Heftige Polit-Attacken vor Wahl in Brasilien
Rechtsextremer Bolsonaro ist in Führung. Chomsky bezeichnet Ex-Präsidenten da Silva als politischen Gefangenen
Einen Tag vor der Präsidentenwahl in Brasilien liegt der ehemalige Militär Jair Bolsonaro in den Umfragen weiter vorne und konnte seinen Vorsprung sogar noch ausbauen. Nach den Ergebnissen einer Umfrage, die in der Nacht auf Freitag veröffentlicht wurde, kommt der Rechtsextreme auf 35 Prozent der Stimmen. Damit liegt Bolsonaro 13 Prozentpunkte vor dem linksgerichteten Kandidaten Fernando Haddad, der für die Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) antritt. Haddad ersetzt den Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der nach einem international umstrittenen Prozess inhaftiert ist.
Bolsonaro war Anfang September von einem geistig Verwirrten mit einem Messer verletzt worden, als er an einer Wahlkampfveranstaltung teilnahm. Der Ultrarechte nutzte das Attentat und konnte in den Umfragen noch einmal zulegen. Viele Bewohner des südamerikanischen Landes, vor allem Frauen, haben zuletzt gegen den 63-Jährigen protestiert. Bolsonaro hat wiederholt gegen Homosexuelle und Schwarze gehetzt und die Militärdiktatur (1964-1985) als Vorbild bezeichnet. Im Parlament widmete er seine Stimme zur Abberufung der Ex-Präsidentin Dilma Rousseff dem Militär, der die Politikerin während der Diktatur gefoltert hat. Nach Angaben brasilianischer Medien wollen 45 Prozent der Brasilianerinnen und Brasilianer unter keinen Umständen für Bolsonaro stimmen.
Wenn weder Bolsonaro noch Haddad an diesem Sonntag die absolute Mehrheit erreichen, findet in drei Wochen eine Stichwahl statt.
Am Ende des Wahlkampfes hatten die beiden aussichtsreichsten Kandidaten den Ton noch einmal deutlich verschärft. Einen Tag nach dem Ende der öffentlichen Veranstaltungen - unmittelbar vor der Abstimmung sind solche Auftritte in Brasilien verboten - nutzen Bolsonaro und Haddad ihre bevorzugten Foren, um heftige Angriffe auf den politischen Gegner zu fahren: der Rechte auf Twitter, der Linke im direkten Kontakt mit Wählern. Bolsonaro schrieb über den Kurznachrichtendienst, Brasilien habe es nicht verdient, "aus dem Gefängnis heraus regiert zu werden". Er nahm damit deutlich Bezug auf den inhaftierten da Silva. Auch dürfe das Land nicht von politischen Ziehsöhnen von Häftlingen regiert werden, fügte er mit Blick auf Haddad an.
Der sozialistische Kandidat wiederum nutzte die Anwesenheit der Presse bei einem politischen Spaziergang in Belo Horizonte, um seinen Rivalen heftig zu kritisieren. Bolsonaro sei eine Gefahr für verfassungsrechtliche Prinzipien wie Demokratie, Frieden und Wahrheit. "Unsere Verfassung hat sehr gefestigte Grundsätze, die zuletzt unter Beschuss standen, vor allem seitens Bolsonaros. Er fühlt sich der Demokratie gegenüber in keiner Weise verpflichtet, er fühlt sich dem Frieden gegenüber nicht verpflichtet und auch nicht gegenüber der Wahrheit", sagte Haddad.
Der mögliche Sieg Bolsonaros führt international zu wachsender Sorge. Während der Rechtsextreme ein Liebling der neoliberalen Finanzmärkte ist und auch von der deutschen Bundesregierung indirekt Rückendeckung bekommen hat, indem sie das Politurteil gegen Lula da Silva rechtfertigte, warnen zahlreiche Beobachter vor den Konsequenzen seines Sieges. Der US-Linguist und Aktivist Noam Chomsky bezeichnete den brasilianischen Ex-Präsidenten als "einen der bedeutendsten politischen Gefangenen unserer Zeit". Lula da Silva werde in Haft isoliert, damit der "sanfte Staatsstreich", der mit der Absetzung der Lula Nachfolgerin Dilma Rousseff begonnen hat, weiter voranschreiten kann.