Hartz IV-Sanktionen - der strafende Staat bleibt erhalten

Kommentar: Das Urteil zu den Hartz IV-Sanktionen bestätigt das Prinzip von Fördern und Fordern und ist deshalb kein Erfolg für Erwerbslosenbewegung

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Wenn nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts scheinbar alle zufrieden sind, dann weiß man, dass sich die höchste juristische Instanz in Deutschland mal wieder als Gesamtkapitalist bestätigt hat. Diese vornehmste Aufgabe der deutschen Justiz nahmen die Karlsruher Richter bei der Entscheidungen über die Rechtswidrigkeit der Hartz IV-Sanktionen besonders gründlich wahr.

Während fast alle Medien darauf verweisen, dass das Gericht die Hartz IV-Sanktionen teilweise für verfassungswidrig erklärte, steht in der Presseerklärung erstmal über mehrere Absätze, dass das Gericht das Sanktionsregime insgesamt bestätigte:

Der Gesetzgeber kann die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz binden, solche Leistungen also nur dann gewähren, wenn Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können. Er kann erwerbsfähigen Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II auch zumutbare Mitwirkungspflichten zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit auferlegen, und darf die Verletzung solcher Pflichten sanktionieren, indem er vorübergehend staatliche Leistungen entzieht.

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Danach erst geht das Gericht auf die leichten Korrekturen ein, die es dem Sanktionsregime verordnet hat.

Aufgrund der dadurch entstehenden außerordentlichen Belastung gelten hierfür allerdings strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit; der sonst weite Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers ist hier beschränkt. Je länger die Regelungen in Kraft sind und der Gesetzgeber damit deren Wirkungen fundiert einschätzen kann, desto weniger darf er sich allein auf Annahmen stützen. Auch muss es den Betroffenen möglich sein, in zumutbarer Weise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung nach einer Minderung wieder zu erhalten.

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Das Kernelement der höchstrichterlichen Entscheidung lautet:

Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II normierte Höhe einer Leistungsminderung von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs ist nach den derzeitigen Erkenntnissen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Das heißt, vom absoluten Existenzminimum, das der Hartz IV-Satz darstellt, dürfen zu Sanktionszwecken maximal 30% abgezogen werden. Die staatliche Verelendungspolitik muss schon sehr weit verbreitet sein, um in einer solchen Nachricht einen Erfolg zu sehen. Tatsächlich gab es immer wieder auch Totalsanktionen, was bedeutete, dass die Betroffenen auch kein Geld für Strom und Miete mehr hatten und häufig die Wohnung verloren. Die Leistungen für Personen über 25 Jahre können in Zukunft nicht mehr auf null gekürzt werden.

Wirkungsvoller Strafen mit dem Urteil

Zudem monierte das Gericht die starre Frist von 3 Monaten für eine Sanktion mit einer Begründung, die noch einmal deutlich macht, dass es mit dem Urteil die Intentionen des Gesetzgebers besser durchsetzen will. Es geht um Strafen für mangelnde Mitwirkung. Da wirkt die starre 3-Monatsfrist kontraproduktiv, denn selbst, wenn die Betroffene nun besonders eifrig mitwirken, blieb die Sanktionsfrist bisher bestehen Jetzt urteilt das Gericht:

Da der Gesetzgeber an die Eigenverantwortung der Betroffenen anknüpfen muss, wenn er existenzsichernde Leistungen suspendiert, weil zumutbare Mitwirkung verweigert wird, ist dies nur zumutbar, wenn eine solche Sanktion grundsätzlich endet, sobald die Mitwirkung erfolgt. Die Bedürftigen müssen selbst die Voraussetzungen dafür schaffen können, die Leistung tatsächlich wieder zu erhalten.

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Schon in diesen Zeilen wird der ganze Zynismus des Sanktionsregime in wenigen Sätzen zusammengefasst. Wenn jemand sanktioniert wird und er dann zwangsweise doch kooperiert, aus Angst vor Hunger und Wohnungsverlust, dann muss der strafende Staat flexibel reagieren und die Sanktionen beenden. So produziert man auch besser dressierte Untertanen, die gleich merken, wenn sie falsch gehandelt haben und wenn nicht. Auch gegen eine Totalsanktionierung wendet sich das Gericht mit dem Argument:

Auch gegen die Erforderlichkeit dieser Sanktion bestehen erhebliche Bedenken. Der grundsätzliche Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers ist hier eng, weil die Sanktion eine gravierende Belastung im grundrechtlich geschützten Bereich der menschenwürdigen Existenz bewirkt. Er ist überschritten, weil in keiner Weise belegt ist, dass ein Wegfall existenzsichernder Leistungen notwendig wäre, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Es ist offen, ob eine Minderung der Regelbedarfsleistungen in geringerer Höhe, eine Verlängerung des Minderungszeitraumes oder auch eine teilweise Umstellung von Geldleistungen auf Sachleistungen und geldwerte Leistungen nicht genauso wirksam oder sogar wirksamer wäre, weil die negativen Effekte der Totalsanktion unterblieben.

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Auch hier kann man aus jeder Zeile herauslesen, dass das Gericht mit Politik und Staatsapparaten in dem Ziel einig ist, dass Menschen auch mit Einkommensverlusten sanktioniert werden sollen, wenn sie nicht dabei mitwirken, unter allen Umständen wieder eine Lohnarbeit zu finden.

Für Menschen unter 25 Jahre ändert sich nichts

Allerdings gelten auch die Begrenzungen der Sanktionen nicht für Menschen unter 25 Jahren. Aber gerade in dieser Altersgruppe gab es in der Vergangenheit oft besonders einschneidende Sanktionen So wurde es jungen Erwachsenen unter 25 oft unmöglich gemacht, eigene Wohnung zu beziehen, weil das Amt die Kosten für die Wohnung verweigerte.

Gerade diese Altersgruppe soll mit den Sanktionen den strafenden Staat in seiner ganzen Härte kennenlernen. Das ist auch eine Form der Konditionierung für ein Untertanenbewusstsein. Daher ist es auch unwahrscheinlich, dass die Regierung den Forderungen der Oppositionspartei Die Grünen nachkommt, in dieser Altersgruppe die Sanktionen politisch abzuschaffen.

Während Teile der SPD zumindest verbal, etwas auf Abstand zu den von ihrer Partei vorangetriebenen Hartz IV-Reformen gegangen sind, gerieren sich die Unionsparteien als die Verteidiger der Gesetze. Daran wird sich auch durch das Urteil wenig ändern. Schließlich wollen die Parteien unterschiedliche Interessen bedienen.