Heiße Sommer: Lässt der Klimawandel grüßen?

Archivbild (Juli 2015): Außergewöhnliche Hitze in Saint-Rémy-lès-Chevreuse im Norden Frankreichs. Foto: Lionel Allorge / CC BY-SA 3.0

Spielt bei Dürreperioden das Wetter verrückt oder erleben wir die Anzeichen des Klimawandels? Eine neue Wissenschaft - Attribution science - will zu mehr Aufklärung beitragen

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Mit einem Grad Celsius über dem Referenzwert war es auch in diesem Jahr wieder zu warm gewesen. Der diesjährige Juni machte mit neuen Hitzerekorden den Menschen in Österreich, Deutschland, Tschechien, Spanien und in der Schweiz zu schaffen. In Frankreich wurde ein neuer Hitzerekord von nahezu 46 ° C aufgestellt. Mit 1,17 Grad Celsius war er wärmer als der Mittelwert für den gleichen Monat über die Jahre 1880 bis 1909 (Klimawandel: Der weltweit wärmste Juni).

Auch hierzulande waren im Juli 2019 viele Regionen von Trockenheit bedroht. Vor allem in Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg sowie in Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts, Thüringen und Bayern fiel ab Mitte des Monats zu wenig Regen. Schon sind die Wasserstände von Elbe und Oder so niedrig, dass die Schifffahrt wegen Niedrigwasser eingestellt werden musste. Auch in der zweiten Juli-Hälfte erlebt Mitteleuropa neue Hitzetage.

Die Trockenheit macht vor allem den Böden zu schaffen. So waren im Juni in der nördlichen Hälfte Deutschlands die obere Bodenschicht bis in 25 Zentimeter Tiefe komplett ausgetrocknet. Vom Niederrhein bis zur Pfalz sowie in weiten Teilen Brandenburgs, Sachsen-Anhalts, Sachsens und Thüringens lag das pflanzenverfügbare Wasser unter 20 Prozent, teilweise sogar bei weniger als zehn Prozent.

Feuer am Polarkreis

Als wäre dies nicht beunruhigend genug, stehen seit Wochen in abgelegenen Gegenden in Sibirien und Nordamerika tausende Quadratkilometer Torf in Flammen. Seit Anfang Juni beobachtet das europäische Erdbeobachtungssystem Kopernikus die intensiven Waldbrände am Polarkreis.

Der Weltmeteorologiebehörde (WMO) zufolge wurden allein im Monat Juni 50 Megatonnen Kohlendioxid emittiert. Das entspricht etwa den jährlichen Kohlendioxid-Emissionen eines Industrielandes wie Schweden oder den Mengen an Kohlendioxid, die durch Brände in den Nordpol-Regionen im Juni der Jahre 2010 bis 2018 emittiert wurden (Klimakrise: Arktische Waldbrände schlimmer denn je).

Sommerliche Brände sind ein natürliches Phänomen am Polarkreis, heißt es. Nur treten sie in diesem Jahr durch die andauernde Hitzewelle früher und großflächiger auf als sonst. Ausgetrocknet von der extremen Hitze, entzündet sich der Torf leichter als in den Sommern davor. Allein in Alaska, wo die Temperaturen bis auf 32 Grad Celsius kletterten, wurden mehr als 400 Waldbrände registriert. In der kanadischen Provinz Alberta stand eine Fläche von 300.000 Fußballfeldern in Flammen.

Auch in Sibirien lagen die Temperaturen um rund zehn Grad Celsius über dem normalen Juni-Durchschnitt. Zusätzlich wachsen in der sich erwärmenden Tundra immer größere Pflanzen, die den Feuern zusätzliche Nahrung bieten. Die Brände setzen einen Teufelskreis in Gang: Einerseits sind sie eine Folge des Klimawandels, andererseits befeuern sie die Klimaerwärmung.

