"Hört auf, Notfälle zu instrumentalisieren"

Bild: @ZiegeJan

Telepolis dokumentiert: "Ihr wollt ja nur weiter meckern", schreibt ein Rettungssanitäter in Berlin. Debatte um "Letzte Generation" und Klimastreiks werde missbraucht. Zahlreiche Beispiele aus Arbeitsalltag.

Nach wie vor wird in Medien und Politik kontrovers über die Blockade der Berliner Stadtautobahn berichtet, in deren Folge offenbar ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr zu spät zu einem Unfallort gekommen ist. Im Zuge dieser Diskussion hat sich nun auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ein Rettungssanitäter zu Wort gemeldet.

Seine Kommentare erscheinen, wie dort üblich, anonym, also unter Pseudonym. Telepolis hat das Account daher begutachtet und kommt zu dem Schluss, dass die Informationen authentisch sind. Der Tweet wurde zudem von zahlreichen anderen Medien zitiert. Die Tweets wurden redigiert, akzentuierende Großschreibungen gefettet.

Ich möchte noch etwas ausführlicher zum Thema "Klimaaktivist:innen – Stau – Rettungsgasse" schreiben. Aus der Sicht eines Rettungsdienstlers in Berlin.

Vorab: Ich möchte das Ganze von dem furchtbaren Unfall so gut es geht loslösen. Gewähren wir dem Unfallopfer Ruhe.

Die Diskussion wurde direkt nach dem ersten "Kleben" geführt. Weil man außer dem Zeitverlust der Individuen und dem angeblichen massiven Wirtschaftsverlust nicht viel machen konnte von Seiten der Medien und Kritikers der Gruppe:

Was, wenn ein Rettungswagen blockiert wird? Als jemand, der tagtäglich im Berliner Verkehr mit Sonderrechten unterwegs ist, ein paar Gedanken dazu.

Ja, auch Rettungsdienste sind durch den Klima-Streik betroffen.

Ja, wir kommen durch Staus verlangsamt und verzögert zu Einsatzorten

Ja, in letzter Konsequenz durchgedacht kann also auch der Klima-Streik einen Anteil daran haben, dass ein Mensch zu Schaden kommt.

Das ist furchtbar und als jemand, der entgegen den Journalist:innen tatsächlich vor Ort ist, kann ich sagen: Man will das nicht.

Aber: Der Klima-Streik soll den Verkehr treffen. Und unmittelbar klarmachen, wo wir sind: In einer Welt der Blechlawinen. Zu einer Zeit des Klimakollapses.

Ja, ich bin auch schon genervt gewesen von den Streiks.

Erinnert ihr euch an Piloten-Streiks? Die machen das zu Urlaubszeiten, um maximal zu stressen!

Da kann auch jemand eventuell nicht den entscheidenden Flug bekommen, um seine sterbende Mutter noch einmal zu sehen.

Das klingt übertrieben? Ja. Ist es auch. Exakt so übertrieben wie diese Diskussion. Tagtäglich stecken wir Rettungskräfte im Stau fest. Jeden einzelnen verdammten Einsatz!!! Die Gründe sind mit weitem Abstand folgende:

- Falschparker:innen.

- Zweite-Reihe-Parker:innen.

- Baustellen.

- Fehlende Rettungsgassen.

- Generell viel zu viele Autos auf viel zu wenig Platz.

Wenn jetzt hier auf einmal die ganzen Menschenfreunde herkommen und sich berufen fühlen, etwas zum Schutz der Patient:innen zu tun:

... dann klärt die Leute über die korrekte Rettungsgasse auf

... ahndet endlich Falschparken

... fahrt nicht allein mit einem Auto in die Stadt.

Hier die Schuld bei den Klima-Aktivist:innen zu suchen, ist respektlos dem Unfallopfer gegenüber, heuchlerisch, verlogen und hetzerisch. Und auch die Berliner Feuerwehr, die sich jetzt ganz empört hinstellt, könnte da selbstkritisch rangehen.

- Konsequente Ahndung von Verstößen gegen § 38 StvO in den Einsätzen via Polizei

- gezieltere Disponierung mit z.B. aktueller Staulage und optimaler Anfahrt

- Indienststellung weiterer Fahrzeuge zur engeren Abdeckung der Stadt

Aber es ist ja viel einfacher, einen nur in kleinsten Teilen kausalen Zusammenhang zu unliebsamen Protesten zu nehmen und das zu einer Schlagzeile zu machen.

Ach ja, wenn wir wirklich nachhaltig Fahrradfahrer:innen schützen wollen, dann hier ein paar Pro-Tipps:

- autofreie Innenstädte.

- verpflichtende Abbiegeassistenten.

- separate Fahrradspuren.

- Helmpflicht.

- einen Planeten erhalten, auf dem man noch Fahrrad fahren kann.

Das wären alles Maßnahmen, die sofort helfen könnten. Aber nein ... ihr wollt ja nur weiter meckern. Dann macht das. Aber wenn ihr schon keine echten Argumente habt, dann hört auf, Notfälle zu instrumentalisieren, wenn euch 95 Prozent der anderen Gründe, warum Hilfe zu spät kommt, schon immer einen Scheiß interessiert haben.

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