Hollywood hilft Hillary: Der Obama-Film "My First Lady"

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Will ein gut gemachter Liebesfilm mit subtiler Botschaft schwarze Wähler für Obamas Partei zurückgewinnen?

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Die First-Date-Romanze wickelt uns von der ersten bis zur letzten Minute mit Witz und Charme ein, zeigt die heile Welt strebsamer schwarzer Aufsteiger in einer von Weißen dominierte Gesellschaft. Der Film schwelgt in nostalgischen Bildern der Befreiung einer afroamerikanischen Mittelschicht von Diskriminierungen, spielt mit der Vorahnung unbegrenzter Möglichkeiten eines Black American Dream und findet kein krummes Haar am künftigen Präsidentenpaar.

Ein sonniger Sonntagmorgen in Chicago 1989, die schwarze Karriere-Anwältin Michelle Robinson (Tika Sumpter) legt Make up auf - für ein Date? Nein, nur ein Meeting, kein Date, versichert sie ihren neugierig nach dem jungen Mann fragenden Eltern, die ein bisschen um die offenbar peinliche Frage herumdrucksen, ob er denn auch schwarz ist. Man merkt wie die Rassenfrage den Alltag der kleinbürgerlichen Familienidylle durchzieht, aber auch das Tabu, sich in solch gehobenen Kreisen mit einem Kollegen einzulassen.

Der junge Galan heißt natürlich Barack Obama (Parker Sawyers) und ist in der Anwaltskanzlei in Chicago offenbar Michelle als Praktikant oder Referendar zugeteilt. Dennoch wird er im folgenden Film, der die beiden bis zum Abend begleiten wird, alles daran setzen, Michelle davon zu überzeugen, dass es sich doch um ein Date handelt.

Obama holt Michelle in seinem rostigen Auto ab, um sie in eine Kirche zu bringen, wo eine Diskussion über ein Gemeindecenter stattfinden soll. Aber der Termin beginnt erst viel später, als Michelle dachte, weshalb sie leicht empört über seine List und unter wortreichem Beharren darauf, dass dies kein Date sei, aber dennoch einwilligt, zunächst eine Kunstausstellung zu besuchen.

Es ist nicht irgend eine Ausstellung. Man zeigt schwarze Kunst von Ernie Barnes, einer Legende unter den schwarzen Aufsteigern der USA: Nach einer Karriere als Football-Star legte Barnes - einmalig in der Geschichte dieses Sports - noch eine zweite als Kunstmaler hin.

Seine Bilder zeigen Schwarze in den USA etwa als Ghettokids, die eine durch den Asphalt brechende Blüte bestaunen, oder als wohlgekleidete Pärchen, die sichtbar oben angekommen mit stolz hochgerecktem Kinn und weit ausladenden Bewegungen ihrer glorreichen Zukunft im american dream entgegenstreben. Der Abspann von "My First Lady" wird die Zuschauer nach 90 Minuten Wohlfühlfilm mit weiteren Bildern aus Ernie Barnes heiler Welt naiver Kunst beglücken.

Do the Right Thing?

Doch zuvor muss Obama sich noch seiner Angebeteten als politischer Redner beweisen und sie dann ins Kino führen, wo der Film eine weitere kulturelle Duftmarke setzt: Es läuft "Do the Right Thing" von Spike Lee, der einschlägige Top-Film des "New Black Cinema", einer Filmära, in der Schwarze endlich selber Filme machen und ihre Probleme erstmals im großen Kinoformat thematisieren können.

Spike Lee zeigt keine heile Welt, sondern ein schwarzes Ghetto, wo rassistische Italoamerikaner Probleme mit ihrer afroamerikanischen Kundschaft bekommen. Wir sehen Höhepunkte der Gewalt: Ein brutaler Schwarzer wird von Polizisten zu Tode gewürgt, die Pizzeria zerstört. Als rebellierende Schwarze dem Italiener die Schaufensterscheibe einwerfen, johlt das fast ausschließlich schwarze Kinopublikum, auch Barack und Michelle.

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Mit diesen kurzen Filmzitaten - und eigentlich nur mit ihnen - dringen die aktuellen Probleme in Obamas heutigen USA subtil in die Handlung ein: Der Tod des schwarzen Rebellen in Do the Right Thing erinnert frappierend an die Bilder von einem der zahlreichen Polizeiopfer der letzten Monate: "I can not breath" waren dessen letzte Worte, die auf Plakaten der Protestbewegung "Black Live Matters" durch viele Straßen getragen wurden. Doch der Film "My First Lady" belässt es bei dieser subtilen Andeutung und wendet sich harmloseren Problemen einer gehobenen Mittelschicht zu.

Denn nun erlebt die künftige First Lady eine peinliche Begegnung: Als womöglich einzige Weiße waren die Seniorpartner von Michelles Anwaltskanzlei im Kino - sie sollten eigentlich nichts von der anrüchigen Liaison mit dem Praktikanten Obama erfahren. Schlimmer noch, sie fragen verwundert, warum denn die Schwarzen im Kino die Gewalt in Spike Lees Film so bejubelten.

Obama aber redet sich und seine Zukünftige gewitzt aus allen Rassen- und Gender-Kalamitäten heraus und stolziert als strahlender Held in den Rest des Abends und seiner politischen Karriere entgegen. "My First Lady" meidet so gekonnt jeden Hauch eines auch nur ansatzweise kritischen Blicks auf seine Hauptfiguren, dass man ihn, hätte der so dargestellte Präsident nicht Obama, sondern Kim Jong-un geheißen, vermutlich auch in Nordkorea zeigen dürfte. Nach Angaben von Obama persönlich soll der Film beinahe vollständig die wahre Geschichte des ersten Rendevouz' mit seiner Frau Michelle wiedergeben.

