"Ich lasse mich nicht belehren!"

Mike Pence, Kamala Harris. Bilder: U.S. Federal Government (2017)

Bei der Fernsehdebatte der Vizepräsidentschaftskandidaten weichen beide Teilnehmer Fragen aus und versuchen stattdessen, die Antwortzeiten für ihre Talking Points zu nutzen

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Heute Früh mitteleuropäischer Sommerzeit fand in den USA die Fernsehdebatte zwischen dem republikanischen US-Vizepräsidenten Mike Pence und seiner demokratischen Herausforderin Kamala Harris statt. Aufgrund der Sars-Co-V-2-Ausbreitung, die aktuell auch das Weiße Haus betrifft, hatte man die beiden Politiker nicht nur in vier Metern Abstand voneinander platziert, sondern auch eine Plexiglasmauer zwischen ihnen aufgebaut.

Größere Wahrscheinlichkeit einer Amtsübernahme vor der übernächsten Wahl

Die Debatte stieß unter anderem deshalb auf ein größeres Interesse als viele Vizepräsidentschaftskandidaten-Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, weil beide Kandidaten statistisch gesehen mit größerer Wahrscheinlichkeit während der nächsten Legislaturperiode das Amt des Präsidenten übernehmen als beispielsweise Dan Quayle oder der indianischstämmige Charles Curtis.

Der republikanische Präsident Donald Trump ist nämlich bereits 74 Jahre alt, sein demokratischer Herausforderer Joseph Biden sogar schon 77. Egal, wer von den beiden im Januar den nächsten Amtseid ablegt - er wäre in jedem Fall der beim Amtsantritt bislang älteste Präsident der USA. Hinzu kommt, dass Trump nach einer Covid-19-Erkrankung gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde und Biden - vorsichtig formuliert - ebenfalls nicht immer den allergesündesten Eindruck macht.

Der naheliegenden Frage der Moderatorin nach Vereinbarungen über eine Amtsübergabe wichen aber sowohl Pence als auch Harris aus - was auch bei anderen Fragen immer wieder vorkam. Ob Biden und Harris nun Alexandra Ocasio-Cortez' Green New Deal umsetzen wollen oder nicht, bleibt deshalb weiterhin unklar. Ebenso, ob die Demokraten die Zahl der Supreme-Court-Richter von neun auf 15 erhöhen, wenn der Senat vorher Trumps Nominierung Amy Coney Barrett bestätigt.

Anstatt diese Frage zu beantworten, kritisierte Harris mangelnde "Diversität" in der Anwärterliste des Präsidenten - worauf hin Pence konstatierte: "Ich glaube, die Amerikaner wissen [jetzt] die Antwort." Auch der Frage nach einer "friedlichen Machtübergabe" wichen beide Politiker aus. Hier verwies Pence auf die Anstrengungen der Demokraten, Donald Trump "wegen eines Telefongesprächs" des Amtes zu entheben.

Corona: Pence will Chinesen "zur Verantwortung ziehen"

Bei den Themen, um die es ging, nahm den meisten Raum mit zusammengerechnet fast einer Viertelstunde die Coronakrise ein. Hier wich Harris der Frage aus, ob Biden einen weiteren Lockdown oder eine landesweite Maskenpflicht anordnen würde, und redete stattdessen über Forschungsfortschritte, worauf hin ihr Pence vorwarf, seine und Trumps Agenda zu "plagiieren". In diesem Zusammenhang erinnerte er an eine abgeschriebene Rede Bidens, wegen der der Demokrat eine erste Präsidentschaftsbewerbung in den 1980er Jahren aufgeben musste.

Harris' Vorwurf, Pence und Trump hätten die Seuchengefahr im Januar heruntergespielt, versuchte der Vizepräsident mit einer Aussage Joseph Bidens zu kontern, der die damals verhängten Einreisebeschränkungen für Personen aus China als "hysterisch" und "xenophob" kritisiert hatte. Da zu Beginn der Ausbreitung praktisch alle Angesteckten aus China gekommen seien, habe diese Entscheidung den Amerikanern viel wertvolle Zeit verschafft und "vielleicht hunderttausende amerikanischer Leben gerettet". China und die Weltgesundheitsorganisation WHO hätten nämlich nicht mit offenen Karten gespielt und die Gefahr bis Mitte Februar verharmlost. Dafür werde man das Land nun "zur Verantwortung ziehen".

Taktik und Tatsachen

Harris schien während der Debatte mehrmals der Verlockung zu erliegen, widerlegte Behauptungen vorzubringen, die sie möglicherweise als taktisch nützlich erachtete. So griff sie beispielsweise (wie bereits Biden selbst), ein von der Zeitschrift The Atlantik kolportiertes Gerücht auf, Donald Trump habe US-Soldaten als "Verlierer und Trottel" bezeichnet. Zahlreiche Teilnehmer des Treffens, auf dem diese Ausdrücke angeblich gefallen sein sollen, haben diese Meldung dementiert. Unter ihnen ist auch John Bolton, der mit Trump seit seiner Entlassung im Streit liegt und keine Gründe mehr hat, ihn zu decken.

Ein anderer fragwürdiger Vorwurf, den Harris zu nutzen versuchte, war die im Juli von der New York Times unter Berufung auf anonyme aber "offizielle" Quellen veröffentlichte Behauptung, die Russen hätten Kopfgelder auf amerikanische Soldaten in Afghanistan ausgesetzt. Und Fracking wird Biden Harris Worten nach - anders als der 77-Jährige selbst ankündigte - nicht verbieten. Als Pence solche Behauptungen mit Verweis auf eine Tatsachenlage zu korrigieren versuchte, meinte Harris, sie lasse sich "nicht belehren".

Die Steuersenkungen, die die Republikaner 2017 verabschiedeten, möchte die Demokratin zurücknehmen, weil sie ihren Angaben nach nur dem reichsten Prozent der Amerikaner zugutekommen. Damit widerspricht sie unter anderem der Washington Post, der zufolge Familien mit einem Haushaltseinkommen zwischen 50.000 und 75.000 Dollar 2018 tausend Dollar weniger an Steuern zahlten.

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