"Ich vermisse den sozialen Liberalismus"

Seite 2: "Die Partei muss sich deutlich von Leuten wie Dirk Niebel distanzieren."

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Wie kann eine Partei Glaubwürdigkeit zurückerlangen, wenn beinahe wöchentlich einzelne Parteimitglieder für negative Schlagzeilen sorgen?

Gerhart Baum: Sie sprechen vermutlich das leidige Thema "Dirk Niebel" an, richtig? Niebel, der Rüstungslobbyist. Mein Appell: Die Partei muss sich deutlich von solchen Leuten distanzieren. Sie muss sich radikal von dem Image lösen, sie sei eine Klientelpartei.

Für Wirbel hat auch die Hamburger FDP gesorgt, die nun abermals Katja Suding als Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl ins Rennen schickt. Im Vorwege hatte sich der Landesverband durch persönliche Streitereien beinahe selbst zerlegt - wie groß ist der Imageschaden?

Gerhart Baum: So etwas darf nicht passieren. Die FDP befindet sich in einem Überlebenskampf - da hat übertriebener öffentlicher Ehrgeiz keinen Platz. Nun ist ja eine Lösung gefunden worden. Für die Erholung der FDP ist die Hamburg-Wahl ganz wichtig.

"Wir brauchen in mancher Hinsicht eine 'neue FDP', aber nicht einen neuen Namen"

Apropos Schaden: Die Umbenennung einer etablierten Marke ist die wohl riskanteste Mission im Marketing. Vermittelt nicht genau die Diskussion darüber erneut den Eindruck, der FDP fehle eine rote Linie und sie drehe sich nur um sich selbst?

Gerhart Baum: Die Diskussion zeigt, wie verzweifelt nach etwas Neuem gesucht wird. Die FDP aber ist kein Markenprodukt. Sie wird nach Inhalten und Personen beurteilt .Über das optische Erscheinungsbild kann man reden. Wir brauchen in mancher Hinsicht eine "neue FDP", aber nicht einen neuen Namen, mit dem wir uns von der liberalen Tradition abwenden würden.

Sie sind Jurist und nach eigenen Angaben seit jeher um sachorientierte Lösungen bemüht. Herr Baum, leiden wir zurzeit an zu viel Moral in der Politik?

Gerhart Baum: So drastisch würde ich das nicht sagen. Aber: Leider werden häufig moralische Gründe in Bereichen ins Feld geführt, in denen sie nichts zu suchen haben. Wir brauchen keine moralische Bevormundung. Besonders stark ausgeprägt ist das bei den Grünen, die bringen oft die Moralkeule ins Spiel.

Wie haben Sie eigentlich den Spott und die Häme erlebt, die viele Grüne und Linke der FDP in den vergangenen Monaten entgegengebracht haben?

Gerhart Baum: Sie haben in Ihrer Aufzählung die Öffentlichkeit vergessen, viele Medien haben schließlich mitgemacht. Häme pur, kann ich nur sagen. Mich hat das natürlich geschmerzt, keine Frage. Erschreckend: Seit vielen Jahren kommt es immer wieder vor, dass mir Menschen sagen: "Wir würden Sie wählen, Herr Baum, aber auf keinen Fall Ihre Partei!" Es gibt viele Bürger, die sich eine liberale Politik wünschen, und zwar liberale Politik, die den Namen auch verdient.

Herr Baum, Dresden ist Ihre Heimatstadt - haben Sie Sorge vor der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen?

Gerhart Baum: Ich kann das nicht einschätzen. Fest steht: Herr Zastrow muss seine Politik verantworten. Wer mich kennt, wird sich nicht wundern, dass ich zu Teilen seiner Politik eine Distanz habe.

Vor fünf Jahren erzielte die FDP in Sachsen zehn Prozent...

Gerhart Baum: ...Das waren doch die Boom-Zeiten! Davon haben sich viele FDP-Politiker täuschen lassen, sie dachten tatsächlich, das würde immer so weitergehen.

Was konkret stört Sie an der sächsischen FDP?

Gerhart Baum: So einiges.

Vorbild NEOS

Der FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow sagte vor kurzem, es sei ein Fehler gewesen, kritische Stimmen, wie beispielsweise jene von Frank Schäffler, intern klein zu halten und bestimmte Leute auszugrenzen. Das habe Parteien wie der AfD im Europawahlkampf in die Karten gespielt. Sehen Sie das ähnlich?

Gerhart Baum: Da bin ich ganz anderer Meinung. Die Europaskepsis, dieses mangelnde Bewusstsein dafür, dass Europa zusammenhalten muss, dass es eine Solidargemeinschaft ist, eine Wertegemeinschaft, die sich gegenüber den Machtzentren USA und Asien behaupten muss, das erschreckt mich. Und das ist schädlich.

Wie meinen Sie das?

Gerhart Baum: Wie man zu Europa steht, das ist eine politische Grundsatzentscheidung, eine Jahrhundertentscheidung. Das Bekenntnis zu Europa hätte deutlicher herausgestellt werden müssen - auch und gerade in der Krise. Ein gutes Beispiel sind die Liberalen in Österreich, die "Neos", ich sage nur: acht Prozent. Die haben einen überzeugenden Wahlkampf für Europa hingelegt. Die FDP dagegen war in der Europapolitik schwer zu erkennen.

Nachfrage zur Landtagswahl: Tut Ihnen Sachsens FDP-Landeschef Zastrow eigentlich leid?

Gerhart Baum: Warum sollte er? Er geht seinen eigenen Weg und hat ihn auch zu verantworten.

Wenn die FDP bei der Landtagswahl überraschenderweise acht Prozent bekäme, würden Sie sich aber freuen, oder?

Gerhart Baum: (Pause)

Das ist auch eine Antwort, Herr Baum.

Gerhart Baum: (lacht) Nein, nein. Ich will es mal so sagen: Das hängt alles von den Umständen ab.

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