Hoşgeldiniz değilsiniz: Çavuşoğlu ist in der Hansestadt nicht willkommen

Für einen Auftritt des türkischen Außenministers fand sich kein Veranstaltungsraum, auch in Schleswig-Holstein scheint er nicht erwünscht zu sein

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Er kommt. Er kommt nicht. Er kommt. Er kommt nicht … Wie zuvor in Frechen und in Köln wurde auch in Hamburg in letzter Minute ein Wahlkampf- Auftritt eines türkischen Ministers untersagt. Für diese Entscheidung steht eine lokale Behörde gerade, während Senat und Bundesregierung sich vor einer klaren Positionierung drücken.

Am späten Montagabend sah es dann so aus, als könne die Veranstaltung mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoglu (AKP/) trotzdem wie geplant am Dienstag durchgeführt werden: Auf der Facebook-Seite des Hamburger Wahl-Koordinierungszentrums wurden die "lieben Landsleute" alternativ in eine Tanzschule nach Norderstedt, etwa 20 km außerhalb Hamburgs in Schleswig-Holstein geladen. Doch wie der NDR in den Morgennachrichten berichtete, dementierte der Betreiber der Tanzschule, dass der Minister heute Abend bei ihm zu Gast sei.

"Wer nimmt Oma?" heißt ein Programm des Kabarettisten Hans Scheibner. In Hamburg heißt es heute dann wohl: Wer nimmt den Minister? Denn offensichtlich ist der Druck so stark, dass die Gastronomen sich nicht eben um den "verehrten Minister" reißen. Laut NDR ist "aus Diplomatenkreisen" zu vernehmen, es werde weiterhin nach einem Veranstaltungsort gesucht.

"Wo geistige Brandstifter am Werk sind, da wird der Brandschutz umso wichtiger!", postete der Politikwissenschaftler Burak Çopur in sozialen Netzwerken. Der Beitrag bezog sich auf die Entscheidung des Bezirksamts Hamburg-Mitte, das jene unliebsame Entscheidung fällte, vor der sich die Bundesregierung seit Wochen drückt: Einen Auftritt eines hochrangigen Politikers im Rahmen des Wahlkampfes für das Referendum zum Präsidialsystem in der Türkei zu verhindern.

Wie die Welt berichtete, ist die Begründung für die Entscheidung der katastrophale Zustand des "Plaza Event Center", in dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Insbesondere der fehlende Brandschutz in dem Hochzeitssalon wurde von der Behörde bemängelt.

Nachdem das Luxus-Hotel Grand Elysée im Stadtteil Rotherbaum die geplante Veranstaltung kurzfristig platzen ließ, konnte der Betreiber der Lokalität überzeugt werden, einzuspringen. Ein rasanter Abstieg: vom vornehmen Quartier ins "Problemviertel", vom Luxushotel in eine marode Bruchbude.

Eine Entscheidung, die der Gastronom sicher schon jetzt bitter bereut. Denn ihm wurde nicht nur die umstrittene Veranstaltung mit dem türkischen Außenminister untersagt, sondern die Konzession entzogen, die Halle künftig für Veranstaltungen zu nutzen. In der Vergangenheit fanden dort vornehmlich Hochzeiten und Beschneidungsfeiern statt. Die Inspektoren der Behörde sahen die Sicherheit potentieller Gäste so stark gefährdet, dass fortan auf den Hochzeiten dieses Wirtes niemand mehr tanzen wird. Jedenfalls nicht in der Location.

Offenbar wurde fieberhaft nach einem Ersatzraum gesucht. Im Netz kursieren Einladungsflyer zu einer Veranstaltung in einer Tanzschule in Norderstedt. Die schleswig-holsteinische Kleinstadt liegt etwa 20 km nördlich von Hamburg. Doch auch im nördlichsten Bundesland trifft das Polit-Spektakel offenbar nicht auf ungeteilte Begeisterung. Der NDR interviewte am vergangenen Montag türkisch-stämmige Hörerinnen und Hörer. Eine Türkin aus Kiel sagte: "Erdogan hat die Türkei komplett verändert. Überall lässt er Moscheen bauen. In jeder Straße eine Moschee. Wenn er wirklich was ändern will, soll er Schulen bauen."

Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde Schleswig-Holsteins, Cebel Küçükkaraca, antwortete auf die Frage, ob ihn als Holsteiner das Referendum überhaupt interessiere: "Abends gehen wir ins Bett mit diesem Problem, und morgens stehen wir mit diesem Problem wieder auf." Was der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan plane, sei sozusagen ein "Ein-Mann-Betrieb". Das Präsidialsystem sei mit nichts bisher Dagewesenem vergleichbar: "Auf der ganzen Welt habe ich so ein politisches System noch nicht gesehen."

Çopur bemängelte im Focus das falsche Verständnis von Meinungsfreiheit der Bundesregierung. "Wie jede Freiheit hat auch die Meinungsfreiheit ihre roten Linien. Im konkreten Fall der Auftritte von AKP-Politikern soll die Meinungsfreiheit in Deutschland dazu missbraucht werden, um im Ausland eine Diktatur aufzubauen. Der Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen - das gilt auch für den aktuellen bereits bestehenden türkischen Faschismus - der übrigens wie ein Gift auf das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Türkeistämmigen wirkt."

Der Politikwissenschaftler sieht den "öffentlichen Frieden in unserem Land" gefährdet, und fordert von der Bundesregierung "klare Kante. Denn der Öffentlichkeit sei nicht zu vermitteln, wieso der "Kidnapper eines unschuldigen deutschen Journalisten auf dem Boden eines demokratischen Rechtsstaats seinen Werbefeldzug für die Einführung einer Diktatur und die Todesstrafe in der Türkei durchführen darf."