Hunderttausende demonstrieren gegen Inhaftierungen
- Hunderttausende demonstrieren gegen Inhaftierungen
- PP will Partei- und Organisationsverbote durchsetzen
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In Rekordzeit hat das spanische Verfassungsgericht das Referendumsgesetz verboten und nun wird die Inkraftsetzung des Übergangsgesetzes konkretisiert
Die Straßen in Katalonien haben "Freiheit für die politischen Gefangenen", "Raus mit den Besatzern" und "Unabhängigkeit" hallten Sprechchöre durch ganz Katalonien. Allein in der Metropole Barcelona haben sich nach Angaben der Polizei mehr als 200.000 Menschen versammelt. Mit Kerzen und Spruchbändern bewaffnet haben sie über Stunden für ein Verkehrschaos gesorgt, da die zentralen Verkehrsadern verstopft waren.
Der massive und spontane Protest, dem organisierte Demonstrationen folgen, richtet sich gegen die Inhaftierung der Präsidenten der großen zivilgesellschaftlichen Organisationen wegen "Aufruhr". Der Präsident des Katalanischen Nationalkongresses (ANC) Jordi Sànchez und der Chef der Kulturorganisation Òmnium Cultural Jordi Cuixart haben nun die zweite Nacht im Gefängnis in der Hauptstadt Madrid verbracht. Freiheit für die "Jordis" wurde aber nicht nur in Katalonien gefordert, sondern auch in vielen Städten des spanischen Staats. Besonders stark waren die Proteste im Baskenland,
Allen ist klar, dass nun die entscheidenden Stunden laufen. Am frühen Donnerstag läuft das zweite spanische Ultimatum ab. Fast alle gehen davon aus, dass die katalanische Regierung nicht den Rückwärtsgang einlegt, weshalb Madrid die nächste Repressionsstufe zünden, die Autonomie aussetzen und Politiker verhaften dürfte. Die Grundlage wurde über das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts am Dienstag geschaffen, als das Gesetz für das Referendum am 1. Oktober definitiv "annulliert" wurde. Zuvor war es "befristet" ausgesetzt worden, Deshalb war es bisher falsch, von einem illegalen Referendum zu sprechen.
Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau: Keine "Effektive Gewaltenteilung" mehr in Spanien
Die Eile am Gericht zeigt vielen, dass nicht alle vor der Justiz gleich sind. Üblicherweise braucht das höchste Gericht Jahre für ein Urteil. Es ist Wasser auf die Mühlen derer, die wie die linke Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau, keine "effektive Gewaltenteilung" in Spanien sehen. Es gibt zu viele Zufälle, wie die Inhaftierung der "Jordis" mit dem Auslaufen des ersten Ultimatums.
Colau hatte einen der vielen Proteste am Mittag angeführt. Die ehemalige Aktivistin gegen Zwangsräumungen tritt zwar für ein Unabhängigkeitsreferendum ein, ist aber gegen eine Abtrennung von Spanien. "Barbarei" nannte sie das Vorgehen, "politische Gefangene" hätten "in der EU keinen Platz".
Veröffentlich hat sie auch eine Studie über die Polizeigewalt während des Referendums. "Es gibt ein Vorher und Nachher nach dem 1-O", sagt sie, "und diese Studie beschreibt warum." Die Gewaltexzesse der paramilitärischen Guardia Civil und Nationalpolizei gegen friedliche Menschen zu verneinen, hilft nicht, zu einem Dialograhmen zu kommen. Die Studie zeigt auf, dass das Ziel der Gewalt war, "Panik in der Zivilbevölkerung" zu erzeugen. Allerdings wurde dieses Ziel verfehlt, obwohl man es mit einer "militärähnlichen Operation" zu tun hatte, wie auch internationale Experten bestätigt hatten.
Colau ist massiv unter dem Druck eines guten Teils ihrer Basis, die eine klarere Positionierung angesichts von Gewalt und Repression fordert. Auch in ihrer Koalition, die mit der Linkspartei Podemos (Wir können es) ein Bündnis unterhält, gibt es immer mehr Menschen, die nun nur noch in der Unabhängigkeit einen Ausweg sehen. Wie Telepolis in Erfahrung bringen konnte, überlegen Teile einen Übertritt zur linksradikalen CUP.
So übernahm auch Colau die Wortwahl des katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont. Der hatte bedauert, dass im postfaschistischen Spanien nun wieder friedliche Menschen für ihre Vorstellungen inhaftiert werden. Getragen von der großen Mehrheit im Stadtrat, verlas Colau eine Erklärung. Angesichts der "schwerwiegenden Entscheidung des Nationalen Gerichtshofs" bleibt auch aus Protest das Bürgermeisteramt für 48 Stunden geschlossen. Angeprangert wird ein Verstoß gegen die Allgemeine Menschenrechtserklärung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie fordert die Bevölkerung auf, ihre Rechte auf der Straße weiter friedlich zu verteidigen.
Der Druck auf Puigdemont ist nun extrem, das Übergangsgesetz in Kraft zu setzen. Das hat lange die linksradikale CUP gefordert, doch nach den Verhaftungen haben sich auch ANC und Òmnium angeschlossen. Nach der Unabhängigkeitserklärung hatte er vergangene Woche die Wirkungen ausgesetzt, um den Raum für Vermittlung und Dialog offen zu halten. Doch Spanien lehnt diese Angebote kategorisch ab.
Wie Telepolis in Erfahrung bringen konnte, wird mit der CUP über die "verbindliche Konkretisierung" der Umsetzung verhandelt. Quellen in der Einheitsliste "Junts pel Si" (Gemeinsam für das Ja) haben bestätigt, dass "allen klar ist, dass das in den nächsten Tagen" geschehen müsse, wie es auch Carme Porta im Gespräch mit Telepolis deutlich gemacht hatte.