Hohe Mietpreise: "Die Spielregeln ändern"

Seite 2: Wohnen als neue Klassenfrage

Im Buch wird beschrieben, wie Wohnen zur neuen Klassenfrage wurde. Teile der Mieterbewegung sprechen schon lange davon, dass der Kampf gegen jede Verdrängung aus der Wohnung auch Teil des Klassenkampfes ist. Die Aktivitäten der Mietrebellen, die im Gegensatz zu den Staatsapparaten eine reale Gefahr für die Immobilienwirtschaft sind, kommen an Ende des Buches vor.

Dort formuliert Lay unter dem Motto "Die Spielregeln ändern" Reformvorschläge, um das Wohnopoly zumindest zu begrenzen. Dazu gehört die Deckelung der Mieten. Auch hier hätte man sich eine kritische Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen im Kapitalismus gewünscht. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht als eine Art Wächterrat der Immobilienwirtschaft erst im letzten Jahr den Berliner Mietendeckel gekippt.

Die Rekommunalisierung, das heißt der Rückkauf von vor Jahrzehnten privatisierten Wohnungen, und die Besteuerung von Spekulationen gehören ebenso zu den Instrumenten aus dem Reformbaukasten, die Lay aufgelistet hat . Mal verweist sie auf Dänemark, ein anderes Mal auf Wien, um deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um sozialistische Fantasien handelt, sondern um Reformen, wie sie in urkapitalistischen Ländern längst umgesetzt sind. Doch lassen das die Kräfteverhältnisse in Deutschland zu?

Ohne Druck der Mietrebellen wird es nichts

Und welche Rolle kann dabei die Linkspartei spielen, die schließlich in den letzten Monaten eher durch internen Streit als durch sozialpolitische Kampagnen aufgefallen ist? Diese Fragen bleiben nach der Lektüre des Buches offen.

Zustimmen kann man der Autorin, wenn sie an die Mieter gerichtet schreibt: "Organisiert Euch! Ohne Druck von unten wird es nichts". Nur haben sich in Berlin und vielen Städten Mieterinnen und Mieter schon längst organisiert. Manchmal hat man den Eindruck, dass Lay dort Eulen nach Athen trägt, wenn sie schreibt, dass es bei einem "hegemoniefähigen Projekt" - ein Begriff aus der Sprache der linken Organisatoren, nicht der Bewegung von unten - darum gehen muss, die Mittelschichten zu gewinnen und zumindest nicht gegen sich aufzubringen.

Dabei gilt auch für die aktuelle Mieterbewegung, was Friedrich Engels bereits vor 150 Jahren in seiner Schrift zur Wohnungsfrage thematisierte. Die Wohnungsfrage wurde erst zum Politikum, als auch der Mittelstand betroffen war. Viele Kämpfe gegen Verdrängung betreffen mittelständische Läden, Betriebe und Cafés.

Wenn Lay schließlich die Oma Else erwähnt, deren Häuschen die Mieterbewegung verteidigen sollte, dann muss man nur die Senioren denken, die sich gegen Verdrängung wehren, egal, ob sie im Eigenheim oder in einer Wohnung leben.

Wenn sich die Mietrebellen von einer Linkspartei überhaupt was wünschen, dann weniger solche Ratschläge, die für sie schon längst Praxis sind, sondern vielleicht Gelder und Räume für Treffen auch über Ländergrenzen hinaus.

Schließlich steckt die Organisierung von Mietern über Städte und Länder hinweg noch immer in den Anfängen. Sie ist aber notwendig, wenn sie langfristig gegen eine weltweit bestens vernetzte Kapitalfraktion erfolgreich sein will. Das hat Lay in ihrem Buch gut herausgearbeitet.

Der Autor hat gemeinsam mit Matthias Coers das Buch Wohnen in der Krise - Neue Solidarität in den Städten im Verlag Edition Assemblage herausgegeben.