Hitze, Feuer, Hochwasser - Wälder in Not

Das Ökosystem Wald übernimmt wichtige ökologische Funktionen - nicht nur in langen Hitzeperioden, auch bei ausufernden Starkregen. Nebem dem Klimawandel schränken vor allem falsche Bewirtschaftungsmethoden die natürlichen Funktionen immer stärker ein

Seit Wochen brennen Wälder rund um die Mittelmeerküste. Nach den Feuern auf Peloponnes und Rhodos, wüten die Feuer nun auch nahe der Hauptstadt Athen. Tausende Hektar Kiefern- und Olivenhaine sind mittlerweile verbrannt. Auch auf Autobahnen und Bahnstrecken griffen die Feuer über.

Rund 60 Prozent der Fläche Griechenlands besteht aus bewaldetem Gebirge. Daher finden die Flammen durch Trockenheit und Winde immer wieder neue Nahrung. Besonders heftig sind die Brände auf der Insel Euböa. Inzwischen ist der nördliche Teil der Insel vom Rest fast abgeschnitten, den Rettungskräften geht das Wasser aus.

Hatten die Wälder auf der Insel bislang einen temperaturregulierenden Effekt für das Festland, so werden die aktuellen Brände das lokale Klima rund um die Brandgebiete wohl nachhaltig verändern, befürchten Experten

Auch in der Türkei kämpfen Einsatzkräfte und Freiwillige noch gegen Feuer, unter anderem im südwesttürkischen Muğla. Dem Forstingenieur Doganay Tolunay zu Folge sind im ganzen Land schätzungsweise mehr als 150.000 Hektar Land verbrannt, darunter Wälder, Olivenhaine, Wiesen und Dörfer.

In Süditalien bedrohen Waldbrände zunehmend Naturschutzgebiete wie den Aspromonte Nationalpark in Kalabrien und den Parco delle Madonie östlich von Palermo auf Sizilien.

Der italienische Agrarverband Coldiretti warnt vor Dürreschäden in der Landwirtschaft. So könnten im Süden die Erträge beim Weizen um zehn Prozent zurückgehen. Im Anbau von Kirschen, Pfirsichen und Nektarinen wird sogar mit einem Rückgang von bis zu 50 Prozent gerechnet.

Es ist ein Teufelskreis: Trockenheit und Hitze fördern die Entstehung von Waldbränden (und Brandstifter tun das ihre dazu: Waldbrände in halb Italien: Brandstiftung und Klima). Brennende Wälder wiederum setzen Kohlendioxid frei und heizen den Klimawandel an. Hinzu kommt, dass sich der Wald unter den trockenen Klimabedingungen nicht so einfach und schnell regenerieren kann.

Waldschäden durch Wassermassen

Auf der anderen Seite gab es Mitte Juli im Nordosten der Türkei noch heftige Regenfälle. Mindestens fünf Menschen wurden hier in den Tod gerissen. Die Hochwasser hatten Erdrutsche ausgelöst, die wiederum rissen Häuser mit sich.

Erdrutsche werden vor allem dort ausgelöst, wo die Baumwurzeln nicht mehr ausreichen, um den Boden zusammenzuhalten. Diese Funktion übernehmen die kränkelnden Wälder immer weniger gut. Beispiel Flutkatastrophe an der Ahr: Das Hochwasser sei durch den schadhaften Wald noch verschärft worden, glaubt Jens Willen aus Schuld im Ahrtal. Der Zustand des Waldes habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert, erklärt der Förster, in dessen Haus das Wasser ebenfalls eingedrungen war.

Seit Jahren beobachtet Willen in seinem Revier in Reifferscheid in der Eifel, wie sich der Zustand des Waldes verändert. Hitze, Trockenheit und ständige Unwetter haben die Bäume geschwächt. Das Tempo der Wetterwechsel habe deutlich zugenommen. Die einheimischen Baumarten hielten viel aus, aber ob sie auf Dauer widerstehen können, bezweifelt der Baumexperte. Neben den Nadelbäumen wie Kiefern, Lärchen und Fichten leiden nun auch Buchen und Ahorn. Sogar hundertjährige Eichenbestände lichteten sich ganz von selbst.

Wälder beeinflussen das Wetter

In Deutschland werden rund 74 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen. 15,5 Prozent (5,5 Millionen Hektar) der Landesfläche sind als Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Der Wald nimmt hier mit einem Anteil von über 40 Prozent (2,1 Millionen Hektar) eine zentrale Rolle ein. Ein Grund dafür ist, dass die Nitratbelastung des Grundwassers unter dem Wald im Vergleich zu gedüngten Ackerflächen deutlich geringer ist.

