Hafenprivatisierung bedroht Sozialprojekt
In Costa Rica wird um Bestandteile des Sozialstaats gekämpft
Dutzende gelber Gabelstabler surren in der Mittagshitze wie ein Schwarm aufgeregter Bienen über den Hafenkai. Sie verladen mächtige Paletten mit Tropenfrüchten - auf vielen prankt das Siegel für fairen Handel - auf die großen Handelsschiffe, die hier im costaricanischen Karibikhafen Puerto Limón fest gemacht haben. In den beiden Geschwisterhäfen Moín und Limón schlägt das Herz, das die gesamte Region am Leben hält. Viele fürchten um dessen Zukunft, denn die Regierung des rechten Sozialdemokraten Oscar Arias Sanchez (PLN) hat angekündigt, die öffentliche Hafengesellschaft JAPDEVA zu privatisieren.
Die Limonenser sorgen sich nicht nur, weil die Privatisierung eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die 1.200 Mitarbeiter der Hafengesellschaft bedeuten dürfte. Heute profitieren nämlich nicht Großaktionäre von den Hafeneinnahmen, sondern die gesamte Bevölkerung.
Der Einfluss der Hafengesellschaft JAPDEVA auf die Entwicklung unserer Provinz ist sehr groß. Insbesondere, weil die örtlichen Ressourcen begrenzt sind. JAPDEVA einen Großteil Gewinne in den Bau von Schulen, Brücken, Straßen und Gesundheitszentren. Außerdem vergibt sie Kredite an Kleinbauern und an Schüler aus armen Familien. Überall dort wird geholfen, wo der Staat nicht seiner Verpflichtung nachkommt. Das ist ein einmaliges Sozialkonzept. In der Öffentlichkeit ist davon leider wenig bekannt.
José Lobo, Kranführer und Gewerkschafter Puerto Limón
Längst ist nicht alles in Ordnung in den Karibikhäfen, Verladekräne stehen immer wieder still, weil wichtige Ersatzteile fehlen. Das sei die Konsequenz einer bewussten Politik des Managements, kritisiert die Gewerkschaft SINTRAJAP, die mehr als 90 Prozent der 1200 Beschäftigten organisiert. Die Häfen würden heruntergewirtschaftet, damit die Privatisierung einfacher von statten gehe und den Investoren mehr Profit bringe.
Aber Limón setzt sich zur Wehr. Die Gewerkschaft hat gemeinsam mit Kirchengemeinden und anderen Anwohnern Nachbarschaftskomitees ins Leben gerufen, um die Privatisierung zu verhindern. Denn ohne die soziale Funktion der Hafenverwaltung würde die Lage in der ärmsten der sieben Provinzen des mittelamerikanischen Costa Rica noch unerträglicher werden für jene, die wenig oder gar nichts haben.
Während der Debatte um das CAFTA-Freihandelsabkommen hat die Regierung nicht über geplante Hafenprivatisierungen gesprochen. Das Abkommen zwischen den USA, Mittelamerika und der Dominikanischen Republik sieht zahlreiche Privatisierungen vor, zum Beispiel bei Telekommunikation und Sozialversicherung. Dagegen entspann sich Widerstand, aber die Häfen wurden unter der Hand verhandelt.
Unsere Häfen gehören zu den Filetstücken, welche die Regierung den internationalen Investoren kredenzt. Die Hafenprivatsierung stand vom ersten Tag an auf der Geheimagenda von CAFTA, als Schmankerl für internationale Großkonzerne. In Puntarenas haben sie das mit Puerto Calderas bereits getan, nun wollen sie das gleiche mit Limón. Ohne jede Berechtigung, denn niemand kann belegen, dass die Privatisierung zur Effizienzsteigerung beträgt. Es ist ein Ausverkauf, mehr nicht.
Liroy Perez, Sprecher Gewerkschaft SINTRAJAP
In den Massenmedien gab es in den vergangenen Monaten indes viele kritische Berichte über niedrige Effizienz in den Häfen. Die Gewerkschafter weisen diesen Vorwurf zurück; Limón und Moín seien die effizientesten Häfen in Mittelamerika. Um die soziale Dimension der Hafenverwaltung besser herauszustellen, hat SINTRAJAP in Zusammenarbeit mit Vorstandsmitgliedern der Hafenverwaltung einen Dokumentarfilm herausgebracht. Doch nicht alle Vorstandsmitglieder lehnen die Privatisierung ab. Der Vorstandsvorsitzende und andere Topmanager unterstützen das Vorhaben der Regierung Arias.
Einen ersten wichtigen Erfolg haben die Gegner der Hafenprivatisierung indes erreicht: Die landesweite Versammlung der patriotischen Komitees - Basisgruppen, welche in ganz Costa Rica gegen CAFTA und Neoliberalismus streiten und beim Volksentscheid im Oktober gegen das Abkommen mobilisiert haben - hat die Verteidigung der Häfen zu ihrem Anliegen erklärt. Wie Telekom, Energiewirtschaft und Sozialversicherung gehöre das öffentliche Eigentum zu den Grundfesten des Sozialstaates Costa Rica, den sie erhalten wollen.
Mit einer knappen Mehrheit von gut 51 Prozent hatten sich die CAFTA-Befürworter im Oktober beim ersten Referendum in Costa Rica durchgesetzt. Trotzdem gaben die Kritiker ihren Widerstand im und außerhalb des Parlamentes gegen die Umsetzungsagenda nicht auf. Zum einen, weil sie die Gültigkeit des Volksentscheides anzweifeln, zum anderen, weil das Gesetzespaket in vielen Punkten über das hinausgehe, was CAFTA vorschreibe.
Noch sind die Hafenbeschäftigten von Limón verhandlungsbereit, auch wenn sie mehrmals von Regierungsvertretern versetzt wurden, die sich eigentlich zu Verhandlungen angekündigt hatten. Aber sie bereiten auch schon die nächste Phase ihres Widerstandes vor: Einen Streik. Vielleicht sogar gemeinsam mit den Kollegen der anderen öffentliche Betriebe, die von der Privatisierung bedroht sind. Die Belegschaft des staatlichen Instituts für Telekommunikation und Elektrizität (ICE) hat einen solchen Arbeitskampf für den Jahresbeginn angekündigt.
Torge Löding (Voces Nuestras, San José)