Handy - Kinder in, Eltern out

Kinder sind die Absatz-Agenten für Elektronik geworden

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Egal ob Foto-Handy, Klingeltöne und diverse Gadgets oder das alte Internet: immer gezielter werden Kinder (und Jugendliche) nicht nur als Konsum-, sondern auch als Marketingmaschinen genutzt. Die Eltern und insgesamt die Älteren sehen dabei ziemlich hilflos zu und machen schließlich, jugendlich angeschoben, relativ freudvoll mit.

Die "moderne" Kommunikationstechnik hat die Märkte der westlichen Hemisphäre weitgehend durchdrungen. Jetzt geht es - der Kommunikationstechnikindustrie (Gerätehersteller, Netzbetreiber, Contentanbieter) - darum, den Absatz in Gang zu halten.

In einer "Jugendgesellschaft" ordnet sich nicht nur alles dem von Werbung und Medien ausgespannten Jugendwahn unter, die Jungen selbst werden zielsicher zu Agenten in der kommunikationsindustriellen Absatzpolitik, zu Verkaufsmaschinen gemacht. Da braucht man sich die aktuelle Werbung der diversen Anbieter nur etwas weniger flüchtig ansehen.

Nicht nur in der Werbung werden unverhohlen die Kinder gekeilt, auch das mulmige Gewissen der Eltern wird mit entsprechendem kommunikationswissenschaftlich zubereitetem Begleitwerkzeug bearbeitet. Das kürzlich veranstaltete Symposium "Netzwerkinder" des führenden österreichischen Mobilfunkanbieters A1 ging genau in diese Richtung.

Konsumtechnische Netzwerkkinder

Diese neuen "Netzwerkkinder" frühstücken zwar kaum mehr, nutzen aber das Handy schon am Schulweg. 66 Prozent der 10- bis 14-Jährigen in Österreich haben eines, bei den Kleineren auch schon knapp jeder Fünfte. Zwei Drittel glauben übrigens, dass es erlaubt ist, das Telefon in der Schule eingeschaltet zu haben, am Nachmittag wird Privates ("Das Leben, Lieben und Lernen der Netzwerkkinder" hieß die Studienpräsentation) übers Mobiltelefon geredet oder geSMSt, weniger Privates jedoch mit dem Festnetz, da das ohnedies die Eltern zahlen.

62 % der Kinder und Jugendlichen hören beim Frühstück Radio, bevorzugt Ö3 und Krone Hitradio; ein Viertel der Kinder sieht fern, während nur 5 % den Computer einschalten. Ab dem Nachmittag steigt die Medienkurve steil an: Computer und Fernsehen sind die eindeutigen Favoriten. 78 % aller Netzwerkkinder sind nach der Schule online im World Wide Web unterwegs, 79 % sehen fern.

Vom Lernen wird mit Spielen oder Surfen abgelenkt bzw. entspannt. Am Abend fernsehen dann 70 %, am liebsten sehen sie, altersunterschiedlich, Zeichentrickfilme und Comics, die etwas älteren MTV oder VIVA.

Aber - und das ist die entscheidende Lehre und Beruhigung für die Eltern, die den Technikkonsum ihrer Kinder ermöglichen: die "Netzwerkinder sind pünktlich und brav", das Wertesystem der Eltern wird von ihnen akzeptiert. Und sie kennen sich mit Kommunikationstechnik selbst am besten aus. Übrigens: ein Monat ohne Handy wäre eine Katastrophe, meinen viele.

Nur mehr Absatzwissenschaft

Ein grundsätzliches Problem ist, dass die kommunikationswissenschaftlichen Forschungsarbeiten heute praktisch nur mehr - manchmal direkter, manchmal indirekter - Absatzforschung sind. Für klassische sozialwissenschaftliche Forschung, die auch die Schattenseiten des Konsums ins Blickfeld nimmt (z.B. Gewaltförderung durch Medienkonsum), scheint in der globalisierten Marktgesellschaft kaum noch Platz und Zeit zu sein.