Homepage des Erfurter Amokschützen

Ein Versuch, die Aufmerksamkeit auszubeuten - mit kurzer Entschuldigung und weiteren Wirrungen

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Für Lehrer und andere Zecken ist die Seite verboten. Das stand zumindest ganz oben auf der Website webpost.net/pu/pumpgun, deren Adresse am Wochenende gleich in mehreren Newsgroups lanciert wurde ­ beispielsweise mit den Worten: "Die Homepage des Erfurter Amokschützen Robert Steinhäuser findet Ihr hier..." Auch sonst stieß sie auf große Aufmerksamkeit.

Klickte man dann neugierig auf die URL, fand man auf der Netzseite das mittlerweile sattsam bekannte Foto des Amokläufers und dazu Texte wie den folgenden.

Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich jetzt Amok laufen müsste, wenn mir zum Beispiel ein, wenn mich die egoistischen Stasi-Lehrer wieder den ganzen Tag mit ihren Integralrechnungen versaut haben! Ab und zu tue ich das sogar im Wald, daß ich so ein wenig schiessen gehe, ich habe dabei auch schon ganz viele Rehe und Wildschweine getötet, ich hasse Tiere nämlich. Und die Tierschützer sollte man auch gleich abknallen! Die einzigen Tiere die ich mag sind Haie. Aber dazu später.

Und auch vermeintlich Gleichgesinnte wurden dort abgefeiert:

Die Trenchcoatmafia läßt sich von niemandem einschüchtern!!! Da will ich auch dazugehören!!!!! Aber hier sind alle nur Idioten und Hiphoper oder Popper oder MöchtegernNazis, ohne wirklich mal was auf die Reihe zu kriegen! Und wenn ich in meiner schwarzen Klamotten und den schwarzen Handschuhen in die Schule komme, lachen die Arschlöcher einfach nur und haben keinen Respekt vor einem! Den werd ich ich irgendwann mal so die Meinung sagen, daß denen die Ohren klingeln!! LET FREEDOM RING WITH A SHOTGUN BLAST!!!!

Dazu gab es noch ein paar Links, unter anderem zu Counter-Strike, dem, wie zu lesen war, Lieblingsspiel des jugendlichen Mörders.

Auf den ersten Blick ist diese Homepage also eine echte Mediensensation, die nicht nur der Erfurter Polizeichef Rainer Grube entdeckt hatte. In einem Bericht der Agentur Reuters heißt es dazu: "Allerdings habe Steinhäuser eine Homepage im Internet besessen, die nach seinem Tod von einer unbekannten Person aktualisiert worden sei." Die schnelle Netzeitung hingegen rätselte über die "bisher nicht erklärbaren Veränderungen auf der Homepage des 19-Jährigen" und einen möglichen Trittbrettfahrer, dass der Amokläufer gar keine Website gehabt haben und es sich nur um einen schnellen Fake handeln könnte, kam in dieser Euphorie, endlich etwas gefunden zu haben, gar nicht auf.

Letzteres zumindest stimmt: "Last Modified" wurde beim Verfassen des Artikels die Seite nämlich am: "Sam, 27. Apr 2002 3:04:07 Uhr GMT." Und da waren der Amokschütze und seine Opfer bekanntlich schon mehrere Stunden tot. Das sprach natürlich dafür, dass die angebliche "Homepage des Erfurter Amokschützen" in Wirklichkeit ein makaberer Fake war. Auch die so genannten Keywords: "Robert Steinhäuser, Pumpgun, Erfurt, Johannes-Gutenberg-Gymnasium Erfurt, Amok, Amoklauf, Täter, Abitur, Mathe, Mathematik, 19 Jahre alt, Thüringen" sprachen dafür. Außerdem sind die dort heftig beschimpften "AltAchtunsechziger-Lehrer mit ihrer kommunistischen Hippie-Ideologie" in Erfurt wohl kaum anzutreffen.

Es geht weiter: Nachtrag von Florian Rötzer

Mit der steigenden Aufmerksamkeit wurde es dann dem Betreiber der Website doch wohl mulmig. Am Sonntag (28-Apr-2002 14:26, der Webhoster ist in New York) konnte man lesen:

"Die angebliche Internetseite des Amokschützen von Erfurt ist hier nicht mehr.

Nachdem ich feststellen mußte, daß sich viele Leute die Sache zu sehr zu Herzen genommen haben und den Gag nicht verstehen konnten, habe ich die Seite heruntergenommen. Mir ist klargeworden, daß es ein ziemlich blöder Fehler war, sich mit einer gefakten Home Page über die Motive und die Tat lustig zu machen (und die Seite war - zugegebenermaßen - noch nicht mal besonders komisch).

Ich entschuldige mich ausdrücklich bei all jenen, die sich betroffen fühlten."

Ab Mitternacht war schließlich die Website ganz verschwunden. Aber nicht lange, dann tauchte ein anderer Text auf, der möglicherweise eine Bestätigung für die Ankündigung im Gästebuch der "alten" Seite ist, diese zu hacken - oder irgendwie so.

Pumpgun

Diese Webseite wurde von mir gespeert.

Meine Webpage: www.suchhotline.org

Meine E-Mail: kastius@suchhotline.org

Niemand ist im Internet anonym. Und wer sich die Frechheit herrausnimmt mit dem Schicksal anderer ein solches makaberes Spiel zu spielen, gehört in den Knast und hart bestraft.

Christoph Kastius (Hacker mit Ethik)