oder Freunde zu seinem Geburtstag einlädt, ist mit Produkten voller kleiner Spielchen auf der sicheren Seite.

Als Sony Computer Entertainment anno 2003 "Eye Toy" veröffentlichte, war die Freude groß: Plötzlich war man mittendrin - im Geschehen auf dem Bildschirm. Da musste man sich in etlichen Minigames beweisen, etwa Putzschaum von einer Fensterscheibe wischen oder vorgegebene Bewegungen einer Tänzerin nachmachen. Und es kam zum Erfolg, den die Entwickler angestrebt hatten. Das kann auch Nintendo von sich sagen.

Optisch mittendrin, aber leider ohne direkte Gefühlsbindung: Die "Eye Toy"-Minispiele bleiben hinter dem Wii-Erlebnis zurück. Foto: SCED

Denn Nintendos Konsole Wii hat sich gleich bei der Markteinführung extrem gut verkauft. Schließlich wollten es alle spüren, das neue Gefühl in der Hand. Dass die Wii so viele Menschen reizt, hängt aber nicht nur mit den neuen Steuerungsoptionen via Bewegungssensor und Bluetooth zusammen, sondern muss auch in Beziehung zur mobilen Plattform DS gesehen werden.

Kam zum Beispiel 2004 mit "Wario Ware: Touched!" eine der besten Minigames-Sammlungen für den DS heraus, so führen die Japaner dies nun mit "Wario Ware: Smooth Moves" auf der Wii fort. In beiden Fällen muss der Spieler innerhalb weniger Sekunden diverse Aufgaben absolvieren. Entsprechend schnell ist also zu reagieren.

Eine der 200 Aufgaben in "Wario Ware: Smooth Moves": Obwohl die Oma etwas essen möchte, wozu ihr der Spieler ihr Gebiss einsetzen soll, läuft sie von links nach rechts. Foto: Nintendo

Einige Beispiele der insgesamt 200 Herausforderungen aus "Smooth Moves" sollen einen Eindruck vermitteln: Man muss einen Schmetterball beim Volleyball parieren, einer Oma ihr Gebiss einsetzen, eine Frau vorm Absturz eines Hochhauses retten, mit einem Elefantenrüssel einen Apfel pflücken und in einen Korb ablegen, einen Ballon aufblasen und zum Platzen bringen, und vieles mehr.

Wird die Boss-Herausforderung am Ende besiegt, wird eine neue Kurzgeschichte freigeschaltet, die sozusagen als Rahmen dient. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass die Spielchen einem dann auch völlig neu vorkommen. Oftmals werden sie nämlich wiederholt, sind aber bei fortgeschrittenem Spiel naturgemäß schwerer zu bewältigen. Besonders heikel: Einmal muss ein Auto über eine kurvenreiche Strecke gesteuert werden, ohne dabei jedoch die Geschwindigkeit kontrollieren zu können...

Hat man Gefallen an den "Smooth Moves" sowie an den anderen Sammlungen wie "Wii Sports" oder "Wi Play" gefunden und legt dann wieder eine "Eye Toy"-Version wie "Sports" in die PlayStation2, wird einem rasch bewusst, wie schnell Sonys Ansatz seinen Reiz verliert. Man sieht sich selbst zwar auf der Glotze agieren, doch das Ganze bleibt gefühllos. Mal schauen, vielleicht verhält es sich mit den Wii-Minigames ja irgendwann genauso. Von "Wario Ware: Touched!" kann man das bis dato allerdings nicht sagen.

In diesem "KAZooK"-Minispiel erhält der Spieler dafür Punkte, mit wie viel Power der Musiker seine Gitarre zerschlägt. Dabei ähnelt die Steuerung dem Umgang mit einem alten Joystick. Foto: Xplosiv

Selbstverständlich gibt es weitere Minigames-Sammlungen. Vor Weihnachten erschien mit "KAZooK" ein Titel für die PlayStation Portable, der genau das richtige Zocker-Futter für die fade Zeit in Bus und Bahn ist. Mal müssen via Traktorstrahl ahnungslose Bürger an Bord einer fliegenden Untertasse gebracht, mal eine süße Oma mit Waffengewalt vor Zombies gerettet oder mal verbale Frechheiten von nervigen Talkshowgästen zensiert werden. Anfangs stehen erst sechs der insgesamt dreißig Spiele zur Verfügung. Man schaltet den Rest sukzessive frei, indem man sein Können beweist und Punkte ergattert. Bei den "Wario Ware"-Spielen ist das nicht anders. Nun könnten wir Minigames als neuen Trend deklarieren. Oder wir lassen es. Tatsächlich ist die Entwicklung, dass immer mehr Titel dieser Art auf den Markt kommen, nichts anderes als der Versuch eines Industriezweigs, sich neue Zielgruppen zu erschließen; kurzum: Menschen jeden Alters zu Kasse zu bieten. Dass das funktioniert, hat Nintendo mit dem Verkaufserfolg von "Gehirn-Jogging" bewiesen. Sony hat dagegen mit den "SingStar"-Editionen Kohle gescheffelt - wieso auch nicht mal mit seinen Stimmbändern "spielen"?

Als Modeerscheinung kann man die derzeitige Anhäufung des Häppchen-Spaßes auch aus anderer Sicht nicht betrachten: Viele der zusätzlich freischaltbaren Spielchen erinnern an die Klassiker der Computer- und Videospielgeschichte. In "Wario Ware: Smooth Moves" können beispielsweise Klötzchen gestapelt und balanciert werden, was ältere Spieler sofort an "Tetris" erinnert - mit dem feinen Unterschied, dass sich das Erlebnis anders anfühlt, weil wegen der sensiblen Steuerung nicht nur allein die Logik angesprochen wird.

Des weiteren gibt es Parallelen zu "Breakout", jenem Spiel, das auf die Apple-Gründer Steve Jobs und Steven Wozniak zurückgeht, als sie noch bei Atari mitmischten. In "KAZooK" wirkt so manches wie ein schräger Abklatsch einer Szene in "Resident Evil" oder es werden Herausforderungen à la "Moorhuhn" präsentiert. Die Entwickler setzen also gerne auf Bewährtes und Bekanntes. Das zeigen auch die Minigames-Editionen der "Dead or Alive"-Reihe ("Xtreme Beach Volleyball" und "Xtreme 2"). Insofern sind Minigames im Grunde eher retro als fortschrittlich. Für den maßgeblichen Unterschied sorgt letztlich vor allem die Hardware.