Hat Woody Allen es doch getan?
New York Times veröffentlicht Brief mit Anschuldigungen von Dylan Farrow, der Stieftochter Allens
Kindesmissbrauch in prominenten Familien ist besonders schwer aufzuklären, steht doch der Beschuldigte zu jedem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit, verfügt in der Regel über Geld, Ruhm und die damit verbundene Macht. Wenn sich die geschiedene Ehefrau mit den Kindern gegen den Weltstar wendet und Details offenbart, werden ihr leicht Rache und Neid sowie der Wunsch nach medialer Aufmerksamkeit unterstellt.
Die Enthüllungen von Woody Allens Ex-Frau Mia Farrow werden deshalb selbst von skandalsuchenden Klatschblättern mit spitzen Fingern angefasst. Im Oktober 2013 etwa bezeichnete Andrea Peyser in der New York Post Farrows Enthüllungen als Versuch, Rache an Woody Allen zu nehmen, der seit Jahren mit deren Adoptivtochter Soon-Yi lebt. "Sie scheinen glücklich verheiratet zu sein", bemerkte Peyser - für Hollywood- und Upper West Side-Verhältnisse ein seltenes und damit parteiisches Kompliment.
Nun hat sich ein Oxford-Absolvent, doppelter Pulitzer-Preisträger und Kolumnist der New York Times des verzwickten Falles mit den inzwischen in der City angesehenen Methoden eines Snowden und Assange angenommen: In seiner Kolumne "On the Ground" veröffentlichte Nicholas Kristof am 1. Februar 2014 einen offenen Brief von Farrows Adoptivtochter Dylan Farrow.
Anlass des Briefes ist die Verleihung des Golden Globe an ihren Adoptivvater Woody Allen. Anlässlich der Auszeichnung von Allen für sein Lebenswerk am 13. Januar 2014 twitterte Ronan Farrow, der gemeinsame Sohn von Woody Allen und Mia Farrow: "Haben sie die Stelle gezeigt, bei der ein siebenjähriges Mädchen öffentlich aussagt, dass er sie belästigt hat, vor und während er Annie Hall drehte?"
Dies spielt auf ein Video im Besitz seiner Mutter an, auf dem diese Aussage zu hören ist. Gerichte in New York und an Farrows Wohnort in Connecticut hielten sie während des Scheidungskrieges nicht für derart stichhaltig, dass es für eine Anklage ausgereicht hätte.
In seinem Vorwort zum nun veröffentlichten Brief erwähnt Kristof dies auch. Er weiß, dass dieser Brief auch völlig ohne Anklage die soziale Vernichtung des weltberühmten Regisseurs in seiner unmittelbaren Nachbarschaft rund um den Central Park bedeuten könnte, wo das Paar Allen/Soon Yi auf Partys etwa von Ben Affleck eingeladen wird und als Teil der New Yorker Kulturgesellschaft wie dem Guggenheim und Allens geliebten, seit dem Tod von Elaine Kaufman 2011 geschlossenen "Elaine's" zum Inventar zählte.
Kristof, der unter dem Spott der toughen New Yorker Online-Community das Kürzel seines zweiten Vornamens mit der Begründung abschaffte, der Buchstabe sei ein "Hindernis für unser Publikum" (das ist in NYC wie Merkels "Neuland"), gibt sich gerne als politisch korrekter Weltretter.
In einem Interview, das Kristof 2010 dem entwicklungspolitischen Magazin Sojurners gab, outete er sich selbst als Kritiker der Upper West Side von New York, als er feststellte, es sei leicht, auf deren Cocktailparties über die Missionen der Evangelikalen in Afrika zu spotten; "but those folks are out in the middle of nowhere", rühmte Kristof die Helfer.
"Jetzt wein' doch nicht wie ein bolivianisches Waisenkind", sagte Woody Allen einst in "Manhattan" zur jugendlichen Schönheit Mariel Hemingway, als er ihr den Laufpass gab. Diese wurde für ihre Nebenrolle für den Oscar nominiert. Adoptivtochter Dylan, so berichtet diese, soll er eine Rolle in einem Film des Meisters und eine Reise nach Paris angeboten haben.
Wie kein anderer Regisseur hat Woody Allen in seinen in New York spielenden Filmen nicht nur den politischen Zynismus von Politikern und Wallstreet, sondern auch den der kulturell-intellektuellen Klientel von Warhol, MoMo und Guggenheim geschildert.
Als Reporter der Armen reist Kristof durch die Slums und Flüchtlingslager und deckt unermüdlich u.a. auch die sexuelle Ausbeutung in der Dritten Welt auf. Durch ihn gelangen diese Themen via NYT auf die Frühstückstische der New Yorker Society, die dann Millionen oder auch Milliarden spendet.
Mit der Veröffentlichung des Briefes von Dylan Farrow, in dem diese unmissverständlich "He sexually assaulted me" feststellte, während sie nach eigenen Angaben auf Anweisung von Allen zur Ablenkung bäuchlings mit der elektrischen Eisenbahn ihres Bruders spielte, setzen Kristof und die New York Times die Upper Westside Society weiter unter Druck.
Es ist nicht auszuschließen, dass Allen und seine Gattin nun weniger eingeladen werden. Solidaritätsbekundungen sind nicht zu erwarten, aber ein Scheck von Allen bei einer Afrika-Gala könnte sicher nichts schaden.
Wer gerne auf Deutsch die Familienverhältnisse bei Allen/Farrow diskutieren möchte, muss dazu übrigens nicht zur Bunten oder Gala gehen, sondern zum Tagesspiegel, wo User seit Oktober leidenschaftlich klären, wer Stiefadoptivtochter ist oder nicht.