Obama zwischen Onkel Tom und Malcolm X

In der goldenen Mitte zwischen Onkel Tom und Malcolm X spielt Barack Obama im Film den schwarzen Aufsteiger, der zwar weit entfernt von militanten Forderungen, aber selbstbewusst und ohne seine Intelligenz zu verbergen, seinen Teil vom Kuchen der reichen weißen Oberschicht haben möchte.

Er wirkt mäßigend auf protestierende Schwarze ein, die im Film aber in erster Linie als politische Verlierer vorgeführt werden und oft kurz vor der totalen Resignation stehen. Die Resignierten baut der junge Obama als mitreißender Redner wieder auf, mahnt andere zur Geduld und zum Verständnis der weißen Machthaber.

Obama führt die Ghettogemeinde auf einen Pfad klugen Arrangements mit den Mächtigen und wird dafür von ihnen bejubelt. Obama selbst, so weiß der Zuschauer, wird es mit dieser Methode bis zum mächtigsten Mann der Welt bringen - den Schwarzen im Ghetto winkt bei Wohlverhalten vielleicht etwas Geld für ein Gemeindezentrum.

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Trotz anderslautend kolportierter Filminformation ist das Erscheinungsdatum kurz vor Ende der Amtszeit Obamas wohl kaum ein Zufall. Die Idee zu dem Film soll der junge Regisseur und Drehbuchautor Richard Tanne bereits im Jahr 2007 gehabt haben, der Dreh fand freilich erst im Sommer 2015 innerhalb von nur 15 Tagen in Chicago statt.

Im letzten Amtsjahr des ersten schwarzen US-Präsidenten häuften sich Polizeiübergriffe auf Schwarze, es kam zu zahlreichen Tötungen von Verdächtigen durch Beamte, was große Proteste bis hin zu Rassenunruhen auslöste.

Eine Rolle spielten dabei sicherlich die mit neuen Handygenerationen viel leichter verfügbaren Bilder von Polizeigewalt. Aber auch eine rassistisch aufgeheizte Atmosphäre, politischer Extremismus von Rechts und eine allgemeine Kultur der Gewaltverherrlichung tragen zu den Konflikten bei. Ausnahmezustand, Nationalgarde und Rachemorde an Polizisten in der Realität kontrastieren scharf mit den Bildern, die "My First Lady" zeigt.

Der Protestbewegung gegen tödliche Polizeigewalt "Black Live Matters" (BLM) wurde von rechtsextremen bzw. -populistischen US-Medien eine Verantwortung für Rachemorde an weißen Polizisten unterstellt. Propagandisten vom rechten Rand, unterstützt durch Teile der Justiz, verstiegen sich sogar bis zur zynischen Behauptung, die Proteste von BLM hätten mehr schwarze Leben gekostet als gerettet.

Denn die Polizei würde nun in schwarzen Ghettos nicht mehr so hart zuschlagen wollen und die Schwarzen mit ihren Gangs, die aus der Gangsta-Rapper-Kultur motiviert werden, neigen eben dazu, sich gegenseitig zu erschießen (ähnlich referierte sogar ein Artikel hier auf Telepolis: Whose Black Lives Matter?).

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Doch die Ghettos haben politische und soziale Ursachen, etwa eine unmenschliche Drogenpolitik, die vor allem die schwarze Jugend kriminalisiert. Und die Gangsta-Kultur ist nur Spiegelbild eines die Gewalt zelebrierenden weißen Mainstreams, wo ganz überwiegend Weiße die blutrünstigen Helden sind.

Etwa der sympathische Serienheld und -killer zugleich, Dexter (in der gleichnamigen Serie), wenn er seinem Sohn launig zuraunt: "Daddy bringt Leute um. Aber nur die Bösen." Ein weißer Gewaltmainstream, der an Stelle des Rechts die Selbstgerechtigkeit setzt, fördert vielleicht Polizeigewalt, könnte man gegen die BLM-Kritik einwenden.

Obamas Partei, die Demokraten, hat jedenfalls Probleme, ihre schwarze Wählerschaft wieder an die Urne zu bringen, wenn Hillary Clinton gegen Donald Trump antritt. Zu viele dürften enttäuscht von der Ära Obama sein, die zu wenig für die diskriminierten Schwarzen getan hat.

Dabei hätte es genügt, konsequent auf ein besseres Justizmodell zu setzen, etwa die erfolgreiche Drogenpolitik Portugals zu übernehmen (selbst wenn eine rechtliche Umsetzung bis hinunter in die Bundesstaaten länger gedauert hätte).

Klare Ansagen und ein energisches Vorgehen gegen eine zum Justizterror entgleiste Verfolgung auch kleinster Canabis-Mengen hätte seitens Obamas Not getan. Die Freigabe von Canabis etwa in Colorado hätte einen drastischen Rückenwind der Demokraten aus Washington gebraucht. Aber so wird die Kandidatin Hillary die Hilfe dieses Liebesfilms bitter nötig haben, um vielleicht mit versöhnlichem Popcornkino ein paar schwarze Wähler zurück zu gewinnen.

My First Lady (USA 2016) org. Titel: Southside with You; (Kinostart 15.9.2016)
Buch und Regie: Richard Tanne
Schauspieler: Tika Sumpter, Parker Sawyers, Parker Sawyers u.a.
Kamera: Patrick Scola
Musik: Stephen James Taylor