Heavy Metal Himmel

Mit "Brütal Legend" verspricht Tim Schafer das definitive Videospiel für Headbanger.

Schon die Namen der Charaktere: ein Kennerwitz am anderen. Die Hauptfigur heißt Eddie Riggs, nach Eddie the Head, dem Maskottchen von Iron Maiden, und Derek Riggs, dem Grafiker, der Eddie the Head erfand. Zudem ist Eddie (the Legend) ein Roadie; ein Roadie ist einer, der für die Band vor dem Konzert die Anlage zurechtfriemelt, und "etwas zurechtfriemeln" heißt auf englisch "to rig something".

Eddie also trifft einen langmähnigen Blonden namens Lars Halford - benannt nach dem Metallica-Drummer Lars Ulrich und dem Judas Priest-Sänger Rob Halford - und dessen Schwester Lita Halford, die gesprochen wird von der Ex-Runaways-Gitarristin Lita Ford. Ein schamanenhafter Bassist namens Kill Master heilt mit seinen Bassklängen die Wunden von Eddies im Kampf verletzter Freundin Ophelia - auch Hamlets Freundin hieß so -, und dieser Kill Master wird gesprochen von Lemmy Kilminster, Bassist und Sänger von Motörhead.

Eddie und seine Freunde kämpfen gegen eine Armee von Glam Metal-Typen in zebragestreiften Spandexhosen, die befehligt wird von General Lionwhyte, benannt vermutlich in Anspielung auf die oberkäsige Glam-Band White Lion. Lionwhyte trägt dermaßen üppige Haarpracht, dass er damit fliegen kann; ihn spricht der schon erwähnte Rob Halford, vor dreißig Jahren ebenfalls Träger einer respektablen Matte, mittlerweile jedoch kahl wie ein Ei. Und dann ist Brütal Legend das erste Videospiel mit Heavy Metal Umlaut im Titel; ërst Ümläüts mächën Mëtäl hëävÿ. Die Sorte Humor muß man mögen, sonst sucht man sich besser ein anderes Spiel.

Ich mag, und ich bin schockiert, schockiert, über die Kenntnis von Geschichte und Mythologie des Metal-Universums, die Tim Schafer hier allein anhand des Titels seines nächsten Spiels, der Namen von fünf von 80 Spielcharakteren und der Besetzung von drei Sprecherrollen durch Musiker demonstriert. Brütal Legend, angekündigt für den Herbst, wird zweifellos das erste Videospiel für den Heavy Metal-Fan sein, das von einem Heavy Metal-Fan produziert und designt wurde.

Schafer ist für mich einer der besten Erzähler unter den Videospiel-Designern; vor allem seine Dialoge sind Weltspitze, seit er 1990 für The Secret of Monkey Island damit begann, welche zu schreiben. Und bereits 1993 hat er in Day of the Tentacle mit dem Charakter Hoagie den Roadie als Helden im Videospiel eingeführt. Zwei Jahre später war er dann Projektleiter für Full Throttle, dem ersten mir bekannten Spiel über einen Motorradrocker. Und seine punk- und metal-kompatible Sensibilität wurde immer deutlicher; es ist leicht, sich Lemmy Kilminster beim Spielen von Grim Fandango und Rob Halford beim Spielen von Psychonauts vorzustellen. Bestimmt sind sie Fans dieses Fans von ihnen, und es war leicht für Schafer, sie für ihre Rollen in seinem Spiel zu gewinnen.

Auf der Game Developers Conference, Ende März in San Francisco, demonstrierte er den Stand der Entwicklung von Brütal Legend, geschätzte sechs Monate vor Veröffentlichung. Die Spielerfigur ist Eddie Riggs, ein Hühne von einem Rodie, der sich beim Gitarrenstimmen in den Finger ratscht und auf seine Gürtelschnalle blutet. Die Schnalle zeigt magische Kräfte und zerrt Eddie zurück durch die Zeit in eine längst versunkene Heavy Metal-Welt, in der Totenköpfe sich zu Bergen türmen, Felsmassive zu Lautsprechern gemeißelt sind und frisierte Motoren aus der Erde wachsen wie Blumenkohl. Dämonen, angeführt vom bösen Lord Doviculus, haben die Menschheit versklavt; Headbanger müssen in Bergwerken Steine klopfen - mit ihren Köpfen! Die Glam Metal-Fraktion steht natürlich im Dienst des Bösen, und als Eddie verbringt der Spieler viel Zeit damit, sich mit der Streitaxt "Seperator" seinen Weg durch Horden von Toupierte-Mähnen-Spandexhosenträgern zu hacken. Alternativ hat man in der Gitarre "Clementine eine Distanzwaffe, deren Soli den Gegnern das Gesicht wegschmilzt, und Kombinationen gibt es auch: Laß erst den Gegner mit der Clementine in die Luft fliegen, dann spalte ihn mit dem Seperator in zwei Hälften, wenn er wieder runterkommt.

Eddie gräbt allerlei Relikte aus, die er zu einem Hot Rod zusammenbaut, einem 1932er Ford mit kompressorgeladenen Achtzylinder. Damit donnert er durch die 64 simulierte Quadratkilometer große Metal-Welt und überfährt jeden, den er nicht mag. "Eine uralte Rasse hat hier mal gelebt", erläuterte Schafer während der Demonstration, "und diese Typen haben Gitarren, Verstärker, Hot Rods und all diese coolen Sachen erfunden, bevor sie zum Himmel aufstiegen und dort Metal-Götter wurden. Und sie haben Anleitungen dagelassen, Hieroglyphen, Notizen über vergrabene Autoteile und so, Sachen, aus denen man Tourbusse und Bandequipment zusammenbasteln kann."

Eddie entdeckt die Stadt Bladehenge, wo er Lars und Lita trifft: Die beiden wollen den menschlichen Widerstand anführen und gegen die Dämonen kämpfen, haben aber keine Ahnung, wie sie das anstellen sollen. Eddie, als Roadie der einzig praktisch veranlagte Typ im Land, zeigt ihnen, wie man aus den Fundstücken in der Umgebung Waffen herstellt, wie man eine Armee führt, Konzerte veranstaltet, die Revolution herbeimosht. "An einer bestimmten Stelle in dem Spiel ", so Schafer, "kannst du mit deinem Hot Rod über ein Mastodon springen - das ist ziemlich bad ass, denke ich. Das war mein Kernziel, alles läuft auf diesen Moment hinaus, und wenn es passiert, dann weißt du, dass du die Essenz von Brütal Legend erlebt hast. Und anschließen hackst du einem Typen den Kopf ab."

Dazu läuft dann hoffentlich No Class. Am Rande der Demo wurde bekannt, dass es für Schafer einfacher war, die Musiker als Sprecher zu verpflichten, als es für seine Firma Double Fine ist, sich mit den beteiligten Musikverlagen zu einigen: Demnach ist bei vielen von Schafers Lieblings-Metal-Stücken noch immer unklar, ob er sie im Soundtrack verwenden darf.

Wer noch eine Kopie von "Day of the Tentacle" im Keller findet, kann Roadie Hoagie noch mal wiederbeleben, bis Roadie Eddie die Rechte klargemacht hat: Die LucasArts-Spiele der frühen Neunziger liefen zwar nur unter MS DOS, aber mit scummVM gibt es jetzt einen frei erhältlichen Emulator, der sie auf Windows, Linux, OS X, und diversen anderen Computer- und Mobiltelefon-Betriebssystemen spielbar macht. Weshalb es doppelt so lange gedauert hat wie geplant, bis dieser Artikel fertig war. Roadies rocken.