So absorbiert die verkohlte und mit Ruß bedeckte Bodenoberfläche mehr Sonnenlicht, was dazu führt, dass sich die Erwärmung beschleunigt. Besonders gefährlich wird es, wenn der Permafrostböden unter der Torfschicht auftaut. Denn es besteht die Gefahr, dass die aufgetauten Böden nicht wieder zufrieren und das darin über Jahrtausende gespeicherte klimawirksame Methan an die Atmosphäre abgegeben wird.

Extreme Hitzewellen heute wahrscheinlicher als früher

In welcher Weise entstehen Wettersysteme, wie verlaufen sie und welche Rolle spielen die Jahreszeiten dabei? Könnte ein bestimmtes Wetterereignis auch in einer Welt ohne globale Erwärmung auftreten? Attributions science (Englisch: Zuordnungswissenschaften) heißt eine neue Wissenschaft, die herausfinden will, inwiefern das Wetter mit dem Klimawandel zu tun hat.

Friederike Otto, stellvertretende Direktorin am Environmental Change Institute in Oxford, hat sie mitbegründet. In ihrem Spezialgebiet Weather Attribution untersucht sie, ob eine Dürre oder ein Starkregen eine Folge des Klimawandels ist. "Sind mehr Treibhausgase in der Atmosphäre, steigt die Temperatur", betont die Physikerin in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Hitzewellen seien dann wahrscheinlicher als Kältewellen.

Gleichzeitig enthält wärmere Luft mehr Wasserdampf, der schließlich als Regen wieder herunterfällt. Deshalb werde es im globalen Mittel mehr Niederschläge geben. Wenn sich zum Beispiel mehrere Effekte überlagern, könnte es sein, dass mehr Regen fällt. Manchmal heben sich die Effekte aber auch auf. Bei alldem müsse berücksichtigt werden, dass die Menschen die Zusammensetzung der Atmosphäre und deren Zirkulation ständig verändern.

Wie aber lässt sich der Einfluss der Menschen genau berechnen? Zunächst simulieren die Wissenschaftler, welches Wetter im heutigen Klima möglich ist. Hieraus wird dann abgeleitet, ob zum Beispiel ein bestimmtes Ereignis alle 100 oder nur alle 50 Jahre eintritt. Dann wird die Wahrscheinlichkeit für dasselbe Ereignis in einer Welt ohne Klimawandel berechnet. Dafür bleiben die vom Menschen gemachten Treibhausgase unberücksichtigt.

Schließlich werden beide Wahrscheinlichkeiten miteinander verglichen. Im Ergebnis hat der Klimawandel eine Hitzewelle oder Überflutung entweder wahrscheinlicher gemacht hat, oder er hatte eben keinen Einfluss darauf.

Sommer 2018 - ein Ausreißer oder Anzeichen des Klimawandels?

Mit dem Sommer von 2018 sei das aktuelle Jahr nicht zu vergleichen. Dass sich solche Extremereignisse kurzfristig wiederholen, sei äußerst selten, beschwichtigt Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Zwar könne der Wassermangel im Boden erhebliche Probleme nach sich ziehen - vor allem für die Landwirtschaft und die Frachtschifffahrt. Gleichzeitig setze die erhöhte Waldbrandgefahr die Widerstandfähigkeit der Bäume gegen Schädlinge herab. Dennoch geht der Klimaforscher nicht davon aus, dass sich die Dürre vom vorigen Jahr in diesem Jahr wiederholt.

Nun fanden Attribution-Forscher bei der Auswertung der Temperaturen vom Juli 2018 in Kopenhagen heraus, dass die letztjährige Hitzewelle im aktuellen Klima alle sieben Jahre, in einer Welt ohne Klimawandel jedoch nur alle 35 Jahre zu erwarten gewesen wäre. Mit dem Klimawandel habe sich die Wahrscheinlichkeit der Hitzewelle verfünffacht.

Ohne ihn wäre es in Kopenhagen im letzten Sommer zwei Grad kühler gewesen. Überhaupt wäre es in einer Hitzewelle vor 100 Jahren um rund vier Grad kühler gewesen als in einer heutigen Hitzeperiode, glauben die Wissenschaftler von World Weather Attribution.