Hart aber fair: Karl Lauterbach verspricht Revolution im Krankenhaus
Der Gesundheitsminister gestaltete die Krankenhauslandschaft einst nach ökonomischen Gesichtspunkten, heute will er das rückgängig machen. Eine schnelle Reform wird es aber wohl nicht geben.
Karl Lauterbach (SPD) ist am Montag wieder in seinem Metier gewesen: Er besuchte die Talksendung "Hart aber fair" und dort versprach er nichts weniger als eine Revolution in den Krankenhäusern. Das "System der Fallpauschalen" wolle er beenden, kündigte er an.
Durch unnötige Eingriffe hätten Krankenhäuser Gewinne erwirtschaftet, erklärte der Bundesgesundheitsminister, und das Pflegepersonal habe dafür die Mehrarbeit leisten müssen. Das Gesetz werde in den nächsten Monaten kommen, versprach Lauterbach. Und das Gesetz bringe "eine dramatische Entökonomisierung der Krankenhausversorgung".
Mit dem Gesetz möchte Lauterbach ein System abschaffen, für das primär ein Name steht: Karl Lauterbach. Das System wurde zwar schon ab 1993 eingeführt, damals galt es aber nur für einen kleinen Teil, etwa 20 Prozent, der Behandlungen im Krankenhaus.
Die Fallpauschalen müssen Lauterbach fasziniert haben, denn ab dem Jahr 2000 machte er sich für ihre die generelle Einführung stark. Mithilfe von Diagnosegruppen (Diagnose Related Groups oder: DRG) sollten sämtliche Behandlungen zum Festpreis vergütet werden.
Lauterbach versprach sich damals davon, dass die Menschen nicht mehr so lange wie zuvor im Krankenhaus behandelt werden.
Wir haben in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland sehr lange Verweildauern, fast doppelt so hohe Verweildauern. Und wenn nun DRGs eingeführt werden, dann haben die Krankenhäuser den Anreiz, so kurz wie möglich den Aufenthalt zu gestalten.
Karl Lauterbach, Deutschlandfunk, 27.05.2001
Und je kürzer die Verweildauer im Krankenhaus, so die Hoffnung, desto weniger Leistungen müssen für die Patienten erbracht werden. Weniger Kosten für Pflege und Nachuntersuchungen sowie für Verpflegung.
Wir gehen davon aus, dass durch Fallpauschalen es zu einer Standardisierung in der Versorgung kommt, dass auch zu einer Gruppierung der Versorgung um wirtschaftliche Größenordnungen hinführen wird. Wir erleben heute, dass seltene Operationen sehr verzettelt im Land erbracht werden und wir keine Konzentration auf leistungsfähige Krankenhäuser haben, die auch die nötige Qualität für die Patienten, für die Versicherten bereitstellen; und das wird unser Hauptaugenmerk sein, dass Operationen und Leistungen dort erbracht werden, wo sie qualitätsvoll erbracht werden können.
Das Schlimme sei, dass Krankenhäuser durch das System der Fallpauschalen wie Wirtschaftsbetriebe geführt werden, beschrieb ein Krankenpfleger am Montag die Situation in den Krankenhäusern. Es sei so wie bei Autowerkstätten: "rein, rauf, runter, weg". Es gehe ständig um Prozessoptimierung und Prozesssteuerung. Die "Fürsorge für den Patienten, kommt eigentlich viel zu kurz".
Die Ökonomisierung der Krankenhausversorgung, die Lauterbach nun rückgängig machen möchte, wollte er damals auch gegen den Willen vieler Ärzte durchsetzen. Zahlreiche Ärzte warnten damals vor "blutigen Entlassungen", zu denen es dann aber nur in vereinzelten Fällen kam.
Im Ärzteblatt wurde allerdings schon frühzeitig Kritik an dem DRG-System laut, weil Patienten zu zeitig entlassen werden. Die kürzeren Liegezeiten würden Leistungen in den vor- und nachstationären Bereich verlagern. Und die niedergelassenen Ärzte seien "wegen der Budgetrestriktionen oft nicht auf die zusätzlichen Patienten" eingestellt.
Kritisiert wird jedoch, dass zu viele Patienten zu einem Zeitpunkt entlassen würden, zu dem sie noch nicht wieder gesund sind, noch Schmerzen haben beziehungsweise ihre Selbstständigkeit noch nicht wieder voll erlangt haben. Dadurch müsse der Genesungsprozess teilweise außerhalb des Krankenhauses stattfinden. Dies sei vor allem für ältere Menschen eine Belastung.
Ärzteblatt, Dtsch Arztebl 2006; 103(46): A-3082 / B-2683 / C- 2574
Lauterbach versprach jetzt: "Es wird die größte Reform im Krankenhaussektor seit 20 Jahren". Doch wann er konkrete Vorschläge auf den Tisch legen wird, blieb offen.
Am Montag war die Situation der Krankenhäuser auch Gegenstand der MDR-Sendung "Fakt ist!". Dort dämpfte die SPD-Bundestagsabgeordnete Tina Rudolph die Erwartungen auf eine schnelle Reform. Es werde noch Monate dauern, bis ein konkreter Vorschlag ausgearbeitet sein werde. Man habe inzwischen aber erkannt, dass man mit der Fallpauschale langfristig kein gutes, funktionierendes und vor allem arbeitsfreundliches Gesundheitsumfeld schaffen könne.