Zudem kann - im Gegensatz zu Ackerflächen und Siedlungen - das Wasser aus denWäldern nicht so leicht abfließen. Das Regenwasser, das durch das Kronendach und den Stammabfluss in den Boden gelangt, fließt zunächst in den Bodenwasserspeicher. Aus dem Boden nehmen die Pflanzen über Feinwurzeln Wasser und Nährstoffe auf. Das Sickerwasser gelangt in die tieferen Bodenschichten, wo es zur Grundwasserneubildung beiträgt, wobei sich unter Laubbäumen mehr Sickerwasser bildet als unter Nadelbäumen. Waldgebiete in Beckenlagen mit bis zu 70 Prozent Bewaldung verfügen über ein um die Hälfte gesteigertes Rückhaltevermögen gegenüber Regionen mit nur zehn Prozent Waldbedeckung.

Das Wasserrückhaltevermögen ist im Sommer um 25 Prozent höher als im Winter. Bis zu 70 Prozent des Jahresniederschlages gelangt über Verdunstung von der Blattoberfläche und Waldboden, aber auch über die Transpiration über die Blattstomata wieder in die Atmosphäre. Global gesehen ist Verdunstung für durchschnittlich 40 Prozent der Regenfälle über dem Land verantwortlich, heißt es in einer Studie des Öko-Instituts zu Wasserhaushalt und Forstwirtschaft von 2020.

Alte Bäume fördern Vielfalt in Ackerböden

Die biologische Vielfalt in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt konzentrieren sich meist auf oberirdisch lebende Arten wie Vögel und Bienen. Doch auch die Böden sind voller Organismen, und die sind mindestens ebenso vielfältig wie die oberirdisch lebende Fauna und damit immens wichtig für die Bodenfruchtbarkeit, Kohlenstoffspeicherung und andere Ökosystemleistungen.

Wälder, Wiesen und Äcker dürfen nicht als in sich abgeschlossenen Ökosysteme betrachtet werden, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig, heißt es in einer aktuellen Studie. Wissenschaftler des Senckenberg Forschungszentrums für Biodiversität und Klima in Frankfurt untersuchten landwirtschaftlich genutzte Wiesen und Weiden.

In einem Radius von zwei Kilometern rund um die Parzellen wurde untersucht, inwiefern durch Waldrodung und andere Formen intensiver Landnutzung beeinflusst wurde. Sie ermittelten die Zahl der ober- und unterirdische Arten von 150 Parzellen auf Wiesen und Weiden in der Schorfheide-Chorin, auf der Schwäbischen Alb und im Nationalpark Hainich.

Die Artenvielfalt im Boden ist umso höher, je mehr Waldflächen es in bis zu zwei Kilometern Entfernung gibt und je länger der Wald in der weiteren Umgebung schon besteht. Zu dieser Erkenntnis gelangten die Wissenschaftler, nachdem sie die Intensität der Nutzung und Düngung eingehend untersucht hatten. Demnach hängt die Artenvielfalt auf den Wiesen- und Weiden mehr von der Beschaffenheit der weiteren Umgebung ab, als davon, was auf den Böden selbst passiert.

So bieten Wälder in der Nähe von Ackerland einen stabilen Lebensraum für Bodenorganismen. Umgepflügte Äcker und Wiesen können von Tieren und Pilzen wieder besiedelt werden. Auch hat die Intensität von Düngung, Beweidung oder Mahd auf den Parzellen nur geringen Einfluss auf den Artenreichtum. Einige Bodenorganismen wie Pilze und Amöben scheinen sogar von intensiver Landnutzung zu profitieren.

Ganz im Gegensatz zu den Pflanzen, Vögeln, Insekten, Weichtieren, Käfern, die in den Wiesen und Weiden leben und die bei intensiver Nutzung eher verschwinden, weiß Gaëtane Le Provost, Postdoktorandin am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Bei intensiver Bewirtschaftung und einem homogenem Umfeld nahm die oberirdische Artenvielfalt eher ab. Die biologische Vielfalt im Agrarland würde davon profitieren, wenn es in der weiteren Umgebung langfristig Wälder und Grasflächen gebe, erklärt Dr. Peter Manning, leitende Wissenschaftler am Senckenberg-Forschungszentrum.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.