Idlib: Etappenerfolg der syrischen Armee bei Khan Scheichun
Der Vormarsch der syrischen Truppen erhöht die Spannungen mit der Türkei, die offiziell an ihrem Beobachtungsposten im umkämpften Teil der "Deeskalationszone" festhalten will
Die syrischen Regierungstruppen sind ihrem Ziel, Kontrolle über die wichtigste Verkehrsverbindung im Land zu erlangen, in einer bedeutenden Etappe nähergekommen. Die Schnellstraße M5 verläuft von der jordanischen Grenze nach Damaskus und verbindet die Hauptstadt mit Homs, Hama und Aleppo. Die Stadt Khan Scheichun liegt direkt an der Magistrale.
Zwar lässt die vollständige Einnahme der Stadt und der M5 bei Khan Scheichun nach jüngsten Informationen noch auf sich warten - trotz des berichteten Rückzugs der gegnerischen Milizen wird noch Widerstand gemeldet -, aber die Regierungskräfte haben strategische wichtige Anhöhen erobert und man zeigt sich siegesgewiss: Mitglieder der SAA machen Selfies auf der Schnellstraße bei Khan Scheichun.
Eingenommen wurde der Hügel Tall al-Nar - berichtet wird, dass von dort aus "jeglicher Verkehr nach Khan Sheikhoun über die M5-Autostraße zwischen Hama und Aleppo zu beobachten" sei.
Auf der anderen Seite der Fernstraße wurde die Anhöhe Tal Ter'i (auch Tal Tari geschrieben) erobert. Damit, so Unterstützer der SAA, habe die syrische Armee Feuerkontrolle über wichtige Zufahrtswege nach Khan Scheichun.
Die russische Unterstützung hat bei diesem wichtigen Etappensieg, der den Vormarsch nach Idlib hinein eröffnet, eine wie immer wichtige Rolle gespielt. Und wie immer gibt es Entrüstung über die russischen Luftangriffe.
"Keine Wohlfühlzone für Terroristen"
Auch der französische Präsident äußerte sich dazu gegenüber seinem Gast Putin, der jedoch einmal mehr darauf verwies, dass Dschihadisten die Gegner seien, die sich in Idlib "nicht wohlfühlen" sollten. Der Unterschied in der Bewertung und Einschätzung der "Opposition" wird so schnell nicht revidiert werden. Bei der Darstellung der Lage in Idlib hält der Tenor der westlichen Berichterstattung im Allgemeinen daran fest, dass es sich um eine "Rebellenenklave" handelt, obwohl dort faktisch von der herrschenden Miliz Hay'at Tharir al-Sham ein Emirat mit Sharia-Gesetzgebung errichtet wurde.
Dass dies möglich war, wird auch der Türkei zum Vorwurf gemacht, die mit islamistischen Milizen verbündet ist, die Gegner der Regierung in Damaskus sind. Zwar wird in Ankara darauf verwiesen, dass die mit der Türkei verbündeten Milizen die al-Qaida-Abkömmling HTS bekämpfen, aber das Verhältnis der Türkei - und vor allem ihres Geheimdienstes - zu den Dschihadisten ist undurchsichtig.
Gewiss ist, dass die Türkei auf Absprachen mit der HTS angewiesen war, um ihre Beobachtungsposten in der sogenannten "Deeskalationszone" in Idlib beziehen zu können und um Nachschub zu garantieren. Gewiss ist auch, dass es die Türkei nicht geschafft hat, eine Öffnung der beiden Fernstraßen M5 und M4 für die Regierung in Damaskus herbeizuführen. Das war Bestandteil des sogenannten Sotschi-Abkommens im Herbst letzten Jahres zwischen Russland und der Türkei. Lange Zeit verhielt sich sowohl Russland wie auch Syrien zurückhaltend gegenüber der Erfüllung dieser Zusage.
Doch zeigte sich seither, dass die HTS ihre Herrschaft über Idlib ausbauen konnten und dass die Türkei offensichtlich nicht dazu in der Lage war - oder vielleicht auch nicht willens -, um ihren Teil der Abmachungen einzuhalten. Dem Anschein nach hatte Ankara andere Prioritäten, etwa die Einrichtung einer "Sicherheitszone" im Nordosten Syriens, auch dies gegen wiederholte Statements der syrischen Regierung, die dagegen ist. Angriffe der islamistischen Milizen aus Idlib auf Ziele in von der Regierung kontrollierten Gebieten wie auch auf den russischen Militärstutzpunkt Khmeimim führten letztlich dazu, dass der Geduldsfaden der syrischen wie der russischen Regierung gerissen ist.
Der gemeinsame Nenner zwischen der Türkei, Syrien und Russland?
Der Luftangriff vor zwei Tagen auf einen türkischen Konvoi in Syrien (siehe: Erdoğan und Assad: Konflikt um Khan Scheichun), bei dem islamistische Milizen mitfuhren, hat für einen Eklat der Spannungen zwischen der Türkei, Syrien und Russland gesorgt.
Manche Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass der Angriff nicht, wie berichtet wird, von der syrischen Luftwaffe durchgeführt wurde, sondern von russischen Flugzeugen. Bewiesen ist das nicht, aber man kann davon ausgehen, dass nichts im Luftraum dieses Gebietes ohne Einwilligung der russischen Militärführung geschieht.
Die Frage ist nun, welchen gemeinsamen Nenner die Türkei, Russland und Syrien, besonders die beiden erstgenannten, für die nächste Zukunft in Idlib finden können. Die Türkei kündigte an, dass sie den Beobachtungsposten, der im Gebiet der anfangs genannten Eroberungen liegt, weiter besetzen wolle und nicht verschieben. Es gibt dazu allerdings auch Mitteilungen von Beobachtern, die von einem neuen Beobachtungsposten nördlich von Khan Scheichun berichten.
Von den Spannungen zwischen der Türkei und Russland abgesehen, so Maxim A. Suchkov auf al-Monitor könnte das Verhältnis zwischen Ankara und Damaskus weiter strapaziert werden, wenn die syrische Regierung neue Grenzlinien der Deeskalationszone zieht. Die Frage wird sein, welches Vermittlungsgeschick Russland an den Tag legt.
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